„Wir müssen da hingehen, wo es weh tut“;
Jawohl, Manager müssen harte Kerle sein. Softies an der Spitze von globalen Mega-Multi-Companies sind ein absolutes No-Go. Echte Weltenlenker gehen dort hin, wo es weh tut. Will sagen: Sie greifen durch. Selbst, wenn sie sich dazu im Schlamm suhlen müssen und dabei ihr Dreiteiler knittrig wird. Wer da hingeht, wo es weh tut, der kommt für gewöhnlich von ganz unten. Der hat sich hochgekämpft. Der hat während der Studentenzeit in Wohnklos gehaust und sich von chinesischen Tütensuppen ernährt. Dem sind seine Aktienoptionen egal, wenn es ums Überleben der Firma geht. Fragt sich nur: Wo liegt eigentlich dieser Furcht erregende Ort, wo es so schrecklich wehtun soll? Bei Bitterfeld? Zwischen Wanne und Eickel? Oder ist damit eher ein Boxring gemeint, das Haus der Schwiegereltern oder ein Konzert von Tokio Hotel? Das Geniale dieser Phrase ist seine Unbestimmtheit. Das Grauen findet im Kopf des Lesers oder Zuhörers statt. Jeder hat seine eigene Horror-Vorstellung von diesem Ort. Und darum ist jeder Manager gut beraten, in für das Unternehmen kniffligen Phasen genau diesen Weg einzuschlagen. Rein rhetorisch, natürlich. In Wirklichkeit kann man ruhig am Wochenende Golfen gehen oder mit der Geliebten ins Spa. „Wir müssen da hingehen, wo die Menschen sind“;
Nicht unbedingt das Gegenteil der vorigen Phrase, aber doch eine Variante. Besonders gut steht sie Politikern zu Gesicht. Die müssen ja immer dort hin, wo ihre Wählerschaft sich tummelt: auf den Marktplätzen, in den Fußballstadien, im Altersheim. Dass Politiker zuweilen mehr in Fernseh-Talkshows zu sehen sind als bei den Menschen „vor Ort“;, ist natürlich eine Ersatzhandlung. Mit der Befriedigung persönlicher Eitelkeiten hat das rein gar nichts zu tun. Glaubhaft verwenden können diese vor Menschlichkeit nur so triefende Phrase aber eigentlich nur besonders kommunikative Charaktere. Blöd, wenn man ein sogenanntes „Bad in der Menge“; nimmt und dann nur vor sich hinstammeln kann. Nein, da müssen Kinder getätschelt, Mütter geherzt und Omis geknuddelt werden. Kleiner Hinweis am Rande: Frauen halten sich besser ausschließlich an Kinder. Väter herzen und Opis knuddeln kommt in den seltensten Fällen gut bei deren Lebensabschnittsbegleiterinnen an.
„Wir müssen die Menschen dort abholen, wo sie stehen“;
Noch so ein Evergreen. Das Dolle an dieser Phrase ist: Sie kommt wahnsinnig uneigennützig daher und ist in Wirklichkeit eine bodenlose Frechheit. Warum das so ist? Das Wörtchen „abholen“; ist schön positiv besetzt. Jeder wird doch gerne abgeholt. Am liebsten von Menschen, die man mag. „Ich hole dich dann nachher um 8 ab und wir fahren in unser Lieblingsrestaurant, Schatz.“; Oder: „Nein, nein, lass mal. Ich hole dich ab, du brauchst nicht zu Fuß zum Krankenhaus zu gehen.“; Einzige Ausnahme: Die Polizei holt einen ab, das ist nicht so angenehm. Aber das ist, wie gesagt, eine seltene Ausnahme. Wer also jemanden abholt, der hat im Prinzip schon gewonnen. Und man holt natürlich dort ab, wo sich die abzuholende Person gerade aufhält, und nicht am anderen Ende der Stadt. Im übertragenen Sinn wird aus dieser überaus menschenfreundlichen Phrase allerdings eine herablassende Schmähung. Denn wer abholt, verfügt ja auch über das entsprechende Fahrzeug. Der Abholer bewegt sich, der Abzuholende steht doof in der Gegend rum. Und lässt sich dann auch noch von so einem Phrasendrescher an ein unbekanntes Ziel verfrachten. Fremdbestimmter geht es nicht. Trotzdem kommt der Spruch meistens gut an. Man muss nur aufpassen, wen man da eigentlich abholen will. Denn vielleicht geht der lieber seine eigenen Wege.
„Ein gutes Pils braucht sieben Minuten“;
Alte Kneipenweisheit. Politiker oder Unternehmer an der Pensionsgrenze oder Gewerkschaftsfunktionäre mit aschfahlen Gesichtern und vom Zigarettendrehen gelben Fingern können sich zur Not schon mal mit diesem Spruch behelfen, wenn sie nicht weiterwissen und Zeit schinden wollen. Damit signalisiert man Volksnähe. Man geht da hin, wo’s weh tut. Beziehungsweise, wo die Menschen sind. Ergo: Wo sie stehen. Am Tresen in der Gaststätte nämlich. Und da, in der guten alten Zeit, dauert ein Pils eben noch sieben Minuten. Fragen gibt’s dann keine mehr. Ganz sicher.
Erschienen in Ausgabe 12/2007 in der Rubrik „Tipps für Journalisten“ auf Seite 89 bis 89. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.