1.Sehen Sie eine Notwendigkeit, Zeitungen „weiblicher“ zu gestalten, und was verstehen Sie darunter?
2. Welche Elemente halten Sie konkret für empfehlenswert, um Frauen als Zielgruppe zu erreichen?
3.Welche Rolle spielt für Sie dabei intern die Förderung von Frauen in redaktionellen Führungspositionen?
„… Frage der Ansprache“
Horst Seidenfaden, Chefredakteur „Hessisch-Niedersächsische Allgemeine“ (HNA), Kassel:
1.“Es gibt einige Bereiche in der Zeitung, die weiblicher werden müssen, wollen sie keine überwiegend männliche Domäne bleiben.
2.Beispiel: Sport. Dies kann durch Illustrationen (ein ästhetisches Featurebild statt ein Bild vom Kopfballduell) genauso geschehen wie durch Themen. Statt 1:0-Berichterstattung ein menschliches Porträt vom schlechtesten Torwart des Spieltages etc. Das Ganze ist eine Frage der Ansprache der Leserschaft (Bild, Headline) in Kombination mit der Darstellungsform. Statt trockener Nachricht der aufbereitende Text – aber das zielt genauso auf Männer.
3.Frauen werden bei uns genauso gefördert wie Männer, in den vergangenen fünf Jahren wurden die Ressortleiterstellen der vier Mantel- ressorts in zwei Fällen mit Frauen besetzt – die Quote von 50 Prozent finde ich im Vergleich prima. Und es gab durchaus männliche Konkurrenten um die Jobs …“
„… einfach einen Tick besser“
Uwe Ralf Heer, Chefredakteur „Heilbronner Stimme“
1.“Es geht sicher nicht um eine weiblicher gestaltete Zeitung, sondern darum, die Zeitung qualitativ zu verbessern. Sogenannte „weibliche“ Themen sind oftmals solche, die auch die männlichen Leser ansprechen – wenn sie gut aufbereitet sind. Gleichwohl macht eine zielgruppenorientierte Ausrichtung Sinn. Ein verstärktes Angebot von Themen, die bei Frauen großes Interesse finden, ist unbedingt erforderlich. Wir haben dem mit unserer täglichen Freizeit-Stimme Rechnung getragen. Es muss klar sein, dass Frauen die Entscheider in Sachen Zeitungsbezug sind und man ihre Bedürfnisse ernst nehmen und zeitungsgerecht umsetzen sollte.
2.Der Themenmix einer Tageszeitung muss insgesamt vielfältig und stimmig sein. Im Inhalt gleichermaßen wie bei der Optik und dem Layout. Die Zeiten, in denen vor allem die Chronistenpflicht im Vordergrund stand, sind glücklicherweise vorbei. Tageszeitungen sind magaziniger geworden – das spricht Frauen ganz sicher an. Ebenso wie spannende Hintergrundgeschichten, Service, Lifestyle oder Homestorys. Wichtig ist auch, in öffentlichen Zeitungs-Veranstaltungen oder bei Telefon- und anderen Verlags-Aktionen frauenrelevante Themen stärker in den Mittelpunkt zu rücken.
3.Wir haben bei der, Heilbronner Stimme‘ nicht nur eine stellvertretende Chefredakteurin sowie eine Sport-Ressortleiterin und eine Archivchefin, sondern legen bei der Auswahl der Redakteure großen Wert darauf, dass in allen Ressorts ein angemessener Anteil an Frauen beschäftigt ist. Was die Besetzung von leitenden Funktionen angeht, halte ich nichts von einer Frauenquote. Den Job erhält, wer am besten geeignet ist. Wenn es eine Frau ist, umso besser, denn sie beleben die männerdominierenden Führungsrunden. Und nebenbei gesagt: In vielen Bereichen – von den Volontären bis zu den Ressortleitern – sind Frauen mittlerweile einfach einen Tick besser.“
„… interne Frauenförderung wichtig“
Katrin Saft, Ressortleiterin Modernes Leben, „Sächsische Zeitung“, Dresden
1.“Die Antwort lautet, Ja‘, aber nicht in Form von Enklaven-Seiten mit vermeintlichen Frauen-Themen von Diät bis Schuhe kaufen. Vielmehr geht es um die weibliche Ergänzung der oft männlich geprägten Sicht auf die Themen.
2. Wer Frauen erreichen will, sollte schon bei der Fotoauswahl in der Redaktion die weibliche Sicht zulassen. Das beginnt damit, dass sich Frauen nicht nur als dekoratives Beiwerk (zum Beispiel bei Automessen) im Blatt wiederfinden wollen. Ich wünsche mir mehr Kommentare von Frauen. Alles andere, was Frauen anspricht, sollte für alle Leser Maßstab sein: eine verständliche Sprache, Hintergrund-Kästen und Grafiken, emotionale Überschriften.
3.Wenn eine Zeitung Männer und Frauen gleichermaßen erreichen will, gehören auch Frauen in die Führungsriege. Leider fällt Frauen der Aufstieg schwerer, weil sie Kinder bekommen und als Mutter nicht mehr so flexibel einsetzbar sind. Insofern ist eine interne Frauenförderung wichtig. Sie sollte motivierten Frauen die Chance geben, die zugunsten ihres Kindes über Jahre zurückgestellte Karriere wieder aufzuholen.“
„… mehr Menschen ins Blatt“
Thomas Satinsky, Chefredakteur „Südkurier“
1.“Ich denke, Zeitungen müssen weiblicher werden, wobei ich gegen Ghettoseiten bin. Aber eine weniger techniklastige Sicht der Dinge, weniger technokratisches Herangehen an Themen und mehr Emotionalität im Blatt darf es schon sein. Immerhin sind die Frauen die Entscheider, wenn es ums Abo geht.
2. Weniger harte News, mehr Menschen ins Blatt. Das abstrakte Element verringern, Menschen sprechen und erzählen lassen. Wir müssen mit Aktionen und Storys deutlich machen, wo der Nutzwert einer Zeitung liegt. Das kann nicht die reine Nachricht sein. Das muss die Geschichte hinter der Nachricht sein: die Erzählung, der Kommentar, die Diskussion im Leserkreis. Die „Südkurier“-Debatten-Seite als interaktives Element ist da ein gutes Beispiel. Wir müssen Gesellschaftsthemen ins Blatt holen:, Machen Computer unsere Kinder dumm?‘ als Debattenthema reizt sicher mehr als die Nachricht, dass immer mehr Kinder lieber Computer spielen, als Bücher zu lesen.
3. Wir stellen fest, dass in Volontärsauswahlgesprächen Frauen die Nase vorne haben und damit auch zum Zuge kommen. Sich dann in eine Führungsposition entwickeln zu wollen, ist eine Eigenschaft, die sowohl Männern als Frauen gleichermaßen haben. Frauen denken bei der Entwicklung ihrer Ziele meist vielschichtiger als Männer. Dies ist ein großer Vorteil für Redaktionen.“
… machen gerne mit“
Ulrike Trampus, ehem. Chefredakteurin „Wiesbadener Kurier“
1.+2. „Es gibt sicherlich Themen, die Frauen besonders ansprechen und diese Themen gehören auch in die Zeitung. Generell jedoch tue ich mich noch etwas schwer damit, eine Definition einer weiblichen Zeitung zu finden. Ob männlich oder weiblich, Themen müssen so aufbereitet werden, dass sie aktuell, informativ, nützlich und unterhaltend sind. Ein Mann freut sich sicherlich genauso über einen gut gegliederten, spannend geschriebenen Text, über schlüssige Grafiken, klare Bilder und Infokäs- ten. Zusätzlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass Frauen gerne mitmachen, mitdiskutieren und nichts dagegen haben, dies auch in der Zeitung zu lesen. Auf Frauen ist Verlass, wenn es Foren im Internet oder Pressehaus zu aktuellen Themen gibt.
3. Mehr Frauen in Führungspositionen sind generell wünschenswert, und nicht nur, weil Frauen nun als neue, zu umwerbende Zielgruppe im Zeitungsgeschäft allmählich entdeckt werden. Doch erst, wenn es wirklich darum geht, redaktionelle Führungspositionen nach Qualifikation, konzeptionellem Denken, der Fähigkeit zu motivieren und nach Führungspersönlichkeit zu besetzen, dann wird es auch mehr Chefredakteurinnen, Newsdesk-Chefinnen oder Ressortleiterinnen geben. Wenn dadurch mehr und treue Leser(innen) für die Zeitungen gewonnen werden können – umso besser.“
„… die Mischung macht’s „
Yvonne Backhaus, Projektredakteurin ud Blattmacherin „Hanauer Anzeiger“
1. „Tageszeitungen sollten in jedem Fall, weiblicher‘ werden, was in erster Linie nicht unbedingt mehr Fotos von Frauen im Blatt oder, klassische‘ Frauen-Themen wie Schuhmode und Schmink-Tipps bedeutet, sondern vor allem eine, weiblichere‘ Themenauswahl. Mehr Emotionen, mehr menschelnde, bunte, in Redaktionen vielfach als, belanglos‘ und, weich‘ verschriene Geschichten, Hintergründe, Infografiken statt immer nur harte Fakten, Politik und Nachrichten. Heißt nicht, dass eine, weiblichere‘ Zeitung nur auf die eine oder andere Weise berichten
soll – die Mischung macht’s.
2.Dass Frauen vielfach emotionaler sind als Männer, ist nichts Neues. Daher glaube ich, dass die Tageszeitung Frauen vor allem mit emotionalen Themen fesseln kann. Dazu noch ein bisschen Klatsch und Tratsch, der genauso gern gelesen wird wie Nutzwertgeschichten zu Verbraucherthemen oder gut recherchierte Artikel und Kommentare zu aktuellen Themen vor Ort, wie die verschmutzte Schule nebenan oder eine hässliche Intrige im Rathaus. Das lesen dann vermutlich auch Männer gerne – selbst, wenn sie es nicht zugeben würden. Zudem glaube ich, dass man Frauen am besten mit Aktionen und Themen rund um ihr direktes soziales Umfeld (Schule, Familie, Vereine, ehrenamtliche Initiativen) erreicht und über Mitmach-Aktionen, egal, ob man als Zeitung zum Basteln, Malen oder Plätzchen backen aufruft. Damit spricht man am Ende nicht nur die Frau an, sondern die ganze Familie – und das wäre angesichts der bundesweiten Auflagenentwicklung ja nur wünschenswert, um auf lange Sicht neue Leser zu gewinnen, die ihre Tageszeitung für unersetzbar halten.
3. Bisher gibt es bei vielen Tageszeitungen kaum Frauen in redaktionellen Führungspositionen. Das ist sehr schade, denn Frauen sind fachlich und organisatorisch mindestens genauso gut wie ihre männlichen Pendants. Vielleicht trauen sie sich in von Männern dominierten Redaktionen zu wenig, werden belächelt, schnell abgebügelt, als Konkurrenz betrachtet. Dabei wäre ein Miteinander auch für mögliche Veränderungen und neue Wege, Zeitung zu machen, sicher produktiver als ein Gegeneinander. Hierfür braucht es – vor allem für Berufsanfängerinnen – eine ordentliche Portion Mut, Durchsetzungsvermögen und einen langen Atem. Letztendlich sind es aber die Chefredakteure, die entscheiden, ob eine Führungsposition mit einer Frau oder einem Mann besetzt wird.“
Erschienen in Ausgabe 1/2008 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 30 bis 43 Autor/en: Umfrage Annette Milz. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.