Stille Hilfen
„Nur wir Journalisten selbst können etwas ändern. Und dafür müssen wir ehrlich arbeiten. Wenn nur einer die Wahrheit schreibt, kann er getötet werden. Wenn aber Tausende das tun, dann nicht. Man kann nicht alle Journalisten vernichten.“
Jedes Mal wenn wir von dem Verein ‚Journalisten helfen Journalisten’ eine Nachricht von der Ermordung, der Mißhandlung, der Verhaftung eines Journalisten, von gegen ihn ausgesprochene Todesdrohungen und mehrjährige Haftstrafen erfahren, erinnern wir uns an diese trotzig-ermutigenden Sätze der russischen Journalistin Olga Kitowa angesichts des Todes ihrer Kollegin und Freundin Anna Politkowskaja.
„Man kann nicht alle Journalisten vernichten“ – man kann aber auch nicht allen Journalisten helfen, von deren oft existenzieller Not man erfährt. „Mit einem Löffel kann man das Meer nicht ausschöpfen“, schrieb uns einmal der während der Milosevic’-Jahre im Exil lebende serbische Schriftsteller und Journalist Dragan Velikic’. „Aber auch das, was man geschöpft hat, ist das Meer.“ Ich glaube, dass auch die zwischenmenschliche Solidarität nach diesem Prinzip funktioniert. Es wird auf dieser Welt immer Ungerechtigkeiten und Verbrechen geben, aber es ist sehr wichtig, dass die Hand, die mit dem Löffel das Meer schöpft, nicht aufgibt.“
Die Bekenntnisse von Olga Kitowa und Dragan Velikic’ sind wichtige moralische und wenn man will, auch berufsethische Orientierungen bei einer Arbeit, die im Alltag sehr viel nüchterner, pragmatischer, selbstverständlicher abläuft. Man muß Hilfsgelder sammeln und auf vertrauensvollen Wegen weiterleiten, solidarische Netze knüpfen, die Öffentlichkeit über die Dramatik einzelner Notfälle informieren.
Seit der Gründung des Vereins ‚Journalisten helfen Journalisten“ im Jahre 1993 gab und gibt es eine Reihe von Sponsoren und Spendern – darunter auch eine Reihe von journalistischen ‚Promis’ – die in dringenden Notfällen immer für Hilfen ansprechbar sind. Unter den Verbänden kann man sich bei diesen Hilfsaktionen immer ganz besonders auf den „Bayerischen Journalistenverband“, vor allem auf dessen langjährige Geschäftsführerin Frauke Ancker verlassen. Ihre jetzige Pensionierung ist für JhJ ein Anlaß, sich für diese vorbildliche Kooperation einmal zu bedanken. Der amerikanische Schauspieler Dan Futterman, der in dem Film „Der mutige Weg“ die Rolle des ermordeten Journalisten Dany Pearl spielt, hat einmal in einem Gespräch die Ideale einer kritischen, unabhängigen Medienberichterstattung sehr gut beschrieben: „Es ist natürlich besonders tragisch, wenn Journalisten getötet werden oder sogar bewußt ins Visier genommen werden. Doch ist dieser Berufsstand der Garant dafür, daß all die Geschichten erzählt werden, die sonst unbekannt bleiben würden. Es wäre doch schlimm, wenn wir uns nur auf das verlassen müßten, was uns unsere Regierung erzählt.“ Die große Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen, die bei uns ihren Beruf ausübt, muß – Gott sei Dank – nicht unter den dramatischen Umständen arbeiten, von denen eine Verein wie JhJ fast täglich erfährt. Aber vielleicht ist es gerade deshalb wichtig, daß die Hand, die mit dem Löffel das Meer schöpft, nicht aufgibt.
Carl Wilhelm Macke
( Geschäftsführer JhJ e.V. )