Ein lokaler Politskandal bescherte der „Schwäbischen Zeitung“ im November einen schweren Imageschaden. Wegen einer kritischen Geschichte im Biberacher Lokalteil musste der Biberacher Regionalchef Ulrich Mäule Ende Oktober kurzfristig seinen Platz räumen, die überregionale Presse berichtete, leitende SZ-Redakteure protestierten heftig – zwei Wochen später durfte Mäule zurück.
Auslöser war der Text einer seiner Lokalredakteurinnen, Mitte Oktober hatte sie eine neue Entwicklung eines Missbrauchs-Falls vom vergangenen Jahr ins Blatt gebracht. Damals war der Jugendmusikschulleiter der schwäbischen Kleinstadt Bad Buchau wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt worden, nun kam heraus: Der Bürgermeister, Neffe des Verurteilten, hatte den Stadträten damals per E-Mail empfohlen, die Sache „nicht weiter in die Öffentlichkeit zu tragen“, alles sei „streng vertraulich“. Diese Geschichte brachte die Lokalausgabe nun auf einer ganzen Seite, Titel: „Missbrauch: Schultes schweigt – und Rat macht mit“. Eine Woche darauf wurde Mäule vom SZ-Geschäftsführer Kurt Sabathil „freigestellt“.
Mäule selbst will sich zu dem Vorfall nicht äußern. Handwerkliche Fehler habe er nicht gemacht, sagen Insider, auch juristische Einwände gab es angeblich keine. In einer Presseerklärung des Verlags heißt es lediglich, man habe mit seiner Suspendierung einen „Beitrag zur Versachlichung der Diskussion“ leisten wollen. Chefredakteur Ralf Geisenhanslüke sagt dazu nur: „Die Berichterstattung war aus meiner Sicht vollkommen korrekt.“ Von Einflussnahme seitens der Lokalpolitik als Grund für Mäules Zwangsurlaub ist die Rede, die Lokalredakteurin, die berichtet hatte, sagt, schon während der Recherche sei auf sie „von der Politik Druck ausgeübt“ worden; weder Mäule noch Chefredaktion hätten sie gedrängt, die Berichterstattung zu lassen. Derzeit heißt es aus dem Verlag wolkig, man wolle diskutieren, „welche Schlüsse für Inhalt und Form der weiteren Berichterstattung zu ziehen“ seien. Angeblich haben die Regionalchefs und Ressortleiter der SZ beim Geschäftsführer nun um ein Gespräch gebeten: Sie wollen weiter kritisch berichten – ohne Angst vor Suspendierung.
Erschienen in Ausgabe 12/2010 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 80 bis 80. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.