Die Macht im Süden

Und er redet also doch: Im Februar hat Richard Rebmann, der neue starke, aber bisher so schweigsame Mann in Stuttgart, in mehreren Redaktions- und Ressortleiterversammlungen der „Stuttgarter Zeitung“ und „Stuttgarter Nachrichten“ Rede und Antwort gestanden. Der Ton war verbindlich, „umgänglich und ohne vorgefasste Meinung“, beschreibt ihn jemand, der dabei war, gleichwohl ihm andere einen „schwierigen Umgang nicht frei von Eitelkeit“ nachsagen. Er hat über Zeitungsqualität und Markenpolitik gesprochen und von Synergien und Abgrenzungen. „War auch höchste Zeit: Eine unglaubliche Menge von schwachsinnigen Gerüchten ist unterwegs“, sagt ein anderer. Zwischen München und Stuttgart wallten über Weihnachten und Neujahr Mutmassungen und Befürchtungen: Womöglich werde jetzt an der Seite 3 gespart werden, fürchtete man beispielsweise in München. Womöglich werde die bisher eigene Auslandsberichterstattung künftig von der „Süddeutschen“ zugeliefert, kursierte es wiederum in Stuttgart. Was haben die neuen Herren und Eigentümer des Süddeutschen Verlags nun tatsächlich vor? Wie wird es nun weiter gehen mit der „Süddeutschen Zeitung“ nach all den Monaten des Erbenstreits und Finanzpokers, in denen so viele Entscheidungen wie auch die über eine neue überregionale Sonntagszeitung auf Eis gelegt wurden?

Die neuen Herren. Klären wir also zunächst die unstrittigen Fakten: Seit dem 1. Januar ist Richard Rebmann (49) Geschäftsführer der Südwestdeutschen Medien Holding (SWMH), in die er im Gegenzug sein 170 Jahre altes Familienunternehmen, den Verlag des „Schwarzwälder Boten“ (Schwabo), einbrachte. Besser gesagt in eine Zwischenholding namens Zeitungsgruppe Süd (Stuttgart), an der er über den „Schwabo“ nun mit 18 Prozent und die SWMH mit 82 Prozent beteiligt ist. Im Schwabenland nimmt man es genau mit den Prozenten. Erst recht bei den komplexen Beteiligungsverhältnissen der SMWH: Dort nämlich hält wiederum die Medien Union Ludwigshafen 44,4 Prozent, und Mehrheitsgesellschafter der Ludwigshafener ist mit 50,75 Prozent die Familie Schaub. Doch dazu später.

Die Gruppe Baden-Württembergische Verleger (GWV) hält ebenfalls 44,4 Prozent an der SWMH. Sprecher der GWV ist Eberhard Ebner, der wiederum Beiratsvorsitzender des Verlags der „Südwest Presse“ in Ulm ist. Die „Südwest Presse“ beliefert allein 25 Blätter in Baden-Württemberg mit ihrem Mantel. Der Verlag ist jedoch weder Mitglied in der GWV noch in der SWMH, weshalb er hier nur am Rande auftauchen soll. Eberhard Ebner ist aber auch der Lebensgefährte von Anneliese Friedmann, was insofern eine Rolle spielt, als sie mit ihrer Familie wiederum 18,75 Prozent am Süddeutschen Verlag hält und die verlegerische Konstante im neuen Gefüge verkörpert. Die anderen 82,25 Prozent gehören seit dem 1. März der SWMH.

Soweit die Fakten zur neuen Eigentümerstruktur der „Süddeutschen Zeitung“ (siehe auch Grafik Seite 33). Der genaue Blick lohnt, denn das sensible Machtgefüge in der SWMH wird für die Zukunft der Münchner eine entscheidende Rolle spielen.

Die gute Botschaft vornweg: „Für die redaktionelle Hoheit ist ein solches Konstrukt sicher eher von Vorteil“, meint der Dortmunder Zeitungsforscher Horst Röper. „Vor allem durch den Pool der beteiligten kleineren Verlage über die Gruppe der Baden-Württembergischen Verleger, die ihren eigenen Gebieten durchaus auch andere Interessen als z. B. die Medien Union verfolgt. Das ist sicher auch ein Grund dafür, dass bisher redaktionelle Synergieeffekte wie sie anderswo zu beobachten sind, nicht genutzt werden.“

Die Kehrseite, zumindest aus Sicht von Horst Röper: „In Baden-Württemberg gilt mittlerweile auch, was für andere Bundesländer längst zutrifft: Der Markt wird stetig monopolisiert, die Besitzverhältnisse haben sich in den letzten 20 Jahren nachhaltig verändert. Tatsächlich sind die Eigentümer im Hintergrund aber immer dieselben. An dieser Entwicklung sind die großen Verlage dieser Gruppe deutlich beteiligt.“ Außerdem weist der Zeitungsmarktexperte auf die große Bandbreite an Aktivitäten der beteiligten Verlage hin – vom Internet über Anzeigenblätter bis zu Hörfunk und TV: „Diese verknüpft mit den Möglichkeiten des SV – da entsteht ein publizisches Konglomerat von ungeheurer Macht.“

Was also wollen die mächtigen Regionalverleger nun mit dem mächtigen Süddeutschen Verlag anfangen? Gerüchte sind genug gewechselt. Beim SV beginnt gerade erst die Arbeit, und das heißt Klärung der Finanzlage. Lassen wir deshalb die Taten sprechen, die verdeutlichen, wie die beteiligten großen Gesellschafter bislang ihre Häuser führten – mit Fokus auf ihre Printtitel, die trotz aller elektronischer Aktivitäten die Kernmarken sind.

Zeitungsgruppe Stuttgart: „Sie ist unter dem Begriff Stuttgarter Modell ein Vorbild für Kooperationen im Medienbereich“, heißt es in der freundlichen Selbstdarstellung des Unternehmens. Gemeint ist damit das Prinzip, so unterschiedliche Titel wie die „Stuttgarter Zeitung“ („StZ“), „Stuttgarter Nachrichten“ („SN“) und „Sonntag Aktuell“ („SA“) unter einem verlegerisches Dach gemeinsam zu vermarkten, redaktionell aber getrennt zu führen.

Nun ist es dieser Tage gar nicht so einfach, mehr über die Praxis des deutschlandweit einzigartigen Modells zu erfahren, denn der Generationenwechsel findet in der Gruppe gleich an mehreren Schaltstellen gleichzeitig statt: Bei den „Stuttgarter Nachrichten“ hat im vergangenen Jahr am 1. November Christoph Grote (42) den langjährigen Chefredakteur Jürgen Offenbach abgelöst.

Bei der „Stuttgarter Zeitung“ ist am 1. Januar Joachim Dorfs (44) angetreten – 13 Monate, nachdem Vorgänger Peter Christ das Haus quasi über Nacht verlassen hat.

Die neuen jungen Chefs sind so unterschiedlich wie ihre beiden Blätter: hier der regionale Platzhirsch „SN“, der mit „lebendigem Qualitätsjournalismus nah am Leser“ sein will und allein 18 kleineren Zeitungen in Baden-Württemberg als Mantellieferant dient. Von der nur gemeinschaftlich mit der „StZ“ ausgewiesenen verkauften Auflage von rund 480.000 Exemplaren entfallen gut zwei Drittel auf die „SN“.

Dort die „StZ“, die sich „als Stimme Baden-Württembergs im Bund“ versteht, als „Regionalzeitung mit dem Qualitätsanspruch eines überregionalen Titels“ und das noch mit einer bleihaltigen Titelseite dokumentiert wie ehemals die „FAZ“ vor ihrem Relaunch. Ebenso wie der Chef der SWMH, Rebmann, wollen auch die beiden neuen Chefredakteure über ihre Pläne derzeit nicht öffentlich sprechen. Noch ist der Honeymoon der Orientierungsphase nicht vorbei. Doch es gibt Indizien, die auf einen künftigen Kurs schließen lassen: „Die Art und Weise, wie die Menschen kommunizieren, aber auch wie sie Medien nutzen, wird sich durch das Internet weiter verändern. Medienhäuser, die sich diesen Veränderungsprozessen offen stellen, haben eine große Chance, neue Nutzerkreise an ihre etablierten Marken zu binden,“ schrieb beispielsweise die „SN“ zur Begrüßung ihres neuen Chefs Grote. Bei seinem vorherigen Arbeitgeber Madsack in Hannover hat er bereits an neuen multimedialen Arbeitsweisen in der „Neuen Presse“ gearbeitet, er gilt als ausgesprochen internetaffin und Freund von Newsroom-Strukturen.

Das eint den extrovertierten Grote mit seinem eher zurückhaltenden Kollegen Dorfs, der früher beim „Handelsblatt“ maßgeblich an Konzept und Realisierung des dortigen Newsrooms beteiligt war. Bis zu einer multimedial ausgerichteten Redaktionsorganisation ist es aber noch ein weiter Weg: Der Online-Auftritt der beiden Stuttgarter Blätter wird derzeit von der Verlagstochter „SIR“ betreut, die personell getrennt von den Zeitungen arbeitet und weitgehend identische Inhalte für die Titel der Zeitungsgruppe produziert. Doch eine Änderung dieser Konstruktion scheint nicht abwegig. Wäre jedenfalls konsequent für die von SWMH-Chef Rebmann ausgerufene Strategie, der vor den Redaktionen angeblich viel von Markenprofilen und Internetambitionen sprach.

Gelebte Synergien. Darin hat Rebmann einige Erfahrung. Als Verleger de
s „Schwarzwälder Boten“ sind seine ökonomischen Verdienste unstrittig: Der Verlag mit Hauptsitz in Oberndorf am Neckar steht finanziell gut da, hat das modernste Druckzentrum im Südwesten (zu dessen Leiterin Rebmann eine Frau berufen hat, eine Seltenheit in der Druckbranche), kräftig expandiert vor allem in Baden (z. B. mit dem Erwerb der „Lahrer Zeitung“) und ist auf allen Plattformen unterwegs, unter anderem auch mit einem eigenen Jugendportal im Internet namens „WoodZ“. Für Rebmann ist das Internet ein Netz der Möglichkeiten, die es zu nutzen gilt – Risiken des Scheiterns sind einkakuliert. Im Verlag wurden Vertrieb und Verkauf kräftig reorganisiert mit spürbaren Auswirkungen: Im IV. Quartal 07 verlor der „Schwabo“ nur noch 1,26 Prozent im Vorjahresvergleich. Heute verkauft der „Schwabo“ rund 135.000 Exemplare, in 17 Lokalausgaben produziert von 26 Lokalredaktionen im weit gestreuten Verbreitungsgebiet. Für die Zeitung arbeiten 137 Redaktionsmitglieder, seit Jahren eine konstante Zahl.

Seit 2003 bezieht der „Schwabo“ das Material für seinen Mantel von den „SN“, ähnlich wie von einer Nachrichtenagentur. Die Beiträge werden nach Bedarf mit eigenen Texten und fremdem Agenturmaterial ergänzt und nach eigenen Prioritäten gewichtet. Eine komplette Übernahme des Mantels aus Stuttgart verbiete sich schon wegen der unterschiedlichen Formate, vor allem aber deshalb, weil die Leserschaft in Baden ganz andere Akzente wünscht als im Schwabenland, betont Chefredakteur Klaus-Bernd Siegmeier (58). Etwa fünf der 23 Stellen im Mantelressort wurden eingespart, dafür aber dem Lokalressort zugeschlagen.

Ein individuelles Synergie-Modell, das – wie Horst Röper trotzdem meint, „aber natürlich nicht der publizistischen Vielfalt“ dient. Kein Wunder also, dass bei den Stuttgarter Redaktionen Fragen an Rebmann nach solchen Strategien ganz oben auf der Agenda standen. Redaktionelle Synergien mit der „Süddeutschen“ werde es nicht geben, habe er angeblich betont. Es gelte vielmehr das Qualitäts- und Markenprofil der einzelnen Titel individuell zu stärken, und auch an weitergehende redaktionelle Kooperationen innerhalb der Zeitungsgruppe Stuttgart sei nicht gedacht.

Sonntagshürden. Ob das aber in gleichem Maße auch für „Sonntag Aktuell“ („SA“) gilt, blieb offen. Das Blatt, das als 7. Ausgabe nicht nur den Stuttgarter Titeln, sondern auch Abnehmern wie der „Südwestpresse“ und dem „Mannheimer Morgen“ dient, geht einer eher ungewissen Zukunft entgegen. Der Auflagenverlust bei „SA“ ist gravierend (fast 28 Prozent IV/07 zu 06), ebenso das massive Sparkonzept, das seit zwei Jahren zu erheblichen Personal- und Umfangsverlusten geführt hat. Durchaus denkbar, dass nun – wo in München das fertige Konzept für eine überregionale Sonntagszeitung nur noch auf eine Startgenehmigung der neuen Eigentümer lauert – „Sonntag Aktuell“ künftig als ein „Baden-Württemberg-Fenster“ in der neuen Sonntagszeitung aus München aufgehen könnte und der Verbund sich vom bisherigen Konzept verabschieden wird.

Die MEDIEN-UNION. Die „Rheinpfalz“ in Ludwigshafen ist jedoch bereits aus dem Sonntagsverbund ausgeschert. Seit Januar 2007 produziert sie eine eigene Sonntagsausgabe – mit Erfolg. Dem Mutterblatt der Medien Union Gruppe ist es gelungen, den Auflagenschwund fast zu stoppen. Im IV. Quartal 2007 hat die „Rheinpfalz“ nach eigenen Angaben nur 0,3 Prozent Auflage gegenüber dem Vorjahresquartal verloren. „Mit der Sonntagszeitung haben wir einen deutlichen Imagegewinn für die „Rheinpfalz“ und der hilft uns derzeit sehr spürbar dabei, den Auflagentrend nach unten zu bremsen, möglicherweise sogar ganz zu stoppen“, sagt Chefredakteur Michael Garthe (49) und macht aus seiner Genugtuung darüber keinen Hehl.

Von inhaltlicher Synergie mit anderen Blättern hält er ohnehin nicht allzu viel: „Wir wissen aus Erfahrung, wie schwer solche Kooperationen sind, auf redaktioneller Ebene sehe ich sehr deutliche Grenzen an Synergien!“ Mit dem Schwesternblatt „Freie Presse“ in Chemnitz ist zwar ein Austausch von Artikeln vereinbart, aber in der Praxis eher selten. Die Interessen der jeweiligen Leser seien zu unterschiedlich, heißt es unisono in Ludwigshafen wie in Chemnitz. Aber auch der bereits geprobte Versuch, Texte aus „SZ-Wissen“ für die „Rheinpfalz“ zu nutzen, ist rasch gescheitert, „weil sie sich an eine ganz andere Zielgruppe gerichtet haben und in Stil und Themen nicht für uns geeignet waren.“

Eine Ausnahme bildet da nur die mit sieben Korrespondenten besetzte Berliner Bürogemeinschaft von „Rheinpfalz“, „Freie Presse“ mit der „Stuttgarter Zeitung“ und der gemeinsame Pool an Auslandskorrespondenten, wie bei fast allen Regionalzeitungen üblich.

Michael Garthe verweist selbstbewusst auf seine „Rheinpfalz“ als „das führende Informations- und Orientierungsmedium für die Pfalz, aber nicht provinziell, sondern in allen Teilen anspruchsvoll. Wir sind eine modern gestaltete Autorenzeitung mit sehr hohem Eigenanteil an Autoren und Recherchen.“ Seit den frühen 90er-Jahren gehört dpa nicht mehr zum Agenturpool der Medien Union-Blätter. Nicht nur aus Kostengründen.

Ostfaktoren. Auch in Chemnitz wird viel Wert auf redaktionelle Eigenständigkeit gelegt – allerdings zurzeit unter erschwerten Bedingungen: Mitte Februar wurde Chefredakteur Dieter Soika nach zehn Jahren freigestellt „wegen unterschiedlicher Auffassungen über die Ausrichtung der Regionalzeitung“, seither führt sein Stellvertreter Udo Lindner (41) kommissarisch die Redaktion. Nach einem Nachfolger wird gesucht. Die Auflage (knapp 310.000, – 2,94 % IV/07 zu IV/ 06) schwindet wie fast überall, aber weniger als im Durchschnitt der Ost-Blätter (- 3,91%). Der Personalstand ist der gleiche wie 2002: 150 Redaktionsmitglieder, davon rund 50 im Mantel. Kürzlich wurden wieder fünf Stellen neu besetzt – wenn auch außertariflich, wie in der Blättern der Medien-Union seit dem Austritt aus dem BDZV in den frühen 90er-Jahren üblich.

Zu den Gründen für die Trennung von Soika äußert sich Verlagsleiter Johannes Schulze (63) weiter nicht, dafür aber zum erwünschten Profil des Blatts: „Wir machen eine Zeitung für die Menschen in der Region – mit dem Anspruch, allen Interessenbedürfnissen gerecht zu werden.“ Damit meint er keineswegs ein nur am Lokalen orientiertes Profil. Für Schulze hat der Mantel ebenfalls große Bedeutung: „Ein guter Mantel ist für eine Qualitäts-Regionalzeitung sehr wichtig. Mit einem ausschließlichen Fokus auf lokale Thesen würde man den Leserinteressen nicht gerecht.“ Schulze ist übrigens selbst gelernter Journalist, war früher Geschäftsführer u. a., der „Badischen Zeitung“ und kam bereits 1994 zur „Freien Presse“.

Mit seiner Haltung zur Blattpositionierung steht er in der Medien Union nicht allein. Michael Garthe hält es sogar für einen „strategischen Fehler vieler Regionalzeitungen, die über Jahre zu wenig in die Qualität des Mantels investiert haben. Mir nutzt ein guter Lokalteil nichts, wenn der Mantel schlecht dasteht – und umgekehrt!“

Doch was bedeutet „gut“? Bei Kollegen nachgefragt fällt ein Attribut in Beschreibung der Medien Union-Titel auffällig oft: „grundsolide“, aber auch: „ein bisschen langweilig“. Garthe weiß, dass sein Blatt in der Branche als ziemlich provinziell gilt, aber das ficht ihn nicht an. Derlei Gespräch ist den selbstbewussten Pfälzern egal, was zählt, ist der Markt und die Ergebnisse. Gemessen an der allgemeinen Auflagenentwicklung weisen beide großen Blätter der Medien Union deutlich weniger Verluste aus als der Branchendurchschnitt. Allerdings handelt es sich auch um nahezu Monopolblätter in ihren jeweiligen Verbreitungsgebieten.

In beiden Blättern gilt die Devise „Print first“. Von teuren crossmedia-Projekten hält man hier nicht viel. Stattdessen wird in Chemnitz gerade ein zweistelliger Millionenbetrag in eine neue Rotation investiert. „Wir müssen uns folgender Kernaufgabe stellen“, betont Johannes Schulze: „Wir werden neue Communitys schaffen und Zielgruppen ansprechen müssen, die wir mit der klassischen Zeitung
nicht mehr erreichen“. Als Beispiel dafür nennt er das neue gedruckte Lifestyle-Magazin „Colori“ aus dem eigenen Haus.

Die „Freie Presse“ hat keine eigene Onlineredaktion, das refinanziere sich nicht, heißt es. Zwei Redakteure am Newsdesk betreuen den Internetauftritt mit. Die Seite der „Rheinpfalz“ wird wiederum von einer Tochter-GmbH betreut, die zugleich auch als Internet- und Softwaredienstleister für Unternehmen wie die BASF tätig ist. Dennoch ist eine saubere Trennung von Geschäft und redaktionellen Inhalten erklärtes Hausprinzip. So sagt beispielsweise Johannes Schulze: „Wir brauchen eine klare Trennung von Anzeigen und Redaktion, sonst entziehen wir uns selbst die publizistische Rechtferftigung und die ökonomische Grundlage für die Zeitung. Dafür steht auch der Mutterverlag.“

„Handschrift des Verlegers“. Als eine der ersten Zeitungen hat sich die „Freie Presse“ im Januar 2005 festgeschriebene Qualitätstandards für „Richtigkeit, Bedeutsamkeit, Exklusivität, gutes Handwerk und Attraktivität“ verordnet, die sogenannten „Fünf Gebote“, die – das ist Johannes Schulze wichtig – „deutlich die Handschrift des Verlegers“ tragen.

Womit wir bei Thomas Schaub wären. Der promovierte Informatiker gilt, obgleich erst 45 Jahre alt, nicht nur im eigenen Verlag als „die graue Eminenz im Hintergrund“. Der Sohn des Patriarchen Dieter führt seit 1994 die Geschäfte der Medien-Union, gemeinsam mit Geschäftsführer Oliver C. Dubber (52). Thomas Schaub selbst tritt selten öffentlich auf, und wenn, dann allenfalls im Dienst der eigenen Zeitung. So wie Ende Januar 2008, als in einer Teilausgabe der „Rheinpfalz“ regionale Sportler des Jahres gefeiert wurden. Unter das Bild, dass Verleger Schaub und Chefredakteur Garthe im Kreis der Geehrten zeigt, hat der Redakteur geschrieben: „So sehen Sieger aus“. Selten war eine Bildunterschrift im doppelten Sinne so treffend. Am erfolgreichen Einsatz für die „Süddeutsche“ habe Thomas Schaub erheblichen Anteil, heißt es im Umfeld der Medien-Union. Sicher ist, dass sich damit auch ein lange gehegter Traum seines Vaters Dieter erfüllte. Am Ehrgeiz des Sohnes besteht kein Zweifel: Wer ihn kennengelernt hat, beschreibt ihn als nüchternen Pragmatiker, eher vorsichtig als risikobereit, wenig zugänglich für unverbindliche Konservation und Luxusausgaben, absolut erfolgsorientiert nach ökonomischen Prinzipien. Aber nicht um jeden Preis: Im Konflikt mit einem Discounter verzichtete der Verleger auf die Anzeigen – mit einem klaren Bekenntnis für die Unabhängigkeit der redaktionellen Inhalte. Weniger Verständnis hat Schaub für Ausgaben, die nicht unmittelbar dem Verlag und seinen Medien zugute kommen. Auf besondere Wohlfühl-Beigaben für Mitarbeiter oder Investitionen in Repräsentationsveranstaltungen darf in der Medien-Union niemand hoffen.

Perspektive. Es spricht viel dafür, dass im Hinblick auf die „Süddeutsche“ zunächst auf Verlagsebene an Synergie gearbeitet wird. Potenzial ist reichlich vorhanden: angefangen von einer Vereinheitlichung der Software und Systeme über gemeinsamen Papiereinkauf bis zu Vertriebsfragen.

Das erwartet auch Medienforscher Röper: „Redaktionell sehe ich kaum Andockmöglichkeiten. Die Ausrichtung und die Zielgruppen sind zu unterschiedlich. Auch fehlt die räumliche Nähe, die bei anderen Fusionen im redaktionellen Bereich maßgeblich war. Das Kerngebiet der SZ ist Bayern, das der anderen Baden-Württemberg. Da gibt es kaum Überschneidungen.“ Doch er weist zu Recht noch auf einen anderen strategischen Aspekt hin: die potenzielle künftige Strategie der neuen Gruppe im Internet. „Schauen Sie sich nur mal das bisherige Verbreitungsgebiet aller beteiligten Titel an: Das deckt den gesamten südwestdeutschen Raum ab. Wenn man es schafft, diese Kompetenz in einem Portal zu bündeln, könnte das auch eine neue publizistische Dimension im Internet begründen.“

Linktipp:

Steckbriefe mit detaillierten Angaben zu den genannten Titeln sind abrufbar unter www.mediummagazin.de, Rubrik download.

Tipp:

Das Interview mit Horst Röper ist nachzulesen unter www.mediummagazin.de, Rubrik download.

Erschienen in Ausgabe 3/2008 in der Rubrik „Titel“ auf Seite 30 bis 50 Autor/en: Annette Milz Mitarbeit Daniel Bouhs. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.