Franzi von Kempis: „Gegen Hass im Netz hilft Solidarität“

Franzi von Kempis erlebt viel Hass in sozialen Netzwerken – und wehrt sich engagiert. Sie fordert: Mischt euch alle ein. Nicht nur, wenn sie mal wieder die „dumme Fotze“ ist.

Franzi von Kempis (32) ist Webvideo-Journalistin. Im UFA Lab Berlin entwickelt sie Bildungsformate für soziale Netzwerke. Privat mischt sie sich als „Die Besorgte Bürgerin“ in Debatten ein. Dafür erhielt sie nun eine Auszeichnung beim Marlies-Hesse-Nachwuchspreis vom Journalistinnenbund.

Franzi, deine Facebook-Figur „Die besorgte Bürgerin“ macht sich Sorgen um die Situation für Frauen im Netz. Wieso setzt du dich so massiv ein?

Weil Hass und Hetze so alltäglich sind. Ob das jetzt ein „Fresse halten, sonst stopf ich sie dir mit meinem …“, „Fotzen sind dumm“ oder „Frauen haben keine Ahnung von Politik“ ist. Negative bis hassende Kommentare erleben viele Frauen, die im Netz präsent sind. Was mich ärgert ist eine Lesen-und-Weiterscrollen-Haltung. Wenn zum Beispiel unter einem meiner Videos zehn Mal „Propaganda-Hure“ steht, lese ich das zehn Mal, weil ich alle meine Kommentare durchgehe. Wenn unter nur einem dieser Kommentare ein Gegenkommentar steht, der nicht von mir kommt, freut mich das. Und zwar jedesmal. Ich möchte weniger Schulterzucken, weniger Stehenlassen, mehr digitale Zivilcourage und Gegenhalten, wenn jemand die Gürtellinie komplett aus den Augen verliert.

Es gibt ja manche, die sagen: Lösch den Mist, blende ihn aus – und mach weiter dein Ding. Nicht die richtige Taktik?

Ich mach mein Ding. Sowieso. Aber: Löschen, blocken, melden – all das setzt voraus, dass ich mich mit dem Mist auseinandersetze. Ich muss den lesen, ihn als blockier-, melde- oder löschwürdig deklarieren und das dann tun. Das ist mal amüsant, mal fragwürdig und manchmal richtig ungemütlich. Jeder Gegenkommentar hilft. Mir zumindest. Jeder Widerspruch zeigt mir, dass ich nicht alleine in ein großes, dunkles, menschenleeres Loch rufe.

Wie sollten Journalistinnen mit Hass umgehen, der speziell auf ihr Geschlecht abzielt?

Mehrere Dinge. Zum Beispiel Contenance bewahren. Durchatmen. Das mache ich mindestens dreimal, bevor ich bestimmte Kommentare beantworte. Mir hilft auch das Wissen um eine tolle Community und meine großartige Offline-Crew. Und es ist wichtig, darüber zu sprechen. Solche Inhalte nur in sich hineinzulesen und nicht zu thematisieren, halte ich für ungesund.

Was hältst du vom viel diskutierten „Löschgesetz“ von Minister Heiko Maas?

Kein Gesetz kann und wird Hass im Netz als Problem lösen können. Ich glaube, wir müssen vermehrt an der Verantwortung innerhalb einer digitalen Zivilgesellschaft arbeiten. Und natürlich gehört ein vernünftiges Meldesystem in sozialen Netzwerken dazu. Aber mir ist das reine Löschen zu konsequenzlos. Strafrechtlich Relevantes muss verfolgt werden. Am Ende liegt es vor allem noch an mir, Hass zur Anzeige zu bringen – und dann kommen neue Hürden auf einen zu, zum Beispiel die Anonymität zu bewahren, wenn man nicht will, dass die eigene Adresse bekannt wird.

Wie sind denn deine Erfahrungen mit Facebook und YouTube. Meldest du Hasskommentare und passiert dann was?

Ich melde relativ viel. Die Lösch-Quote ist mal besser, mal schlechter, je nach Thema und Inhalt. Auf Facebook wird weniger gelöscht, dafür finde ich das System ziemlich übersichtlich. Auf YouTube werden zwar im Schnitt mehr Kommentare entfernt, allerdings ist das Infosystem, was gelöscht wird und warum, sehr undurchsichtig. Beides kann also sehr frustrierend sein.

Als Mann erlebe ich keine Beleidigungen unter der Gürtellinie. Was können denn die Herren tun?

Gegen Hass hilft: Solidarität. Nicht weiter scrollen, sondern widersprechen. Natürlich gilt: Hass im Netz richtet sich gegen alle Geschlechter. Deshalb sollte Solidarität im Netz von uns allen kommen. Ich freue mich immer, wenn jemand sachlich bleibt, gegenhält, widerspricht – egal ob Herr oder Dame.

 

Das Interview führte Jens Twiehaus. Es erschien in „medium magazin 04/2017.
Franzi von Kempis ist über ihre Website, über Facebook oder Twitter zu erreichen.

 

Franzi von Kempis‘ Video zum Hass gegen Frauen: