Filme kann jetzt jeder verbreiten – das Internet macht’s möglich. Die Verbreitungswege sind unbegrenzt, und derzeit ist noch nicht einmal eine Lizenz nötig. Eine Chance, die vor allem Verlage nutzen. Und so gibt es auf den Online-Portalen zunehmend auch Videos zu sehen – von spezialisierten Agenturen, aber auch Eigenproduktionen. Kostengünstig gedreht von Videojournalisten (VJ), die die Aufgaben von Kameramann, Assistent und Cutter gleich selbst übernehmen. Möglich machen es kompakte, aber leistungsfähige Mini-DV-Kameras und Schnittsoftware für den heimischen PC, die durchaus mit dem Schnittplatz im Sender konkurrieren können. Filme in Profi-Qualität zum Sparpreis. Bereits für rund 5000 Euro gibt es ein VJ-Equipment. Soweit die Theorie. Wer sich im Netz umschaut, stellt jedoch fest: Fürs Internet produzierte Filme sind oft in einer Qualität, die ein Fernsehredakteur als „nicht sendbar“ einstufen würde.
Filme, die mehr als „nur“ Hobbyqualität haben sollten, lassen sich nun mal nicht einfach so nebenher produzieren, erst recht nicht ohne qualifizierte Ausbildung. Und gerade daran mangelt es noch, wie Roman Mischel feststellt. „Videos zu drehen ist kein Trivialhandwerk“, warnt der Journalist und VJ-Trainer vor allzu leichtfertigem Umgang mit der Kamera, was dem Renommee einer Medienmarke nicht gerade dienlich ist.
Crashkurse zum Einstieg. Die Nachfrage nach qualifizierter Ausbildung ist durchaus vorhanden, wäre da nur nicht das Zeitproblem. Eine monatelange Fortbildung kann sich kaum jemand leisten, der bereits im Beruf steht. Helfen da Crashkurse zum VJ, wie sie zum Beispiel die „Berliner Journalisten-Schule“ (BJS) anbietet? Filmemacher Matthias Zuber leitet einen Drei-Tages-Kurs, und er dämpft die Erwartungen: „Man ist natürlich kein fertiger VJ hinterher.“ Das Ziel der drei Tage sei vielmehr, einen Überblick über die Materie und erste Grundlagen zu vermitteln. Dennoch steht die Praxis gleich im Focus: Bereits am ersten Tag drehen die Teilnehmer selbst, am Ende steht ein selbst gedrehter und geschnittener Film. „Die Qualität schwankt allerdings sehr stark“, gibt Zuber zu. Bis zum sendefähigen zumindest semi-professionellen Film brauche es weitaus mehr.
Dafür sollte man nicht nur drei Tage, sondern mindestens drei Wochen Zeit investieren, Solange dauert beispielsweise der VJ-Intensivkurs an der BJS. Und selbst danach empfiehlt Zuber noch ein halbes Jahr intensives Ausprobieren des Gelernten und „Learning by Doing“ mit einem erfahrenen Partner: „Am besten sucht man sich jemanden, bei dem man abgucken kann“. Viele unterschätzen nämlich zunächst vor allem die Schwierigkeiten, den richtigen Ton zum Film zu mischen. Denn VJs sind im Unterschied zu traditionellen Kameraleuten nun mal zuständig für Gesamtproduktion inklusive Schnitt von Bild und Ton. Wer diese Hürde meistert, dem eröffnen sich aber viele Möglichkeiten: Matthias Zuber beispielsweise hat früher für das Radio gearbeitet, bevor er den Videojournalismus entdeckte. Heute verwendet er den Ton, den er mit der Kamera aufgezeichnet hat, wiederum ab und an auch für Radiobeiträge. „Für freie Journalisten ist das sehr spannend“, sagt Zuber. Denn es sei nicht nur lukrativ, sondern auch sehr befriedigend, eine Geschichte, die einem am Herzen liegt, für unterschiedliche Medien umzusetzen.
Qualitätsmaßstäbe. Der Bedarf ist jedenfalls groß und wächst ebenso rasant wie die Multimedia-Aktivitäten in allen Medienbranchen. Nicht nur bei den Verlagen. Bei der ARD, allen voran beim Bayerischen und Hessischen Rundfunk, gehören Videojournalisten längst zum Standardteam. Vor Kurzem hat auch das ZDF mit der Ausbildung von VJs begonnen, die ersten 31 VJs wurden im Mai vier Wochen lang geschult. Doch damit ist es nicht getan. Thomas Klein aus der VJ-Projektredaktion des ZDF vergleicht die VJ-Ausbildung mit der Fahrschule: „Wenn man den Führerschein hat, dann kann man zwar Auto fahren – aber man muss erst Mal Routine entwickeln, das ist bei unseren VJs genauso“. Klein rechnet damit, dass es noch ein Jahr dauert, bis diese Routine erreicht ist. Abstriche bei der Qualität der Beiträge werden hingegen nicht hingenommen. „Bei uns gelten bei Stücken von VJs die gleichen Qualitätsmaßstäbe, wie für andere Beiträge auch“, betont der ZDF-Redakteur.
Ähnlich sieht das auch André Zalbertus, Gründer und Inhaber des Kölner Lokalsenders „center.tv“. Er hat schon vor fünf Jahren als einer der Ersten in Deutschland VJs ausgebildet und war lange eine der wenigen, die das professionell angegangen sind. „Wenn der VJ Wackelbilder liefert, dann ist in der Ausbildung etwas schief gelaufen“, sagt Zalbertus deshalb zu Kritiken der manchmal schlechten Qualität von VJ-Filmen. Print- und Onlinejournalisten empfiehlt der VJ-Pionier eine sechswöchige Fortbildung – mit durchaus guten Chancen, „weil das Leute sind, die ja schon wissen, wie sie ein Interview führen müssen“, sagt er. „Da ist großes Potenzial in den Verlagen.“ Voraussetzung sei allerdings, dass Redakteure selbst entscheiden könnten, ob sie an der Fortbildung teilnehmen. „Die Leute müssen Lust darauf haben“, betont Zalbertus. Spaß an der Technik sei wichtig – aber bei den nachwachsenden Generationen ohnehin kein Problem mehr.
Selbstredend sollte man für die Arbeit als VJ auch ein Gespür für gute Bilder mitbringen. Fotografen und Kameraleute wären also eigentlich prädestiniert für den Doppeljob. Doch da stellt sich umgekehrt die Frage nach der Qualifikation, nämlich der journalistischen. Die Kameramänner und Cutter im ersten VJ-Lehrgang des ZDF haben deshalb auch eine zweiwöchige Zusatzausbildung mit journalistischen Grundlagen erhalten.
Kontrollfunktionen. Die Gleichung scheint einfach. Gut ausgebildete VJs sollten in der Lage sein, gute Filme zu produzieren. „Gut“ ist allerdings eine relative Größe. „Feedback ist ganz wichtig“, sagt deshalb Matthias Zuber. Er rät, Kontakte zu Kollegen außerhalb der eigenen Redaktion aufzubauen-für einen qualifizierten Gegencheck der eigenen Filme. Eine andere Möglichkeit wäre es, wenn die Verlage die Filme zumindest von den Internet-Nutzern per Mausklick bewerten lassen würden. Bisher bietet das aber so gut wie keine Seite – womöglich aus Angst vor der Meinung der Zuschauer.
Lesetipps
Dushan Wegner, Der Videojournalist, Mediabook Verlag, Gau-Heppenheim 2004, 226 S., 47 Euro
André Zalbertus, Michael Rosenblum, Videojournalismus, Uni-Edition, Berlin 2003, 167 S., 19,90 Euro
Barry Braverman, Video Shooter: Storytelling with DV, HD, and HDV Cameras, Mcgraw-Hill Professional, New York 2006, 256 S., ca. 34,50 Euro
LinkTipp:
www.kliebhan.de/vj
www.r73.net
www.videojournalismus.net
Erschienen in Ausgabe 8/2007 in der Rubrik „Beruf“ auf Seite 56 bis 57 Autor/en: Matthias Morr. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.