Keine Schule für alle

Der Anspruch:

Natürlich erlegen sich alle Schulen die bestmögliche Ausbildung auf – und geben den selbst gesetzten Qualitätsanspruch an ihre Bewerber und Absolventen weiter. „Wir suchen die größten Talente, wollen ihnen die beste Ausbildung bieten und möchten sie zu hervorragenden Journalisten machen“, formuliert Jan-Eric Peters von der Axel-Springer-Akademie. Diesen Satz würden alle anderen Schulleiter sofort unterschreiben. Deren Antworten unterscheiden sich nur in Nuancen oder zeigen minimal verschobene Schwerpunkte. Andreas Wolfers, Leiter der Henri-Nannen-Schule, nimmt die heraufziehende nächste Medienkrise schon vorweg, wenn er sagt, seine Absolventen sollten „sich auch in schlechten Zeiten den eigenen Qualitätsanspruch nicht nehmen lassen.“ Ulrich Brenner von der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München betont zudem die Wertevermittlung: „Fachlich hervorragend und der besonderen Verantwortung eines Journalisten bewusst – das ist der Anspruch an Schule und Absolventen“, sagt er. Ähnlich äußern sich Manfred Volkmar von der Berliner Journalistenschule (BJS) und Klaus Möllering, Leiter der Evangelischen Journalistenschule (EJS), ebenfalls in Berlin. Die „innere Unabhängigkeit, Courage und Verantwortung im Journalismus“ wolle man stärken. Ihr katholisches Pendant, das Institut zur Förderung des publizistischen Nachwuchses (IfP), steht laut Geschäftsführerin Elvira Steppacher für „Wahrhaftigkeit, Fairness und Unabhängigkeit“ ein und will „durch Information und Orientierung gelingende Kommunikation in der Gesellschaft fördern“.

Jens Schröter, Leiter der Burda-Journalistenschule, zitiert zuerst den Claim seiner Ausbildungsstätte („The next media factory“) und findet auch sonst schneidige Worte: „Alles können, nicht nur alles kennen“ sollten die Absolventen. Die Schule nimmt für sich in Anspruch, die „modernste Journalistenschule“ zu sein. Und, ein Seitenhieb: „Damit sind unsere Ansprüche deutlich höher als die der meisten anderen Journalistenschulen.“

Spezialisiertere Ansprüche haben Ausbildungsstätten wie die Holtzbrinck-Schule in Düsseldorf. Diese will „die besten Wirtschaftsjournalisten in Deutschland“ ausbilden, sagt deren Leiter Klaus Methfessel. Die RTL-Journalistenschule in Köln will ein „hohes Maß an Professionalität“ und „fernsehtechnischem Know-how“ bieten. Die Journalistenschule Ruhr in Essen, die zum WAZ-Konzern gehört, will vor allem solche Journalisten hervorbringen, „die eine Nachricht crossmedial aufbereiten können.“ Die Reportageschule Zeitenspiegel schließlich hat sich „Glaubwürdigkeit“ und den „einfühlsamen Umgang mit den Protagonisten einer Geschichte“ auf die Fahnen geschrieben.

Das Auswahlverfahren:

Die meisten Schulen unterziehen die Bewerber einem zweistufigen Auswahlverfahren: Auf eine Textarbeit von zu Hause aus folgt, sofern diese Hürde genommen wurde, das engere Auswahlverfahren vor Ort. Fast immer ist im ersten Schritt eine Reportage gefordert, deren mögliche Themen die meisten Schulen vorab festlegen; an der DJS etwa wählen die Bewerber aus vier Themen aus, an der Henri-Nannen-Schule (HNS) aus fünf. Bei der HNS wird nach demselben Muster auch ein Kommentar gefordert. Die RTL-Schule verlangt zusätzlich Vorschläge, wie sich das gewählte Thema für einen ca. dreiminütigen Fernsehbeitrag umsetzen lässt – mit Fotos, Beschreibung oder Storyboard. Keine Reportage fordert hingegen die Kölner Journalistenschule. Die Bewerber müssen aber schriftlich erläutern, warum sie Journalist werden wollen. „Wenn die Texte überzeugen, wird der Bewerber zum Test eingeladen“, sagt Schulleiterin Ingeborg Hilgert.

In der zweiten Runde stellen sich die Bewerber an fast allen Schulen einem Bewerbungsgespräch mit Schulleitern und Redakteuren. An vielen Schulen müssen die Bewerber zudem einen Wissens- und einen Bildertest absolvieren und ihre textlichen Fähigkeiten auch unter Zeitdruck beweisen. Bei Zeitenspiegel beschränkt man sich auf ein Auswahlgespräch; die Unterlagen aus der ersten Runde genügen.

Einen ganz anderen Weg geht die Burda-Journalistenschule. Die Chefredakteure des Konzerns empfehlen der Schule ihre besten Praktikanten des abgelaufenen Jahres. Die Schule prüft dann nur noch die formalen Voraussetzungen, danach können die Absolventen jeweils zum 1. Oktober anfangen. Schulleiter Jens Schröter: „So ist gewährleistet, dass der Bewerber zur Redaktion passt.“

Die Schwerpunkte:

Crossmedia ist das Zauberwort unter Deutschlands Journalisten-Ausbildern. Wer es nicht schon bei der Beschreibung der aktuellen Schwerpunkte im Munde führt, der kün- digt wenigstens für 2009 mehr Crossmedia an.

Die traditionell eher auf Print ausgerichteten Schulen wie HNS, DJS oder Kölner Journalistenschule haben sich längst auch dem Online-Journalismus zugewandt. Andreas Wolfers von der HNS betont aber auch: „Multimediale Qualitätsausbildung bleibt das beste Starterpaket.“ Und Gabriele Bartelt-Kircher von der Journalistenschule Ruhr prophezeit: „Der Redakteur von morgen wird jedoch immer mehr zum Channel-Manager. Deshalb ist uns eine crossmediale Ausbildung mit Video- und Audio-Elementen wichtig.“

Am weitesten voraus gehen die Burda-Schule und die Axel-Springer-Akademie. Burda unterweist die Absolventen auch in Grenzbereichen des Internetjournalismus – etwa im Community Management oder bei der Suchmaschinenoptimierung. Jan-Eric Peters hat im Lehrplan der Springer-Akademie zudem Mobile Reporting untergebracht – Recherche, Audio- und Videoproduktion per Handy.

Natürlich legen jene Schulen, die einen spezifischeren Ansatz verfolgen, ihren Schwerpunkt auch eher auf ihre Stärken: Wirtschaftsjournalismus bei Holtzbrinck, Print bei Zeitenspiegel, TV-Journalismus bei RTL – wobei letztere Schule im kommenden Jahr Wirtschafts-, Wissenschafts- und (im Vorfeld der Bundestagswahl) Politikjournalismus stärken will.

Die Praktika:

Die Zahl der Praktika variiert: In den Lehrplänen von DJS und der BJS stehen zwei, bei der HNS vier, bei der Kölner Schule sechs und bei Holtzbrinck nur eines. Viele Schulen schreiben ein Praktikum bei einer Tageszeitung oder zumindest einer „tagesaktuell arbeitenden Redaktion“ (Ulrich Brenner) vor. Auf ein Pflichtpraktikum bei einer Tageszeitung verzichten die Berliner und die Holtzbrinck-Journalistenschule sowie die auf elektronische Medien spezialisierte RTL-Schule. Tagesaktualität werde aber geschult durch Pflichtstationen in RTL-eigenen Nachrichtenredaktionen wie n-tv und die RTL2-Nachrichten, erläutert Schulleiter Leonhard Ottinger.

Schulen, die zu Verlagen gehören, sind gehalten, die Journalistenschüler zumindest teilweise im eigenen Haus unterzubringen. So müssen Springer-Schüler ein Praktikum bei einer Boulevardzeitung absolvieren und werden über mehrere Monate jeweils bei „Welt Kompakt“ und „Welt Online“ eingespannt. Die Absolventen der Henri-Nannen-Schule durchlaufen ein fünfwöchiges Praktikum in einem Special-Interest-Titel von Gruner + Jahr, die Schüler der Journalistenschule Ruhr verbringen bis auf eines alle Praktika im WAZ-Konzern. Schüler der Burda-Schule müssen schon vor Beginn der Ausbildung drei Praktika im Haus hinter sich haben – und während des Volontariats zwei weitere absolvieren. Ausdrücklich nicht erwünscht sind Praktika im eigenen Laden bei der Holtzbrinck-Schule. „Wir wollen eine In-House-Mentalität vermeiden“, sagt Schulleiter Klaus Methfessel.

Die Evangelische Journalistenschule schreibt fünf Praktika vor, davon eines „in der kirchlichen Publizistik“; das IfP hingegen besteht nicht auf einem Einsatz bei konfessionell geprägten Medien.

Das Besondere:

Jens Schröter sieht die Burda-Journalistenschule nicht bloß als Ausbildungsstätte, sondern ausdrücklich auch als „Labor und Impulsgeber“ fü
r das ganze Haus. Die Stärken der Springer-Akademie liegen laut Jan-Eric Peters vor allem in der Kombination aus „moderner, crossmedial ausgerichteter Journalistenschule (und) klassischem Volontariat.“ Zudem machten die Schüler mit „Welt Kompakt“ quasi „ihre eigene Tageszeitung“.

DJS und HNS werben mit ihrem Renommee, ihrem Netzwerk sowie ihren Dozenten – „durchweg erfahrenen Journalistinnen und Journalisten, die sehr praxisorientiert unterrichten“. Die Kölner Schule sieht ihre Besonderheit in der Ausrichtung auf Wirtschaftsjournalismus, die Journalistenschule Ruhr in ihrer lokalen Verankerung, RTL natürlich in der Konzentration aufs Fernsehen, und Zeitenspiegel hebt seine „konsequente Ausrichtung auf die Reportage, die journalistische Königsdisziplin“ hervor. Die beiden konfessionellen Schulen sehen ihre Einzigartigkeit vor allem in ihrem religiösen Unterbau – so sind an der EJS laut Klaus Möllering neben dem journalistischen Handwerk auch „Kontakt mit der evangelischen Publizistik, Kenntnis kirchlicher Strukturen, Auseinandersetzung mit Anliegen des christlichen Glaubens“ Bestandteil des Lehrplans. Elvira Steppacher vom IfP ist zudem stolz auf das institutseigene Medienkloster in München, wo die Absolventen leben und arbeiten sollen.

Die Absolventen:

„Aus einer siegreichen Mannschaft mag kein Trainer der Welt einen Spieler hervorheben“, sagt Manfred Volkmar von der Berliner Journalistenschule und nennt dann doch ein paar seiner Absolventen: Dominik Wichmann zum Beispiel, oder „Dummy“-Macher Oliver Gehrs.

Die DJS wiederum nennt die Moderatoren Günther Jauch und Sandra Maischberger, die Chefredakteure Andreas Petzold und Timm Klotzek – und Jan-Eric Peters. Die HNS besuchten unter anderem „Spiegel-Online“-Chef Mathias Müller v. Blumencron und „Geo“-Chefredakteur Peter-Matthias Gaede, Lisa Ortgies, Cordt Schnibben und Autorin Ildikó v. Kürthy.

Gabor Steingart und „FTD“-Chefredakteur Steffen Klusmann waren bei Holtzbrinck, die WDR-Redakteurin Marion von Haaren auf der Kölner Schule. Moderatorin Katrin Salié absolvierte die RTL-Schule, „Cicero“-Redakteur Bruno Schirra die EJS, und das IfP durchliefen unter anderem „SZ“-Redakteur Heribert Prantl und die RBB-Intendantin Dagmar Reim.

Aber nicht alle Journalistenschulen können oder wollen die Namen ihrer Absolventen nennen. Die Axel-Springer-Akademie kann schlicht noch keine vorweisen – weil es die Akademie erst seit zwei Jahren gibt. Aus der Burda-Schule verlauten keine Namen; immerhin verrät Jens Schröter, dass „99 Prozent“ der Absolventen nach dem Abschluss weiter bei Burda arbeiten. „Nur in Absprache mit den Betroffenen“ möchte sich auch Gabriele Bartelt-Kircher von der Journalistenschule Ruhr äußern. Und der „Zeitenspiegel“ verlinkt auf seiner Website zu den Blogs seiner Absolventen – sofern diese eins haben – und hält sich ansonsten bedeckt.

tipp

Eine Tabelle mit allen Service-Infos zu den befragten Schulen steht auf Seite 74/75.

In der Branche hat man ein zwiespältiges Verhältnis zu Journalismus-Studiengängen. Das Vorurteil lautet in etwa: Die kennen am Ende fünf Kommunikationsmodelle, aber können keine Nachricht aufschreiben. Was antworten Sie darauf?

Klaus Meier: Das Verhältnis wandelt sich allmählich – mit der Zahl der Journalistik-Absolventen, die sich in ihren Jobs durchaus bewähren. Zudem haben wir in der Branche des Online-Journalismus nie die Skepsis verspürt, die manchmal noch der allgemeinen Journalistik entgegenschlägt. Das liegt vermutlich daran, dass Online-Redaktionen viel ausprobieren und testen müssen, dass es noch nicht die Regeln gibt.

Was haben Sie mit diesem Studiengang Journalistenschulen voraus? Reagieren die zu langsam?

Jede Ausbildungsform hat Stärken und Schwächen. Eine Stärke der akademischen Journalistenausbildung liegt in der Innovationsfähigkeit der Absolventen. An Journalistenschulen und in Volontariaten lernt man in der Regel den Beruf eher rückwärtsgewandt: Erfahrene Journalisten trainieren junge Menschen so, wie sie es selbst mal gelernt haben. An der Hochschule vermitteln wir dieses Regel- und Handwerkswissen natürlich auch, aber wir versuchen zudem weiterzudenken, wohin sich der Journalismus entwickelt. Ein kreativer Freiraum kann an der Hochschule besser entstehen als unter dem ökonomischen Verwertungsdruck der betrieblichen Ausbildung. Nicht zuletzt deshalb nennen sich ja Journalistenschulen inzwischen Akademien (wie z. B. beim Springer-Verlag) und versuchen, akademische Freiräume zu simulieren.

Worin unterscheidet das Fach Onlinejournalismus vom Fach Journalismus?

Während man im traditionellen Journalistik-Studium zunächst die herkömmlichen Medien betrachtet und das Internet irgendwie dazugepackt wird, lehren wir den Journalismus vor allem aus der Warte des Internet. Und schlagen von dort aus crossmediale Brücken zu den traditionellen Medien.

Welche Inhalte sind beim Studiengang Onlinejournalismus besonders wichtig?

Neben dem journalistischen Handwerk (Recherchieren, Schreiben, Redigieren) vor allem das „Kopfwerk“. Dazu gehören z. B. konzeptionelle Fähigkeiten, Teamarbeit und Verantwortungsbewusstsein, aber auch wissenschaftliches Wissen zur Medienentwicklung und den Bedingungen des Journalismus in Gesellschaft, Recht und Ökonomie. Mit dem Zusammenspiel von Text, Foto, Audio und Video beim Storytelling, mit crossmedialer Redaktionsorganisation oder mit einem konstruktiven Umgang mit einem aktiven Publikum beschäftigen wir uns seit Jahren. Im Kern des Studiums stehen Textwerkstätten sowie praktische Projekte.

Wo sind Ihre Absolventen untergekommen?

Nach unserer jüngsten Befragung arbeiten sie zu 42 Prozent im Journalismus, zu 34 Prozent in der PR und zu 21 Prozent in anderen Berufen. Die Journalisten sind als feste Freie, angestellte Redakteure oder Ressortleiter untergekommen – z. B. bei zdf.de, hr-online, br-online, FAZ.NET, t-online.de, Tomorrow Focus AG, Focus TV oder SAT.1-online.

Tipp:

Link zur Hochschule Darmstadt/Fachbereich Media/Studienbereich Journalismus: http:// www.journalismus-darmstadt.de

Kontakt: Klaus Meier: eMail: meier@fh-darmstadt.de

Erschienen in Ausgabe 11/2008 in der Rubrik „Special“ auf Seite 68 bis 75 Autor/en: Daniel Kastner. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.