„Ziemlich lähmende Situation“ – Kulturjournalistin Johanna Adorján über ihre Arbeit in Zeiten von Trump und Syrien
„Süddeutsche“-Autorin Johanna Adorján findet die momentane politische Lage lähmend für ihr Genre. Die Kulturjournalistin des Jahres sagt in einem Interview im „medium magazin“: „Ich kann nicht irgendein leichtes, schönes Kulturthema auf die Seite Drei hieven, wenn man jeden Tag denkt, was, Trump schon wieder? Muslim Ban? Syrien?“ In den ersten Amtstagen des US-Präsidenten Donald Trump habe sie nur vor Twitter gehangen und nicht gewusst, was sie noch schreiben solle.
Adorján ist im vergangenen Jahr nach 15 Jahren bei der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ zur Seite Drei der „Süddeutschen Zeitung“ gewechselt und von Berlin nach München gezogen. Über ihren Wechsel zur Reportage- und Porträt-Seite sagt sie: „Ich finde es nicht schlecht, auch mal aus dem Feuilleton raus zu sein, das ewige Beurteilen-Müssen ist so absurd manchmal.“ Ihre Arbeit erklärt sie so: „Ich habe kein Fachgebiet, ich schreibe über Menschen, die etwas Kreatives machen und interessiere mich dafür, wie sie das tun, ganz praktisch, für ihre Arbeit.“
Im Gespräch mit Stephan Seiler erzählt Adorján, wie sie recherchiert und schreibt. Meist trifft sie Protagonisten nur einmal, Langzeitbeobachtungen hasst sie. „Unser Reporter hat XY ein Jahr lang begleitet. Und dann liest du, der hat den dreimal getroffen, einmal im März, einmal im April, einmal auf einer Pressekonferenz im Herbst. Ist doch dämlich“, sagt Adorján. „Mir ist auch diese Art Reportertyp sehr fremd, den es im ‚Spiegel‘ oder ‚Zeit-Magazin‘ gibt, die sich so reinbohren wollen, wo man das Gefühl hat, Angela Merkel kennt sich selbst nicht so gut wie dieser Reporter sie versteht.“ Sie wolle beim Lesen dann dauernd widersprechen.
Das Interview mit Johanna Adorján ist Teil der Serie über Reporter und erscheint im „medium magazin“, Ausgabe 03-2017. Das Heft ist digital im iKiosk verfügbar und kann gedruckt einzeln gekauft oder abonniert werden.