Heimliche Mithörer

Firmen und Behörden haben einen wirkungsvollen Weg entdeckt, um die Informanten von Journalisten zu enttarnen: Sie werten die Telefonnummern aus, die ihre Mitarbeiter gewählt oder empfangen haben. Wurden früher Staatsanwaltschaften bemüht, um Plauderer zu ermitteln, fahnden heute interne Sicherheitsabteilungen nach den Lecks. Wie bei der Deutschen Telekom, die Hunderttausende von Telefondaten auswerten ließ, um die Quellen von „Capital“ und „Financial Times Deutschland“ zu enthüllen.

Was künnen Journalisten tun, um Informanten davor zu schätzen? Eine Erkenntnis sollte jede Recherche begleiten: Bereits ein Anruf kann ausreichen, um eine Quelle auffliegen zu lassen. Jedes Telefonat hinterlässt Spuren, die verwischt werden müssen. Schon drei schnelle Schritte senken das Risiko für Kontaktleute erheblich.

Schritt 1: Verhindern Sie, dass Ihre Telefonnummer (oder die Ihres Verlags) bei Anrufen übertragen wird. Die Bedienungsanleitungen von Telefonen oder Handys erläutern, wie die verräterische Funktion abgeschaltet wird (oder fragen Sie den Kollegen aus der IT-Abteilung). Achtung: Polizei, Feuerwehr oder Telekom-Konzerne können sich die Nummern von Anrufern trotzdem anzeigen lassen.

Schritt 2: Meiden Sie bei sensiblen Recherchen Telefonanlagen. Rufen Sie Gesprüchspartner von Privat-Handy zu Privat-Handy an. Warum? Auch Verlage zeichnen auf, wen die Mitarbeiter anrufen. Soll Ihr Geschäftsführer die Namen der Quellen erfahren?

Schritt 3: Schärfen Sie Ihren Informanten ein, bei sensiblen Themen niemals ein Firmentelefon zu benutzen. Auch kein Firmenhandy oder sogenannte „dienstliche Privatanschlüsse“.

Diese drei Schritte bilden die Grundregeln für das Alltagsgeschäft. Das Risiko für Journalisten und Informanten lässt sich mit weiten Methoden senken. Viele Spitzenmanager nutzen für sensible Gespräche weder Firmentelefon noch Privat-Handy. Um ihre Identität zu tarnen, greifen sie zu Mobiltelefonen, die auf die Namen von Schwiegereltern oder Freunden zugelassen sind.

Praktisch sind auch Geheimnummern, mit denen ein Reporter seine Identität verbergen kann. Diesen Service bietet z. B. Nicknumber (siehe Linktipp). Der Reporter erhält kostenlos eine 01805-Nummer (oder gegen Gebühr eine Rufnummer mit Ortsvorwahl), über die er mit Informanten telefoniert. Seine wahre Telefonnummer bleibt verborgen. Ein Punkt muss jedoch deutlich betont werden. Die bis jetzt besprochenen Methoden erschweren Firmen und Behörden, die Quellen eines Journalisten zu enthüllen. Ermittlungen von Polizisten und Staatsanwälten widerstehen sie aber nicht. Besteht diese Gefahr, zum Beispiel, weil ein Reporter im terroristischen Umfeld recherchiert, muss er viel strenger vorbeugen. Aber wie?

Vorsorge. Am besten mit einem Handy, das nicht registriert ist. Zuerst besorgt sich der Reporter eine Prepaidkarte. Sie enth�lt eine Mobilfunknummer und ein Gespr�chsguthaben. Die Inhaber von Telefonl�den sind zwar verpflichtet, die Personalien des K�ufers aufzunehmen. In kleinen Gesch�ften, besonders in alternativen Stadtteilen, wird darauf aber verzichtet. Alternativ bieten sich Flohm�rkte an, um Karten anonym zu erstehen. Oder St�dtereisen, zum Beispiel nach London. In Gro�britannien werden Prepaidkarten ohne Identit�tsnachweis verkauft („pay as you go“).

Ist die Karte erworben, muss ein neues Handy angeschafft werden. Warum neu? Jedes Mobiltelefon besitzt eine weltweit einmalige Ger�tenummer, die sogenannte IMEI. Setzt der Reporter die anonyme Prepaidkarte in sein Handy ein, ist die Identit�t sofort enth�llt. Das Handy meldet sich im Funknetz mit der IMEI an, die dem Reporter zugeordnet werden kann.

Und was ist beim Kauf des Handys zu beachten? Schlichte Handys eignen sich f�r anonymes Telefonieren besser als Hightech-Ger�te. Das Handy sollte Simlock�frei sein. Das hei�t: Es funktioniert mit Prepaidkarten unterschiedlicher Anbieter. Und: Zahlen Sie bar.

Nun kann der Reporter anonym mit Informanten telefonieren. Sind damit alle Probleme gel�st? Nein. Der Reporter muss sehr diszipliniert mit seinem Ger�t umgehen. Denn:

* Mobiltelefone k�nnen geortet werden, in der Gro�stadt auf 300 Meter und auf dem Land auf etwa 1,5 Kilometer genau (in Sonderf�llen noch genauer). Befindet sich der Verlag auf der gr�nen Wiese, kann sich ein staatlicher Ermittler schnell denken, wer hinter anonymen Anrufen steckt.

* Privatgespr�che mit Partnern, Kindern oder Freunden sind tabu. Sie f�hren auf die Spur des Handybesitzers.

* Bei pers�nlichen Treffen mit Informanten sollten die Handys ausgeschaltet werden (noch besser: Akkus entfernen!). Warum? Die Mobiltelefone von Journalist und Informant stecken bei einem Treffen in derselben Funkzelle des Mobilnetzes. Das k�nnte die Kontaktperson kompromittieren.

Mit diesen Tricks kann ein Journalist seine Identit�t verschleiern. Ein Risiko bleibt jedoch: Die Gespr�che laufen unverschl�sselt durch die Datenleitungen des Mobilfunkanbieters. Sie k�nnen abgeh�rt werden. Hier st��t der Reporter an eine Grenze: Er kann zwar anonym telefonieren � aber die Inhalte nicht verschl�sseln. Umgedreht gilt: Er kann zwar verschl�sselt telefonieren � dann aber nicht anonym. Beides zusammen funktioniert leider nicht (oder nur mit professioneller Hilfe).

Abwehr von Lauschangriffen. Wer kann ein Gespr�ch belauschen? Zu viele Personen, um alle an dieser Stelle aufzuz�hlen. Gleichg�ltig, ob Sie �bers Festnetz, Internet oder Handy telefonieren: Sie m�ssen damit rechnen, dass mitgeh�rt wird. Zwar werden viele professionelle Verschl�sselungstechniken angeboten (siehe Linktipp), doch f�r den journalistischen Alltag mit st�ndig wechselnden Gespr�chspartnern taugen diese L�sungen kaum.

Um verschl�sselt zu telefonieren, existiert f�r Journalisten und Informanten realistisch nur ein Weg. Sie installieren frei erh�ltliche Internettelefone und Verschl�sselungssoftware auf ihren privaten Computern. Firmenrechner sollten vermieden werden, da auf ihnen Spionagesoftware laufen k�nnte.

Welche Programme eignen sich f�r verschl�sselte Gespr�che? Als Internet-Telefon bietet sich Gizmo an (http://gizmo5.com), als Verschl�sselungssoftware Zfone (http://zfoneproject.com). Beide Programme sind einfach zu installieren und zu bedienen. Allerdings: Einen verregneten Sonntag muss man schon investieren, bis alles reibungslos l�uft.

Nun k�nnen Journalist und Informant offen miteinander sprechen. Ihre Gespr�che durchqueren verschl�sselt die Datenleitungen. Die Methode hat aber einen gro�e Nachteil: Der Inhalt der Gespr�che bleibt zwar geheim. Dass Journalist und Informant miteinander gesprochen haben, l�sst sich aber nur mit viel Aufwand verheimlichen.

Und noch ein Wort zu Handys. Sie sind zu st�ndigen Begleitern von Journalisten geworden � und zu einem Sicherheitsrisiko. Handys �hneln Peilsendern. Sie verbinden sich st�ndig mit Funkzellen, die �bers ganze Land verteilt sind. Der Mobilfunkanbieter kann zu jeder Zeit ermitteln, wo sich das Handy befindet � und damit auch ein staatlicher Ermittler, der feststellen m�chte, wo sich der Reporter zu einem bestimmten Zeitpunkt befunden hat.

Selbst Laien k�nnen diese Funktion nutzen. Im Internet existieren inzwischen Ortungsdienste (siehe Linktipp). Mit wenigen Handgriffen ist ein Mobiltelefon registriert, und der Standort des Ger�ts kann ermittelt werden.

Handys als Wanzen. Umgedreht kann das Handy von seinem Besitzer auch als Wanze benutzt werden. Seien Sie vorsichtig, wenn ein Gespr�chspartner kurz den Raum verl�sst, sein Handy aber zur�ckl�sst.
Das ist kein Scherz, sondern inzwischen leider Realit�t. Mit spezieller Software k�nnen Handys so ausger�stet werden, dass sie heimlich die Gespr�che in dem Raum aufzeichnen. Das Ger�t scheint ausgeschaltet. Doch tats�chlich sendet es jedes Wort an seinen Besitzer, der so unbemerkt mith�ren kann, welche Verhandlungstaktik seine Gespr�chspartner gerade festlegen.

Linktipps:

Geheimnummern f�r Reporter gibt es z. B. bei Nicknumber: http://nicknumber.de

Professionelle Verschl�sselungs- techniken werden angeboten unter: www.gsmk.de, www.securstar.com oder www.safe-com.

Handyortungstools gibt es z. B. unter: http://handy-ortung.org oder www.picosweb.de.

Serie:

Teil 2 der Serie zum Thema „Anonym surfen und recherchieren“ erscheint in „medium magazin“ 9/08 Ende August.

Erschienen in Ausgabe 7/2008 in der Rubrik „Titel“ auf Seite 24 bis 25 Autor/en: Peter Berger. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.