This is a demonstration, not a performance rief der mit lila-goldener Maske vermummte Mann. Er führte geschätzte hundert junge Menschen an, einige von ihnen trugen eine Piratenflagge, andere ein Transparent mit der Aufschrift Give me back my money. Die Truppe marschierte im Juni an einem der Eröffnungstage über das Giardini-Gelände der Venedig-Biennale, vorbei an den Länderpavillons, die bevölkert und umringt wurden von Scharen von Künstlern, Kuratoren und Kritikern. Viele sehen die alle zwei Jahre stattfindende internationale Ausstellung als die bedeutendste Schau ihrer Gattung an. Wohl anlässlich des Umfelds wiederholte der Maskenträger wieder und wieder seinen Hinweis, dass es sich um eine Demonstration, keine Kunstperformance handle. Nun ist René Magrittes Satz Ceci nest pas une pipe, geschrieben unter dem Bild einer, nun ja, Pfeife, einer der bekanntesten der Kunstgeschichte, eine solche Ankündigung in diesem Umfeld also mit Skepsis zu interpretieren. Worum es den Demonstranten ging, stand auf Flugblättern, die sie verteilten: Sie wehrten sich dagegen, dass auch auf der Venedig-Biennale viele junge Arbeitskräfte mit Vertragsbedingungen abgespeist wurden, die in etwa dem entsprechen, was dieser Tage mit dem Begriff Prekariat in Zusammenhang gebracht wird – ausgerechnet auf jener Veranstaltung, die Geld und Kunstadel vereint. Venedig bringt alle zwei Jahre die hochbezahlten Stars der Kunstszene zusammen mit milliardenschweren Sammlern und Galeristen, die finanziell nur wenige Ligen weiter unten spielen. Zudem werden mit dem einen oder anderen Werk soziale Realitäten kritisiert. So etwas dürfe nicht mit Ausbeutung von Arbeitskraft geschehen, so die Demonstranten. Was das Ganze so interessant macht: die Demonstranten sind eng verbunden mit der sogenannten Piratenbewegung. Darunter wird zusammengefasst, wer sich für die Legalisierung von Filesharing einsetzt und meint, wegen des Internet müsse das Urheberrecht neu gestaltet werden. Bekanntester Teil sind wohl die schwedische Filesharing-Website www.piratebay.org und die Piratenpartei. Deren Ideen teilt längst nicht jeder, aber die Europawahl und Demonstrationen wie die in Venedig haben gezeigt: es sind längst nicht nur Computernerds, die sich als Piraten fühlen. Oder sollte man sagen als Robin Hoods, denn in Venedig ging es erstmals darum, für mehr Geld zu kämpfen. Was die Demonstranten mit den gewöhnlichen (Internet-)Piraten eint: sie fühlen sich in der derzeitigen Form von den Mächtigen übervorteilt, sehen aber die Chance, dass zu ändern. Schließlich sind sie viele und bekommen viel Aufmerksamkeit in den Medien.
www.embassyofpiracy.org
Erschienen in Ausgabe 07+08/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 63 bis 63 Autor/en: Clemens Bomsdorf, Venedig. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.