Das Streitgespräch zur Tarifverhandlung
2011 könnte ein einschneidendes Jahr für die Tageszeitungsbranche werden. Die Gewerkschaften, vertreten durch DJV, DJU und Verdi, und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) verhandeln seit September einen neuen Gehalts- (GTV) und Manteltarifvertrag (MTV) für die rund 14.000 Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen. Die Tarifpartner konnten sich in den bisher zwei Runden noch auf kein gemeinsames Flächentarifwerk einigen.
Verhandlungsführer des BDZV ist der langjährige Geschäftsführer des Bonner General-Anzeiger, Werner Hundhausen (70); der DJV wird von seinem Hauptgeschäftsführer Kajo Döhring (51) vertreten, die in mediummagazin erstmals öffentlich ein Streitgespräch über die jeweiligen aktuellen Positionen führten (s. mediummagazin 12-2010, Special Tarifverhandlung, Seite 52-56).
Der Verlegerverband fordert Einsparungen bei den Personalkosten und macht dafür die wirtschaftliche Notlage seiner Mitglieder geltend. Präsentiert wurde ein möglicher Tarifabschluss mit zwei Varianten: eine für bestehende und eine für neu begründete Arbeitsverhältnisse. Demnach soll jetzt angestellten Redakteuren das im MTV geregelte Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie die Jahresleistung gekürzt werden; das würde eine Absenkung von 13,75 auf 13 Bruttomonatsgehälter bedeuten. Der GTV, der Monatsbezüge und Berufsjahresstaffel festsetzt, bliebe in seiner jetzigen Form bestehen, ebenso der Altersversorgungstarifvertrag. Hinzu kämen in den ersten beiden Jahren Einmalzahlungen und im dritten Jahr eine prozentuale Anhebung des Gehalts.
Für Berufsanfänger und Volontäre soll allerdings ein anderer, ein Einsteigertarifvertrag gelten: mit niedrigeren Gehältern, weniger als vier Berufsjahresstaffeln, höherer Wochenarbeitszeit, weniger Urlaubs- und Weihnachtsgeld.
Der DJV hat die Verlegerforderung nach einem solchen Tarifwerk II bislang als „unkonkret“ zurückgewiesen. Statt „Billigtarifen“ wollen die Gewerkschaften angemessene Gehalts- und Honorarerhöhungen durchsetzen. Dem DJV schwebt außerdem ein Tarifvertrag zur Qualifizierung von Journalisten vor. Er soll einheitlich für alle Verlage den Anspruch der Journalisten auf Weiterbildung regeln und an die Gehaltsentwicklung gekoppelt werden.
Die Tarifpartner fürchten gleichermaßen den Exodus von Zeitungsverlagen aus den Flächentarifverträgen, sollte ein einvernehmlicher Verhandlungsabschluss nicht gelingen. Der BDZV zählt derzeit 33 nicht tarifgebundene Mitglieder. Zuletzt sind die Bremer Tageszeitungen AG (Weser-Kurier) und die Harz-Kurier Verlagsgesellschaft (Harz-Kurier) in die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung gewechselt, um die Gehälter neuer Mitarbeiter individuell verhandeln zu können
Im Gespräch für mediummagazin 12-2010 sagten die beiden auch Folgendes, das wir hier ergänzend zur Printfassung dokumentieren:
Das neue Tarifsystem soll drei statt wie bisher zwei Jahre gelten. Warum?
Werner Hundhausen: Wir glauben, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dieser Branche in den kommenden drei Jahren nicht verbessern werden. Alle sind noch auf der Suche nach ergänzenden Geschäftsmodellen. Eine dreijährige Vereinbarung hatten wir noch nie. Wir regen sie an, um damit auch Signal für die Mitarbeiter in einer schwierigen Zeit zu setzen: Eine solche Vereinbarung ist auf drei Jahre sicher. Parallel garantieren wir die bisherige Altersvorsorge ohne Veränderung der Werteziffern.
…
Der Alterstarifvertrag gilt seit mehr als einem Jahrzehnt – und Sie wollen ihn wirklich nicht antasten?
Werner Hundhausen: Wir könnten ihn vom Fristenverlauf her kündigen. Natürlich ist die Altersversorgung wirtschaftlich gesehen kein Selbstläufer. Die Verlage zahlen derzeit fünf Prozent pro Kopf in die Presseversorgung ein. Wir haben aber nicht die Absicht, in den nächsten drei Jahren etwas daran zu ändern.
Kajo Döhring: Es ist gut zu wissen, dass hier nicht die Existenzfrage der Altersversorgung gestellt wird. Die Zeit nach dem Berufsleben hat für viele Kollegen einen sehr hohen Stellenwert. Dass der BDZV die Volumenfrage aufwirft, ist nachvollziehbar. Wir finden, dass die jetzige Verteilung der Beitragslast gut und richtig ist. Trotzdem müssen wir darüber reden: Was kostet das Paket? Was kostet der Einzelne? Als Tarifpartner haben wir die Verantwortung, auch künftigen Redakteuren ein Vorsorgepaket zu erhalten, das im Markt unerreicht ist.
Flexibilität ist auch bei Arbeitszeitmodellen gefragt, also Teilzeit und Elternzeit, die ja auch zunehmend von Männern gerne wahrgenommen wird. Was tun Sie dafür?
Kajo Döhring: Der DJV hat gerade eine Broschüre über Arbeitszeitmodelle neu aufgelegt. Sie informiert über eine Unmenge von Kombinationsmöglichkeiten flexibler Beschäftigung. Aus unseren eigenen Reihen wissen wir aber: Es gibt bei denen, die in Planungsverantwortung stehen und Dienstpläne schreiben, einen sehr hohen inneren Widerstand, weil Teilzeit oder Elternzeit einfach mehr Aufwand bedeutet. Man muss intelligenter planen, anders mit den Ressourcen umgehen, auch den Mumm haben, mal etwas auszuprobieren. Und das ist leider noch nicht auf dem Entwicklungsstand, wie wir ihn gut finden könnten. Also, Teilzeit wird noch zu wenig gelebt und da müssen wir auch in die eigenen Reihen rufen um von einer vermeintlichen Unmöglichkeit zu einer flexibleren Handhabung zu kommen.
Werner Hundhausen: Über diese Themenansätze müssen wir reden, das ist klar: Was ist mit den jungen Müttern und Vätern, die möglicherweise sehr viel besser auch von zu Hause aus arbeiten könnten? Wie können der vorübergehende Austritt und der spätere Wiedereintritt besser überbrückt werden? Aber da sollte man in der Tat die jungen Eltern vorrangig selbst fragen, wie sie sich das vorstellen würden – aus der Kenntnis Ihrer betrieblichen Abläufe und aus der Einschätzung der häuslichen Aufgabenstellungen. Ich würde mich da aus Verlagssicht erst mal zurücknehmen und mir gerne die Überlegungen der Betroffenen dazu anhören. Und ich nehme an, das geht gewerkschaftsseitig genauso.
Kajo Döhring: Es gibt wunderbare Beispiel dafür, wie so etwas funktionieren kann, zum Beispiel Tandembildungen, wo Kolleginnen sich die Woche teilen – wunderbar planbar für alle Beteiligten. Aber es wird zuwenig gelebt und bislang auch nicht offensiv propagiert, insbesondere aus den Verlagen heraus. Das ist etwa auch ein Manko, das ich vorhin schon im Blick hatte, als ich von der unterentwickelten Personalplanung in den Verlagen gesprochen habe. Da sehe ich noch Handlungsbedarf.
Interview: Annette Milz, Senta Krasser
Fotos: Barbara Frommann