Die Gretchenfrage: Was soll ich mit Twitter?
„medium magazin“-Autorin Ulrike Langer zur Debatte „Twitter für Journalisten“: Sinnvoll oder überflüssig?
Um den Kurznachrichtendienst Twitter ist ein Glaubenskrieg entbrannt: Im Extremfall fühlen sich Twitter-Junkies ohne permanenten Zugang zum Strom ihrer abonnierten Kurznachrichten abgeschnitten von ihrer digitalen Existenz. Am anderen Meinungsextrem tun ausgerechnet viele Journalisten Twitter als kurzlebigen Hype um eine überflüssige Spielerei ab, ohne sich näher damit beschäftigt zu haben. Doch gerade Medienleute sollten doch von Berufs wegen neugierig werden, wenn ein neues Kommunikationswerkzeug (und nichts anderes ist Twitter) auf ebenso einfache wie effektive Weise ermöglicht, ganz nahe am Puls der Zeit zu sein. Es sei doch vollkommen banal, zu erfahren, ob irgendwer gerade den Bus verpasst hat. Es sei nicht wirklich relevant, per Twitter eine halbe Stunde früher als andere vom neuesten Flugzeugunglück zu erfahren, lauten häufig geäußerte Einwände. Sie sind berechtigt, aber auch Klischees.
Twitter ist weit mehr als ein Durcheinander schneller Zwischenrufe aus Schiphol, vom Hudson River oder von der Bushaltestelle. Twitter ist die digitale Organisation von Nachrichten aus individuellen Netzwerken. Im Idealfall können Journalisten den kollektiven Sachverstand ihrer Follower anzapfen und bekommen in kürzester Zeit brauchbare Antworten für Recherchen. Sie können ohne Umwege über Pressestellen Entscheidungsträger befragen, Umfragen organisieren oder Themenideen auf ihre Tauglichkeit und ihren Neuigkeitswert überprüfen. Zeitungen können sich unmittelbar und in Echtzeit mit ihren Lesern austauschen. Und ja, selbst die BBC nutzt Twitter, um auf schnellstem Weg Augenzeugen bei Flugzeugunglücken zu finden. Doch um Twitter für die eigenen Bedürfnisse so zu organisieren, dass es nützt und Spaß macht, braucht man gute Informanten, denen man folgt, und Follower, die mit Interesse lesen und darauf reagieren, was man selbst sagt. Dieser Netzwerkeffekt stellt sich allerdings erst ein, wenn man Twitter aktiv nutzt und seine Verbindungen in beide Richtungen ausbaut. Wer das nicht wenigstens zwei Wochen lang ausprobiert und dennoch Twitter als Blödsinn abschreibt, ignoriert leichtfertig ein großartiges journalistisches Werkzeug.
Ulrike Langer twittert als mediummagazin-Redaktionsmitglied (@mediummagazin) und als freie Journalistin (@mauisurfer25)
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