Die Anti-Blondine

Man hat ja so ein Klischee-Bild von einer Nachrichtensprecherin im öffentlich-rechtlichen Fernsehen im Kopf. Dazu gehört aber schon mal nicht, dass sie sich im einem ziemlich szenigen Vintage-Café in Kreuzberg treffen will, anstatt im Café Einstein, oder im Borchardt, oder wo öffentlich-rechtliche Nachrichtensprecherinnen nach landläufiger Meinung in Berlin sonst so hingehen. Im Café sitzt dann auch keine Gundula Gause. Es sitzt dort eine Frau mit raspelkurzen schwarzen Haaren, schwarzer Lederjacke, tief sitzender Jeans, Turnschuhen und ein paar Ohrsteckern zu viel. „In solchen Klamotten Nachrichten verlesen kann ich natürlich nicht, ich muss ja Seriosität ausstrahlen“, sagt sie. „Aber verbiegen muss ich beim ZDF zum Glück auch nicht.“ Sicher ist: Irgendwas muss sich sehr geändert haben bei den öffentlich-rechtlichen Nachrichten.

Seit dem 10. April moderiert die 32-jährige Dunja Hayali die Nachmittagsausgabe von „heute“, am 30. April gab sie dann auch ihren Einstand als Co-Moderatorin des „heute journal“ neben Steffen Seibert. Sie ist nicht blond. Sie ist ein recht burschikoser Typ, privat sogar fast ein wenig punkig. Und sie ist Deutsche arabischer Abstammung, denn ihre Eltern kommen aus dem Irak.

Datteln und Bagdad. Dunja Hayali ist in Datteln, einer Kleinstadt in Nordrhein-Westfalen, aufgewachsen. Ihre Eltern, Christen aus dem Nordirak, hatten sich während des Studiums in Österreich kennengelernt und waren dann in die beschauliche westdeutsche Provinz gezogen. Ein Großteil der Familie Hayali, Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins, lebt allerdings in Bagdad, der derzeit wohl gefährlichsten Stadt der Welt. Dunja Hayali muss nun nahezu täglich neue Tragödien aus einem Land verkünden, von dem ihre Familie unmittelbar betroffen ist. Dunja Hayali sagt, sie habe mittlerweile gelernt, eine professionelle Distanz auch zu diesen Nachrichten zu bewahren. Was nicht heißt, dass ihr nicht das Herz blute, sagt sie. Jedes Mal.

Dunja Hayali war einige Male im ihrem Leben im Irak, das letzte Mal vor sieben Jahren. Sie möchte, sobald es möglich ist, wieder hin und dort eine Reportage über den Alltag drehen, über die Menschen, ihre Hoffnungen, ihre Träume. „Der Irak ist ja nicht nur gleichbedeutend mit Krieg und Zerstörung, der Irak hat ja auch schöne Seiten“, sagt sie. „Die Großzügigkeit, die Hilfsbereitschaft und die Herzlichkeit. Die Leute haben nichts, trotzdem laden sie sich auf einen Tee ein, eine völlig Fremde. Das findet man in Deutschland eher selten.“

Sportlicher Umweg. Dunja Hayali stammt aus einem liberalen, politikinteressierten Elternhaus, in dem viel über das Weltgeschehen geredet wurde, die Fernsehnachrichten waren Pflichtprogramm.

Dennoch träumte sie als kleines Mädchen noch längst nicht davon, mal das „heute journal“ zu moderieren. Sondern eine ganz andere ZDF-Sendung: Das „aktuelle Sportstudio“.

„Ich war von klein auf eine Sportskanone, ich mochte und machte fast jeden Sport: Judo, Fußball, Volleyball und ich habe leistungsmäßig Tennis gespielt. Und natürlich war ich ein riesiger Fan von Boris Becker.“ Auch jetzt ist Sport noch ein großer Teil ihres Lebens, sie fährt Ski und Snowboard, surft im Urlaub und joggt im Park mit Emma, ihrem sehr weißen Golden Retriever, und ist Anhängerin von Borussia Mönchengladbach.

So stand die Berufswahl für sie schon mit 13 Jahren fest: Sportjournalistin sollte es sein. Ihre Eltern waren nicht sofort begeistert, aber einverstanden: „Ich bin sehr frei, sehr westlich aufgewachsen, meine Eltern haben mich eigentlich immer unterstützt. Auch, wenn mein Vater es anfangs vielleicht doch lieber gesehen hätte, wenn ich wie er Medizin studiert hätte.“

Stattdessen studierte sie nach dem Abitur an der Deutschen Sporthochschule, Schwerpunkt „Medien- und Kommunikationswissenschaften.“ Während des Studiums machte sie ein Praktikum beim Radio der Deutschen Welle – natürlich in der Sportredaktion – und blieb im Anschluss dort acht Jahre lang als freie Mitarbeiterin. Im Jahr 2000 machte sie zusätzlich ein Volontariat bei der Kölner Produktionsfirma „R1-Das Redaktionsbüro“, um ein zweites Standbein beim Fernsehen zu haben. Anfang 2006 wurde ihr eine Stelle als Moderatorin der Nachrichtensendung „Journal“ bei Deutsche Welle-TV angeboten. Kaum mehr als ein Jahr später wurde sie dort vom ZDF entdeckt: „Ich wurde zu einem Casting eingeladen, ohne zu wissen, um welche Sendung es überhaupt ging.“ Als nach dem Casting dann Claus Kleber anrief, dämmerte ihr langsam, um was für einen Posten es sich handeln könnte. „Das ist ein Traumjob. Da überlegt man nicht lange.“

Das andere Aussehen. Es sind immer noch nicht viele „Deutsche mit Migrationshintergrund“, wie man so sagt, an prominenter Stelle im deutschen Fernsehen zu sehen. Zwar moderiert Cherno Jobatey das „Morgenmagazin“ und die türkischstämmige Hülya Özkan nachmittags die Sendung „heute in Europa“, aber in Relation zu den wahren Verhältnissen in der Gesellschaft sind die blonden und blauäugigen Damen bei den Nachrichten noch deutlich überrepräsentiert. Umso schöner ist es, dass jemand wie Hayali, die nicht nur wegen der Herkunft mal ein ganz anderer Typ ist – „ein bisschen der Freak“, wie sie selber sagt – die neue Co-Moderatorin beim „heute journal“ geworden ist. Sie verwahrt sich jedoch deutlich dagegen, eine Art „Quoten-Migrantin“ zu sein: “ Ich wäre nicht da, wo ich bin, wenn ich meinen Job nicht gut machen würde.“ Und dass sie den gut macht, steht außer Frage.

„Mein Vater hat einmal, da war ich 13, zu mir gesagt: Vergiss nie, dass du Ausländerin bist“, erzählt Dunja Hayali. „Ich habe lange überhaupt nicht verstanden, was er damit gemeint hat. Ich hatte wegen meines Nachnamens nie Probleme, nicht in der Schule, nicht im Studium, auch nicht später im Beruf.“ Nur einmal habe sie eine unangenehme Ahnung davon bekommen, was ihr Vater meinen könnte: „Ich habe als Reporterin bei einer Benefizgala eine prominente Fernsehmoderatorin interviewt. Zum Abschluss des Gespräches sagte sie mir: Sie sprechen aber gut deutsch für eine Ausländerin. Und ich konnte es echt nicht fassen, dass eine Journalistin so begrenzt in ihrem Denken sein kann.“

Erschienen in Ausgabe 5/2007 in der Rubrik „Leben“ auf Seite 70 bis 71 Autor/en: Sonja Niemann. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.