„Humor als journalistisches Mittel ist so befreiend!“
Es ist Zeit, die Branche weniger ernst zu nehmen. Am besten fängt man damit bei sich selbst an. Gerade, weil doch jeder ersetzbar ist.
Essay: Yasmine M’Barek
Dieser Text ist im „medium magazin“ erschienen. Sie können ihn vollständig in der Ausgabe 01/24 lesen.
Die vermeintliche omnipräsente Selbstdarstellung von Journalisten scheint ihren Höhepunkt erreicht zu haben. Das zu sagen, nimmt dem Humor im Journalismus den Humor. Zeit, das alles weniger ernst zu nehmen.
Wie sehr haben Sie die ersten Zeilen angenervt? Schön, dass Sie trotzdem weiterlesen. Es bleibt interaktiv, versprochen. Ich würde sagen: Solange alle debattieren und sich aufregen, ist noch alles gut. Oder etwa doch nicht? Im stetigen Getuschel mit Kollegen drängt sich immer öfter das Thema Seriosität auf, und eng damit verbunden die Frage nach Humor. Im deutschsprachigen Journalismus gibt es immer mehr Persönlichkeiten, „Personalitys“, Leute, die für irgendetwas stehen – und meistens humorös arbeiten. Denn ja, Humor heißt auch meinungsvoll zu sein. So wie fast alles in dieser gottverdammten Branche, in der jeder Begriff vor Färbung und Konnotation trieft. Um Neutralität geht es jetzt nicht.
Die Ich-Bezogenheit ist das neue Duracell-Thema der Medienblase, wenn es die Debatte nicht schon immer gab. Geführt wird sie am lautesten von jenen, die Angst haben, öffentlichkeitsaffin zu wirken (steile These, ich weiß). Wie gut, dass ich jetzt auch noch etwas dazu beitrage. Bedanken Sie sich beim neuen „medium magazin“-Chefredakteur, der mich darum gebeten hat.
Vorab deswegen: Jede Person, die glaubt, mit Journalismus etwas beizutragen, oder die Kühnheit besitzt, überhaupt diesen Job zu wählen, der so viel Deutungshoheit verleiht, bedient Aufmerksamkeitsökonomie (ich liebe dieses vermeintlich überlegene Wort). It’s called Ego stupid, look it up. (Hier bitte gerne über die Verunglimpfung der deutschen Sprache diskutieren und damit die Debatte im Gange halten.)
Es braucht den Humor
Yasmine M’Barek wurde 1999 geboren. Sie ist Redakteurin im Ressort X von „Zeit Online“. Als Podcasterin ist sie regelmäßig in „Ehrlich jetzt?“ und bei „Apokalypse und Filterkaffee“ zu hören. Als Autorin hat sie zwei Bücher veröffentlicht, zuletzt „Protest. Über Wirksamkeit und Risiken des zivilen Ungehorsams“ (Leykam). 2020 wurde sie im „medium magazin“ unter die „Top 30 bis 30“-Journalistinnen und -Journalisten gewählt.Zum Job gehört auch die Fähigkeit, Humor bedienen zu können. Chronisch zynisch sein und benötigte Bitterkeit einbringen zu können, oder ab und an zumindest ironisch zu sein. Natürlich will die eigene Mühe gesehen werden und nicht im Witz ertrinken, aber der Elfenbeinturm hilft dabei nicht. Humorvoll oder inhaltlich tragend sein: Das kann man nicht, wenn man sich die ganze Zeit mit allem beschäftigt außer der Arbeit selbst. Mit „allem“ ist hier die redundante Debatte um den Berufsstand und seine Laien gemeint.
Es geht mehr um die Branche, die Debatte oder das Ego des Einzelnen, das vermeintlich Richtige und Falsche. Um das Spiel, bloß nicht zu viel Ego zu zeigen, obwohl man es selbstredend hat. Jeder von uns ist ein illustres Individuum. Es nervt, das zu verleugnen.
Das steigende Interesse an satirischen Inhalten, Persönlichkeiten und vor allem polarisierenden Persönlichkeiten beweist, dass es einen großen Markt für Humor gibt. (Das ist Ihre Chance, lieber Leser, besonders, wenn Sie sich über meinen selbstgefälligen Ton ärgern.)
Faktisch ist es dabei im Übrigen ziemlich egal, wie Einzelne von uns diesen journalistischen Stil finden. Denn um möglichst viele, ja: alle abzuholen, braucht es eben scharfen Witz genauso wie stocknüchterne Ernsthaftigkeit, es braucht das Bespielen vermeintlich intellektueller Überlegenheit ebenso wie „Personalitys“, denen Leute Vertrauen schenken sollen.
Trotzdem stehen sich hier anscheinend zwei Gruppen gegenüber: die, die seriös sein wollen, und die, die (mindestens) entertainend wirken wollen. Im Kern haben sie viel gemeinsam, etwa, dass sie sich über das vermeintliche Differenzieren voneinander definieren – was sowas von nicht mehr 2024 ist.
Bevor Sie sich jetzt über das Wir gegen Ihr in diesem Text aufregen: Dieser von mir behauptete Dissens zwischen seriösen und öffentlichkeitsgeilen Journalisten, den haben wir selbst erzeugt. Vielleicht aus Angst vor dem Internet, weil Politiker und Persönlichkeiten uns seltener brauchen, um Dinge in die Öffentlichkeit zu bringen. Oder weil der Status quo des pränatalen Elitejournalismus in Papierform, im Einzelbüro sitzend und den Namen in Zehntausenden Haushalten auf dem Tisch liegen wissend, natürlich geil ist, szenisch gesehen. Leute wissen um den Wert von Fakten, und Servicejournalismus etwa ist sicherlich kein Spielplatz für Witzbolde. Dort feiert es selbstredend niemand, „irgendwas mit Video“ zu machen. Und das Ich-Narrativ hat da eigentlich auch keinen Platz.
Aber von Seriosität allein kann man sich nichts mehr kaufen. Außer vielleicht den allerseits erwarteten antizipierten Weltuntergang. Und die Erkenntnis: dass Neid und menschliche Emotionen immer noch die größte Rolle in jedem Beruf spielen. Aber nun schreitet das dunkle Ende der Aufmerksamkeitsökonomie voran, es geht nur noch ums Abholen, Darling.
Sicherheit ist der schlechteste Berater
Mein Printabonnement der „New York Times“ ist der Beweis, dass ich vom Pseudo-Ideal auch nie wegkomme. Ästhetisch wie klassizistisch gesehen. Und dann denke auch ich akademisch sozialisiert: Humor macht, wer sonst nichts beizutragen hat. Trotzdem gilt: Wer als Marke, als Person, Brand überleben will, ohne durch seine eigenen Regeln zu fallen, der probiert alles aus. Egal, ob 90 Prozent des Kollegiums das peinlich finden.
Es ist wahr: Bauchpinseln ist geil, weil es das kleinbürgerliche Gefühl von Ankommen vermittelt. Wie in einer intakten Familie: Man sitzt abends zu Hause und verspürt dieses Gefühl von Zugehörigkeit. Diese Sicherheit mag toll sein. Aber bei der Arbeit ist sie der schlechteste Berater. Gutbürgerlichkeit verändert diese Gesellschaft auf lange Sicht bekanntermaßen nicht.
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