AP stellt sich in Deutschland neu auf
Der deutsche Ableger der US-Agentur Associated Press stellt sich in einem schleichenden Prozess neu auf und plant zudem, auf dem deutschen Markt neue Dienste zu starten. Ziel ist, das Kerngeschäft mit Meldungen aus dem Ausland zu stärken. Zum Opfer fällt bei dem Kurs eine verlässliche Berichterstattung aus den Bundesländern.
Bereits seit Jahren dünnt AP-Deutschland die Berichterstattung aus den Ländern auf ein Minimum aus – und das quasi unbemerkt: Kommuniziert werden die Streichungen nicht. Auch scheint das Schrumpfen des AP-Personals in der Fläche bisher niemandem aufgefallen zu sein. Ein Aufschrei blieb jedenfalls aus. Auch die Mitarbeiter gaben sich stumm. Doch hinter den Kulissen rumort es zunehmend, wie „medium magazin“ erfuhr, zumal der Konkurrenzkampf der Agenturen deutlich an Schärfe zugenommen hat (s.a. Ausgabe 3/09 zu den Problemen der in Deutschland ansässigen großen Nachrichtenagenturen).
In der Länderberichterstattung von AP-Deutschland sieht es inzwischen so aus: Die Büros in Schwerin, Leipzig und Magdeburg wurden schon in den vergangenen Jahren ersatzlos gestrichen. Schlimmer noch: Nächste Kürzungen stehen bereits an. Die Dependance in Hamburg, an die derzeit noch drei Redakteursstellen gekoppelt sind, soll deutlich heruntergefahren werden. Die Rede ist von einer verbleibenden Planstelle. Dabei steht das Hamburger Büro wie kein anderes für das Abschmelzen der AP-Berichterstattung aus den Bundesländern: Neben der Hansestadt ist es für Bremen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sowie den Norden Niedersachsens zuständig. Eine verlässliche Berichterstattung scheint so nicht zu gewährleisten, eher ein Krisen-Hopping.
Fest angestellte AP-Korrespondenten sitzen neben der Zentrale in Frankfurt und dem Berliner Parlamentsbüro ohnehin nur noch in Hamburg, Düsseldorf und München. Die übrigen 13 AP-Standorte besetzen Pauschalisten. Zum Vergleich: dpa betreibt 50 Büros in Deutschland – seit 2009 wieder komplett mit fest angestellten Redakteuren. Tatsache ist aber auch: Im Rennen mit dem Hauptkonkurrenten AFP hat AP in den Ländern – noch – die Nase vorn. 15 Büros zählt AP außerhalb des Hauptsitzes, AFP nur zehn. Und auch AFP hat nach eigenen Angaben nur in der Hälfte aller Büros fest angestellte Reporter sitzen. In den anderen zeigen auch nur Pauschalisten für den Ableger der im Mutterland staatlich höchst subventionierten Agentur Präsenz.
AP-Deutschland wird außerdem zunehmend zentral gesteuert: Zum März 2009 löste Nigel Baker den Geschäftsführer der hiesigen GmbH, Oliver Lux, ab. Anders als sein Vorgänger sitzt Baker jedoch nicht in Frankfurt sondern am Europa-Desk in London: Er wird nur alle vier bis sechs Wochen zu einem Besuch in Deutschland erwartet. Der deutsche Ableger, der auch redaktionell immer mehr Vorgaben aus Großbritannien bekommt, sieht sich so in seiner bisherigen Autorität beschnitten.
Kein Offizieller der Associated Press wollte die Informationen des „medium magazins“ kommentieren. Eine Anfrage an AP-Deutschland-Chefredakteur Peter M. Gehrig wurde auch auf Nachfrage nicht beantwortet, obwohl in der Deutschlandzentrale zu erfahren war: Sie wurde an die Konzernzentrale weitergeleitet. So bleibt auch die Information unbestätigt, dass der noch in Paris stationierte deutschsprachige Korrespondent in eine der Zentralen – wahrscheinlich nach London – abgezogen wird. Statt exklusiv für den deutschen Ableger der AP aus erster Hand zu berichten, soll er helfen, den internationalen Dienst besser mit dem deutschen abzustimmen. Das wiederum ist zweifellos eine Stärke von AP wie auch von AFP und Reuters, mit der sich die Agenturen gegen den Marktführer dpa positionieren können: Internationale Meldungen aus den englisch- bzw. französischsprachigen Mutterdiensten werden übersetzt – und mit für deutsche Kunden relevanten Informationen ergänzt.
Beim deutschen Ableger der AP beklagen viele Mitarbeiter angesichts der Veränderungen, die Eigenständigkeit als Nachrichtenagentur für deutsche Zeitungen und Rundfunkanstalten verloren zu haben, die AP-Deutschland bisher weitgehend genoss. Andere wiederum sehen in der stärkeren Anbindung an ihren Mutterdienst eine große Chance, langfristig am Markt bestehen zu können. Die Kritiker der Kritiker im eigenen Haus sagen etwa: „Gegen dpa kommen wir im Inland doch sowieso nicht an.“ Und auch Chefredakteur Gehrig sagte im März ganz offiziell im „medium magazin“: „Wir müssen unsere Auslandsstärken weiter nutzen.“
Gleichzeitig wundern sich aber sowohl AP-Leute als auch Spitzenkräfte der hiesigen Konkurrenten über die Radikalität, mit der die Europazentrale in London und die Konzernzentrale in New York vorgehen. So ist über AP hinaus bekannt, dass der deutsche Ableger der in den USA wie die Deutsche Presse-Agentur hierzulande von den Kunden genossenschaftlich organisierten Agentur keine Personalentscheidungen mehr ohne Rücksprache mit London und New York mehr treffen darf. Das gilt sogar für die Einsetzung von Pauschalisten. Auch die nackten Zahlen verwundern: Zuletzt führte AP-Deutschland an die Muttergesellschaft bei einem Umsatz von 23 Millionen Euro noch fünf Millionen Euro Gewinn ab, wie Insider dem „medium magazin“ verlässlich berichteten. Der Kurswandel geht sogar soweit, dass AP-Deutschland keine Volontäre mehr einstellt. In der Zentrale bedauern sie, freien Mitarbeitern, die kurz vor dem Ende ihres Studiums stehen, inoffiziell in Aussicht gestellte Ausbildungen nun plötzlich versagen zu müssen.
Gleichzeitig war zu erfahren, dass AP-Deutschland noch in diesem Jahr mit zwei neuen Multimedia-Produkten an den Start gehen will, also nicht nur kürzt und um- sondern auch ausbaut: Zum einen ist eine direkte Konkurrenz zu dpa-infocom geplant. Dabei handelt es sich um ein Produkt für die Betreiber von Internetseiten, wie Ableger von Zeitungen und Zeitschriften, das AP-Deutschland ermöglichen wird, die Meldungen auf den Kundenseiten auch nach Veröffentlichung neu zu sortieren, zu bearbeiten und zu löschen. Bisher ist AP-Deutschland lediglich in der Lage, Meldungen an CMS-Systeme, mit denen Internetseiten betrieben werden, zu verschicken.
Zu dem arbeitet AP-Deutschland an einem eigenen Dienst für animierte Grafiken (Flash), das sich ebenfalls an die Betreiber von Internetseiten richtet. Damit will AP wiederum nicht nur der dpa Konkurrenz machen, sondern auch dem deutschen Ableger von AFP, der sich bisher neben dpa als Spezialist für Infografiken positioniert hat. Das Produkt, das gegen Ende dieses Jahres starten soll, könnte sogar in Fernsehnachrichten Einzug halten, sollte es eine nachträgliche Bearbeitung von den Kunden zulassen, um die Grafiken in ein eigenes Layout zu übernehmen: Die „Tagesschau“ arbeitet zunehmend mit einem Modell, bei dem Flash-Animationen sowohl für Tagesschau.de als auch für die TV-Sendungen produziert werden, um Kosten zu sparen. Das ZDF will nachziehen
Bisher haben die gut 80 Redakteure von AP-Deutschland (dpa: 450, AFP 65) offiziell nicht die Stimme erhoben, um auf den Sparkurs im eigenen Haus aufmerksam zu machen – möglicherweise auch, weil damit bisher keine Rausschmisse verbunden sind, sondern lediglich freiwerdende Stellen nicht neu besetzt werden. Ende März mussten sie jedoch bereits daran zweifeln, dass sie bei einem solchen Schritt vom Deutschen Journalisten-Verband unterstützt würden: Der DJV gab eine Pressemitteilung zur Situation bei der dpa heraus, in der er bemerkenswert konkret für den Marktführer warb. Er forderte Verleger auf, nicht auf die Dienste der dpa zu verzichten.
AP-Chefredakteur Gehrig initiierte sofort ein Protestschreiben der dpa-Konkurrenten, das per Fax den Chefs von ddp, Reuters und AFP zur Unterschrift zuging, bevor es auf dem Tisch von DJV-Chef Michael Konken landete. In dem Papier hieß es, die Agenturen hätten „mit großem Unverständnis und sogar Empörung die einseitige Parteinahme des DJV für unseren Mitbewerber zur Kenntnis genommen“. Die Mitteilung sei „ein Schlag ins Gesicht all derer, die nicht bei dpa arbeiten“. DJV-Chef Konken ruderte noch am gleichen Tag zurück und machte in einer Antwort an die Agenturchefs deutlich, sein Verband werde für jeden journalistischen Arbeitsplatz kämpfen. AP-Deutschland-Chef, Peter M. Gehrig, dürfte die Reaktion mit Erleichterung aufgenommen haben.
Text: Daniel Bouhs