Die Fernsehanstalten haben es vorgemacht. Mit historischen Stoffen wie „Die Frau vom Checkpoint Charlie“ oder „Die Flucht“ kann Quote gemacht werden. Viele Printjournalisten schrecken jedoch vor historischen Geschichten zurück, da sie meist mit großem Rechercheaufwand verbunden sind. Zumindest bei Lokalzeitungen wird das Feld daher zumeist Hobbyhistorikern überlassen. Dass Lokal- und Regionalzeitungen jedoch auch andere Quellen anzapfen und damit spannende Geschichte ins Blatt heben können, zeigen Beispiele aus der „Westfälischen Rundschau“ (Dortmund), der „Giessener Allgemeinen“ und der „Frankfurter Neuen Presse“. Das nächste historische Thema, das bereits seine Schatten voraus wirft, heißt übrigens „Die 68er“. 40 Jahre nach den gesellschaftlichen Umwälzungen kann auch im Lokalen Bilanz gezogen werden.
Lokaltipp des Monats:
Ausgezeichnete Arbeit: Eine Quelle für historische Stoffe ist für Karen Werner, Redakteurin der „Gießener Allgemeinen“, der Geschichtswettbewerb der Körber-Stiftung. Seit mittlerweile 14 Jahren kooperiert die Journalistin mit der Institution und bringt Teilnehmer und Preisträger aus der Region mit ihren Arbeiten ins Blatt. „Das sind tolle Geschichten mit lokalem oder persönlichem Bezug. Lokalgeschichte auf dem Silbertablett serviert, inklusive Archivarbeit und Zeitzeugenbefragung“, sagt Werner. Im Jahrgang 2006/07 sind 16 Arbeiten im Umfang von etwa 20 bis 100 Seiten in Gießen entstanden, zwei davon zum Thema 1968. Ein Beitrag handelt vom Kampf um ein Jugendzentrum, der andere von einem Skandal um Gesundheitskontrollen in Gießen. „Das Gesundheitsamt hatte 1968 Kontrolluntersuchungen bei Frauen mit schwarzen Partnern durchgeführt und nach Geschlechtskrankheiten gesucht. In Gießen waren damals nämlich viele farbige US-Soldaten stationiert“, erklärt Werner. „Das gab natürlich einen Skandal, vor allem an der Uni.“ Alle zwei Jahre im Februar reichen die jungen Forscher ihre Werke ein, die dann im Sommer von der Körber-Stiftung freigegeben werden. Die Stiftung verschickt zu dieser Zeit auch Listen mit den Teilnehmern und Arbeitstiteln an die lokale Presse. Eine leichte Suche also.
Kontakt: Karen Werner, Tel. (0641) 3 00 31 85, eMail:
stadtredaktion@giessener-allgemeine.de, web: www.giessener-allgemeine.de
Ideenbörse:
Glücksgriff: Bei einem Routinetermin im Stadtarchiv stieß Alexander Völkel, Volontär der „Westfälischen Rundschau“, auf ein riesiges Fotoarchiv mit rund 300.000 Abzügen und mehr als einer Million Negative. Das Bildmaterial reichte für mehr als zehn Bildseiten unter dem Titel „Schätze aus der Fotokiste“, die thematisch zusammengestellt wurden: Arbeitswelt, Alltag, Bier, Stadtansichten waren die einzelnen Themen. Und die Leser waren begeistert: Das Stadtarchiv kann sich seither vor Bürgeranfragen kaum retten.
Kontakt: Alexander Völkel, Tel. (0231) 95 73 13 94, eMail:
a.voelkel@westfaelische-rundschau.de, web: www.westfaelische-rundschau.de
Gestolpert: Die Aktion „Stolpersteine“ des Kölner Künstlers Gunter Demnig, in deren Rahmen er vor den Wohnungen von NS-Opfer Gedenktafeln aus Messing ins Trottoir verlegte, war für die „Frankfurter Neue Presse“ Anlass genug, eine Serie mit Lebensläufen ehemaliger jüdischer Mitbürger in die Zeitung zu bringen. Für die Beiträge zapfte die Zeitung die lokale Initiative sowie eine Wissenschaftlerin an, die sich mit jüdischem Leben in Hessen beschäftigt, wie Redakteur Dennis Pfeiffer-Goldmann erläutert. Um überhaupt die Steine verlegen zu können, musste die Initiative intensive Forschungen zu den Lebens- und Sterbedaten der jüdischen Menschen recherchieren. Das Material reichte aus für eine mehrteilige Serie in der Zeitung. Lediglich bei den Fotos gab es gelegentlich Probleme.
Kontakt: Dennis Pfeiffer-Goldmann, Tel. (06101) 80 07 22, Dennis.Pfeiffer-Goldmann@fsd.de, web: www.fnp.de
Tipp
Weitere interessante Beispiele aus der lokaljournalistischen Praxis finden Sie in der aktuellen „drehscheibe“.
Kontakt: Redaktion „drehscheibe“,
Raufeld-Medien, Mehringdamm 57, 10961 Berlin, Tel. 030 / 695 665 22, eMail: info@drehscheibe.org,
Homepage: www.drehscheibe.org
Erschienen in Ausgabe 1/2008 in der Rubrik „Tipps für Journalisten“ auf Seite 64 bis 64 Autor/en: Bernd-Volker Brahms. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.