Ein glückliches Paar strahlt anders. Als WDR-Intendantin Monika Piel und WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach Mitte März in Düsseldorf ihre neue Kooperation offiziell ankündigen, will ihnen ein richtig gelöstes Lächeln nicht gelingen. Kein Wunder, der „Deal“ der beiden Medien-Giganten ist noch mit all zuvielen Fragezeichen behaftet.
Die zunächst auf ein jahr befristete Zusammenarbeit sieht kurz zusammengefasst so aus: Der WDR beziehungsweise seine Tochter WDR-Mediagroup stellt künftig der WAZ-Gruppe täglich einige Filme aus den NRW-Regionalstudios zur Verfügung, die das WAZ-Internetportal „Der Westen“ für einen „marktüblichen Preis“ nutzen darf. Die Videos dürfen eine Stunde nach der Ausstrahlung im WDR-Programm unter WDR-Logo werbefrei in den „Westen“ eingestellt werden und sind parallel auch in der WDR-Mediathek abrufbar. (siehe Seite 22 ff.) Einen „spektakulären Mediendeal“ nannte das die „Welt“:
Es ist die erste solche Vereinbarung zwischen einem öffentlich-rechtlichen Sender und einem Verlagshaus, und spektakulär vor allem deshalb, weil beide Lager sich bisher wegen ihrer jeweiligen Internetaktivitäten auf das heftigste bekämpfen. Die öffentlich-rechtlichen Sender machen den Zeitungs- und Zeitschriftenverlegern das Recht streitig, ihnen im Internet mit Video-Formaten Konkurrenz ohne medienrechtliche Lizenz machen zu dürfen. Die Verlage reklamieren für sich das Recht, auch mit „Bewegtbildern“ den Ansprüchen von Internetnutzern gerecht werden zu können.
Markiert also die neue Kooperation tatsächlich das Ende des bisherigen Streits und den Beginn einer neuen Ära, die eine Aufhebung der klar abgesteckten Grenzen für die Aktivitäten der beiden Lager bedeutet? Die Antwort: Nein, sicher nicht. Dazu ist DIE medienpolitische Gemengelage noch viel zu komplex – auch wenn NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers der Zusammenarbeit seinen Segen erteilt hat und bemerkenswerterweise sogar als Gastgeber der Pressekonferenz zur Bekanntgabe fungierte. Zwar begrüßt auch der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Zeitungsverleger, Clemens Bauer, die neue Kooperation – aber betont gleichzeitig: „Das ändert jedoch nichts daran, dass Zeitungen und öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten publizistische und im Werbemarkt wirtschaftliche Konkurrenten bleiben“ (s. a. Interview Seite 25).
Doch die WAZ/WDR-Allianz sieht eher nach einem Zweckbündnis auf Zeit aus, um die aktuell bestehenden medienpolitischen Hürden zu meistern, die den Öffentlich-Rechtlichen einen forschen Ausbau der Internetaktivitäten und den Verlegern eigene TV-Angebote untersagen. Eine Zwickmühle für beide Lager, denn ohne Videoangebote im Netz läuft kaum noch etwas bei den Nutzern. Fragen wirft die neue Kooperation aber nicht nur rechtlich auf: Dass ausgerechnet die beiden publizistischen Platzhirsche in NRW nun gemeinsame Sache im Internet machen, ruft Unbehagen im Hinblick auf die Meinungsvielfalt hervor – in Kollegenkreisen (siehe auch Umfrage Seite 28 ff.) ebenso wie bei den Nutzern selbst, die das bereits intensiv in diversen Internetforen diskutieren. Das wiederum hat durchaus sein Gutes: Die jetzt offengelegte Kooperation wird umso mehr unter besonderer Beobachtung stehen. „Versuch macht klug“ kommentiert denn auch Horst Seidenfaden, Chefredakteur der „HNA“ in Kassel, das Experiment. Wir sind gespannt auf Ergebnisse in der Praxis..
Wenige Tage vor der Bekanntgabe der neuen Kooperation hat übrigens die nordrhein-westfälische Landesanstalt für Medien der WAZ-Mediengruppe und ihem Partner Germany 1 Media AG (Hamburg) eine Zulassung für regionales und lokales Fernsehen im Ruhrgebiet erteilt. Das Konzept sieht ein „qualitativ hochwertiges Verleger-Fernsehen“ über Kabel für die Städte Bochum, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Herne, Mülheim/Ruhr, Oberhausen, Recklinghausen, Wesel, Wuppertal, Unna und den Ennepe-Ruhr-Kreis vor. Der Zeitpunkt des Starts für das neue Projekt ist allerdings noch offen.
In eigener Sache: Mit dieser Ausgabe ist Daniel Bouhs neues Mitglied der „medium magazin“-Redaktion. Der 26Jährige studiert „zwar“ noch in Mainz Soziologie, Politik und Jura, arbeitet aber bereits seit einigen Jahren als freier Medienjournalist, bisher vor allem für dpa, „Frankfurter Rundschau“ und die „taz“ – und bereits seit Längerem auch für „medium magazin“. Zuletzt war er bis März ein halbes Jahr Pauschalist beim Fachdienst „epd medien“.
Annette Milz
Erschienen in Ausgabe 4/2008 in der Rubrik „Editorial“ auf Seite 3 bis 6. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.