Frommer Selbstbetrug?

Christian Fuchs (29), derzeit Henri-Nannen-Schule, ab Januar 2009 Freier:

„Den „Freischreibern“ bin ich schwer dankbar für ihre Initiative. Endlich entsteht zum ersten Mal eine echte Lobby für selbstständige Journalisten, die aus Lust frei sind und nicht aus Frust. Die Gründung ist auch eine Reaktion auf die Entwicklung, dass feste Redakteure meist nur noch produzieren, aber immer weniger schreiben und recherchieren. Ohne Freie gäbe es in manchem Wochenblatt und in vielen Magazinen sehr viel Weißraum. Doch diese Macht kann man eben nicht allein deutlich machen, das geht nur in der Gruppe. Wenn „Freischreiber“ zu einer Marke wird, dann hätten beide Seiten etwas davon: Der Freie wird fair behandelt und der Verlag bekommt garantiert Qualitätsware. Sieht man sich die Liste der bisherigen Mitgliedsanwärter an, bin ich mir sicher, dass sich eine Freischreiber-Mitgliedschaft schnell zu einem Siegel für Qualitätsjournalismus entwickelt. Das Netzwerk ist dann gleichzeitig auch „Journalisten-TÜV“. Von dieser honorigen Runde, könnten dann vor allem Nachwuchsschreiber profitieren: Eine Mitgliedschaft wäre gleichzeitig mit einem Vertrauensvorschuss bei den Verlagen verbunden. Das kann helfen, die eine oder andere Redaktionstür zu öffnen.“

Ulf J. Froitzheim (50),

freier Wirtschaftsjournalist, Mitglied im Bayerischen Journalistenverband (BJV/DJV)

„Meine Erfahrung ist, dass die Kollegen zwar gerne kommen, wenn man ihnen etwas Interessantes organisiert. Als ich Vorsitzender der Freien im Bayerischen Journalistenverband war, habe ich aber gelernt, dass sich die Leute nicht darum reißen, mitzuhelfen. Wir waren immer ein sehr kleines Häuflein von Aktiven, die die Arbeit machten. Auf eine kritische Masse an so engagierten Köpfen, wie sie die „Freischreiber“ jetzt aufbauen wollen, habe ich bei meiner aktiven Verbandsarbeit jahrelang gewartet.

Warum engagieren sich die „Freischreiber“ denn nicht in den bestehenden Strukturen? Weil es zu mühsam und nervig ist, gegen eine Mehrheit von angestellten Kollegen anzudiskutieren, die der guten alten Betriebsratsromantik nachtrauern? Deren Dominanz rührt doch allein daher, dass ihnen die zahlenmäßig überlegenen Freien bei Vorstandswahlen kampflos das Feld überlassen. Und die Aussage, bei den „Freischreibern“ hätten sich bereits 700 Sympathisanten zusammengefunden, ist nichts als frommer Selbstbetrug: Wer sich auf der Internetseite nicht registriert, kann ja gar nicht mitlesen und erfahren, was überhaupt die konkreten Ziele der Initiative sind. Wie viele wirklich bereit sind, für andere „Freischreiber“ Freizeit oder gar Arbeitszeit zu opfern, wird sich erst zeigen, wenn der Verein sich konstituiert hat – und Beiträge erhebt.

Julia Schoon (33), Absolventin der Burda-Journalistenschule, schreibt u. a. für „zitty“, „Petra“, „360° Neuseeland“

Die Gründung von „Freischreiber“ ist für mich ein wichtiges Signal an die Branche. Wir Freie sind zwar eine heterogene Gruppe, aber wir sind jetzt keine versprengten Einzelkämpfer mehr, die sich gegeneinander ausspielen lassen. In einem nächsten Schritt wird es deshalb auch darum gehen, bessere Bedingungen für uns auszuhandeln. Angesichts immer dünnerer Personaldecken in den Redaktionen geht es längst nicht mehr ohne uns Freie, deshalb müssen sich Verlage und Autoren endlich auf Augenhöhe begegnen. Das funktioniert bisher nicht immer. Ein wichtiger Punkt sind dabei natürlich die Honorare. Ich arbeite gerne frei, aber ich möchte mich nicht entscheiden müssen, ob ich einen Artikel sauber recherchiere und dabei mehr Zeit aufwende als ich bezahlt bekomme, oder ob ich Texte schnell runterschreibe, um auf ein akzeptables Honorar zu kommen – zu Lasten der Qualität.

Erschienen in Ausgabe 11/2008 in der Rubrik „Beruf“ auf Seite 12 bis 12 Autor/en: Zusammenstellung Daniel Bouhs. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.