Wie viel Geld vom Staat darf es sein?

(c) Michael Kappeler
dpa-Chefredakteur Sven Gösmann (links) und der Vorsitzende der dpa-Geschäftsführung Peter Kropsch (rechts). (c) dpa Michael Kappeler

Die Deutsche Presse-Agentur feiert ihren 75. Geburtstag bescheiden mit Bratwurst und Festschrift. Gleichzeitig entbrennt eine Diskussion über staatliche Fördergelder und deren Einfluss auf die Unabhängigkeit des traditionsreichen wie profitablen Medienunternehmens. (Dieser Artikel ist im „medium magazin“ erschienen. Sie können ihn vollständig in der neuen Ausgabe 04/24 lesen.)

Text: Senta Krasser

 


 

Ein Dreivierteljahrhundert ist die Deutsche Presse-Agentur (dpa) Mitte August geworden. Das wäre sicher Anlass genug, um es einmal so richtig krachen zu lassen. Doch Deutschlands größte Nachrichtenagentur pflegt ihr Image, immer ein bisschen bodenständiger, nüchterner zu sein, auch im Jubiläumsjahr. Drei Mitarbeiterfeste an den Standorten Berlin, Frankfurt und Hamburg sollen genügen. Wie von dpa-Chefredakteur Sven Gösmann zu erfahren ist, gab es dort „keine Dragqueens und keinen Star-DJ wie bei anderen Medienhäusern“, sondern: Bratwurst und eine Rede.

Den einzigen – wenn man so will – Luxus, den sich das Geburtstagskind gönnt, ist eine Festschrift. Für den 350-Seiten-Wälzer „Im Dienst der Nachricht“ wertete der Medienhistoriker Hans-Ulrich Wagner zahlreiche dpa-Aktenbestände erstmals aus. Ihre 75-jährige Geschichte mache deutlich, „wie sehr die Agentur um ihre politische Unabhängigkeit kämpfen musste und wie geschickt sie das Potenzial neuer Technologien erkannte“, sagte Wagner bei der Buchpräsentation in Berlin. Und er lobte den schnellen Wandel der Nachrichtenagentur zum „breit aufgestellten Medienkonzern, der ein ganzes Spektrum an Dienstleistungen rund um das Kerngeschäft der Nachrichten anbietet“.

Die (selbst-)kritischen Töne, die man in dieser Auftragsarbeit mit ihren vielen schönen Fotogeschichten vermisst, besorgen freilich andere. Ausgerechnet die eigene Kundschaft brachte die dpa, ein Gemeinschaftsunternehmen von rund 170 deutschen Zeitungen und Rundfunkanstalten, in die Schlagzeilen. Und warf die grundsätzliche Frage zur Finanzierung von Journalismus auf: Braucht es den Staat zur Rettung von Medien? Wenn ja, wie viel Staat darf’s sein und wer soll profitieren? Und: Wieso hängt eigentlich ein profitables Unternehmen wie die dpa GmbH, die jedes Jahr verlässlich ein bis zwei Millionen Euro Überschuss erwirtschaftet, am Fördertopf der Bundesregierung?

Wenn es um die Vergabe staatlicher Fördergelder geht, erweist sich der Marktführer im deutschen Agenturgeschäft als „Donor Darling“, also als Medienunternehmen, das in einer Welt, in der Zuwendungen und Spenden der Schlüssel zum Überleben sind, viel Aufmerksamkeit, Liebe und vor allem Geld auf sich zieht.

Wie die „Bild“-Zeitung recherchierte, schöpfte die dpa allein aus dem Etat der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM) Claudia Roth seit 2021 mehr als 1,3 Millionen Euro an Steuergeldern ab. Einmal erhielt sie 312.000 Euro für eine Machbarkeitsstudie für einen internationalen „Democracy Newsroom“, ein andermal gab es 750.000 Euro für das Projekt „Drive Me“, mit dem regionale Zeitungsverlage bei der Digitalisierung unterstützt werden sollen. Bis März 2025 fließen nun weitere 240.536 Euro in ein „Schulungsprogramm für Medienschaffende zu Chancen und Risiken der Künstlichen Intelligenz“, kurz „Wegweiser KI“ genannt.

Letztere Summe stammt aus einem speziellen, projektbezogenen Förderprogramm, mit dem die BKM unabhängigen Journalismus schützen und stärken will, das aber nach eigenen Angaben nur strukturell und nur dort, „wo der Wettbewerb nicht verfälscht wird“. Journalistisch-redaktionelle Inhalte sind explizit ebenso wenig förderfähig wie Projekte, die kommerzielle Zwecke verfolgen. Ob die Grenze immer trennscharf gezogen werden kann, ist umstritten.

So übte der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki in der „Bild“-Zeitung, deren Verlag Axel Springer zum dpa-Gesellschafterkreis gehört, harsche Kritik an Roths Förderpraxis: Er halte „eine staatliche Projektförderung für eine private Nachrichtenagentur, die mit anderen in Konkurrenz steht, mindestens für rechtlich erklärungsbedürftig“, zitierte ihn das Blatt. Es bestehe die Gefahr, dass durch eine solche singuläre finanzielle Unterstützung „die Gleichbehandlung im pu­blizistischen Wettbewerb“ unterlaufen werde. Sprich: Kubicki findet, dass die Bundeskulturbeauftragte der dpa fragwürdige Vorteile auf dem Markt der unabhängigen Presse verschafft. Ähnliche Kritik gab es auch von „Bild“-Schwester „Welt“ sowie „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ – erweitert um den Vorwurf, dass Roth, seit sie ihr Strukturförderprogramm 2021 aufgesetzt hat, Staatsgeld vor allem an Medien vergebe, „die verlässlich auf Regierungslinie kommunizieren“ („Welt“), bzw. an Projektträger, „von denen man denken könnte, dass sie der Regierung vor allem politisch ins Portfolio passen“ (FAZ).

Was genau die dpa – und ebenso die Förderlieblinge Correctiv und Neue deutsche Medienmacher*innen – zu Medien macht, die „staatsnahen Journalismus“ betreiben, führten die beiden Zeitungen nicht näher aus. Die Diskussion, ob wirklich immer die Richtigen Unterstützung bekommen, ist dennoch nicht falsch. Zum einen gibt die BKM-Pressestelle über die Höhe der jeweiligen Fördersummen erst dann detailliert Auskunft, wenn Journalisten anfragen. Zum anderen veröffentlicht Roths Behörde die Begründungen der von ihr beauftragten Fachjury nicht und verpflichtet die Mitglieder des Gremiums zum Schweigen.

Von der Vorsitzenden Renate Schröder, die hauptberuflich die European Federation of Journalists in Brüssel leitet, ist lediglich zu erfahren, dass sie erstaunt sei über die viele Kritik: „Ich dachte, die Leute würden das umarmen. Unabhängiger Journalismus hat, wie wir alle wissen, ein Riesenproblem überall in Europa. Die Förderung dessen ist wichtiger denn je.“ Die Debatte über Staatsferne sei „sehr deutsch“ und werde aus historischen Gründen zu Recht geführt, was sie auch innerhalb der Jury getan hätten. Außerhalb Deutschlands sehe man die Sache aber „lockerer“.

Das „Jahr der Nachricht“

Ein Geheimnis blieb auch lange, dass überhaupt und wie viel die dpa an Zuwendung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bekommen hat – nämlich ungefähr eine Million Euro –, um das „Jahr der Nachricht 2024“ zu finanzieren. Dieses Großprojekt, das von einer Kampagne („Vertraue Nachrichten, die stimmen statt Stimmung machen“) begleitet wird, läuft im Rahmen der Initiative UseTheNews, die die dpa gemeinsam mit der SPD-geführten Hamburger Behörde für Kultur und Medien 2021 gestartet und im Mai 2022 als gGmbH auf eine rechtsgültige Basis gestellt hat. Ein sehr buntes, sich nicht immer einiges Sammelsurium aus rund 40 Medienpartnern macht mit. Darunter sind die Sender ARD, ZDF und RTL, der Verlag Funke Medien samt seiner Regenbogenpostillen und Reichweitenportale, die Rechercheure von Correctiv sowie Institute und Schulen. Deutsche Welle Akademie, SZ-Institut und NOZ haben die Initiative wieder verlassen, „aus internen Gründen“, heißt es bei der dpa. (Auf Nachfrage von „medium magazin“ gibt das Auslandsfernsehen DW interne Mittelkürzungen als Hintergrund für den Austritt zum Jahresende 2023 an. Außerdem seien die Überschneidungen zwischen der auf internationale Medienentwicklungszusammenarbeit fokussierten Akademie und der Use-TheNews-Initiative „letztlich begrenzt“ gewesen.)

Nicht zufällig gewählt in einem Jahr, in dem die Presseagentur und das Grundgesetz zeitgleich den 75. Geburtstag feiern und auch Jung- und Erstwähler ihr Kreuzchen für Europaparlament und drei Landtage machen, will das singuläre Projekt „Jahr der Nachricht“ besonders intensiv Desinformation und Nachrichtenvermeidung bei der jungen Zielgruppe bekämpfen und nicht zuletzt für die Demokratie werben. Übers Jahr verteilt finden Newscamps statt. Außerdem wird in Kooperation mit Tiktok mit Nachrichteninhalten auf Social Media experimentiert. Ende 2024 soll ein wissenschaftlich fundiertes Fazit zu allen Aktivitäten vorliegen, erstellt vom Leibniz-Institut für Medienforschung/Hans-Bredow-Institut, an dem übrigens der dpa-Chronist Hans-Ulrich Wagner lehrt.

Kontroversen um staatliche Fördergelder

Der ehemalige „Bild“-Chefredakteur Julian ­Reichelt hat dieses Papier nicht abgewartet. Auf seinem rechtspopulistischen Portal „Nius“ wütete er Anfang März in einem Video: Das „zentrale Nervensystem der deutschen Medien“, also die dpa, lasse sich von der Regierung „mit der Macht des Steuergeldes unterwandern“ und gebe die Kontrolle darüber ab, „welche Nachrichten stimmen und welche nicht“. Die dpa müsse zudem gegen „all die Meinungen [vorgehen], die bei Faeser unerwünscht sind“. Da „Nius“ auch dpa-Kunde sei, wisse er noch nicht, „wie wir damit umgehen wollen“. (Update: Auf Nachfrage bei dpa gehört „Nius“ weiterhin zum Kundenkreis.)

So erwartbar Reichelts Reflexe auf Reizwörter wie „Desinformation“ und „Faeser“ sind: Auch im linken Medienspektrum kam nicht gut an, dass die dpa zunächst weder Angaben über den Fördergeber noch die Höhe der Zuwendung machte. Fehlende Transparenz tue der Initiative „nicht gut“, befand die taz. Die Nachrichtenagentur mache sich so „angreifbarer für Kritik, gegen die sie eigentlich kämpfen wollte“.

Ob es klug ist, dass man für eine Kampagne, die den Wert unabhängiger Berichterstattung unterstreichen will, staatliche Förderung beansprucht? Darüber könne man natürlich streiten, sagt Christopher Buschow, Fachgebietsleiter Digitaler Journalismus an der Hamburg Media School, gegenüber dem „medium magazin“. Egal wie gut man Journalismusförderung organisieren würde, egal wie weit die Armlänge wäre zwischen denjenigen, die das Geld geben, und denjenigen, die es dann verteilen: „Das ist etwas, worauf sich Populisten und Menschen, die ohnehin die staatlichen Institutionen delegitimieren wollen, gerne stürzen. Darauf muss man vorbereitet sein.“ Ist sie das, die Deutsche Presse-Agentur? Die Gespräche, die „medium magazin“ sowohl mit dem vorsitzenden Geschäftsführer Peter Kropsch als auch mit Chefredakteur Sven Gösmann führte, erwecken nicht den Eindruck.

Zwischen Wirtschaftlichkeit und Unabhängigkeit

Der Österreicher Kropsch, der seit 2017 die dpa-Geschäfte führt, bezeichnet all diese Vorwürfe gegen sein Unternehmen, die überwiegend aus der konservativen bis sehr rechten Ecke kommen, als „negatives Framing“, das er nicht verstehe.

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Cover des "medium magazin" 04 / 2024 mit Foto von dpa-Geschäftsführer Peter Kropsch und dpa-Chefredakteur Sven Gösmann. Schlagzeile: Wieso nimmt die dpa Geld vom Staat? Unterzeile: Haben damit kein Problem: Geschäftsführer Peter Kropsch und Chefredakteur Sven Gösmann. Außerdem: CASHFLOW: Frei sein muss man sich leisten können. Wie das gelingt. Holger Stark: „Blicken viel zu selten in den Maschinenraum der Macht.“ Geldquellen: Welche helfen, welche gefährden den Journalismus?
Foto: Michael Kappeler / dpa

Die ganze Titelgeschichte über die Deutsche Presse-Agentur können Sie im „medium magazin“ 04/24 lesen. Dort klären wir auch die Frage, welche Geldquellen dem Journalismus helfen – und welche ihn gefährden. Außerdem in dieser Ausgabe: Das SPEZIAL „Cash für Freie“. Denn so schön die Selbstständigkeit sein kann, sie hat einen Preis, den man sich leisten können muss. Wie sieht die Realität für freie Journalisten aus? Welchen Tagessatz soll man aufrufen? Wie muss man für das Alter vorsorgen? Wie funktioniert die VG Wort? Und kann man mit Texten im Ausland noch einmal Geld verdienen? Zudem liefern wir spannende Einblicke in die Branche. „Zeit“-Investigativchef Holger Stark etwa kritisiert: „Wir Blicken viel zu selten in den Maschinenraum der Macht.“ Was er über Anwälte wie Christian Schertz und die „Correctiv“-Recherche zum Treffen in Potsdam denkt, können Sie jetzt im Interview lesen: Das neue „medium magazin“ ist ab sofort digital oder als Printausgabe hier erhältlich oder im ikiosk.