Stephan Lamby: „Mir fehlen hintergründige Berichte in der Primetime“
Der „Journalist des Jahres 2018“ über Politikjournalismus, Hysterie und journalistische Unabhängigkeit
Dokumentarfilmer Stephan Lamby plädiert für mehr Hintergrundberichte im aktuellen Journalismus – auch zur Primetime im Fernsehen. „Bürger können so das Prozesshafte von Politik nachvollziehen. Das ist wichtig für eine Demokratie.“ Es tue sich aber gerade etwas in den Sendern: Die ARD beispielsweise habe seinen jüngsten Film „Der Machtkampf – wer folgt auf Merkel?“ um 20.15 Uhr gezeigt. „Ich freue mich, wenn die Sender mutiger werden. Und dafür belohnt werden.“
Lamby macht seit Jahren politische Dokumentationen, häufig mit Langzeitbeobachtungen, und hat mit mehreren großen Filmen in den vergangenen 12 Monaten Zuschauer und Kritiker begeistert. Dazu zählen „Bimbes – die schwarzen Kassen des Helmut Kohl“ und „Im Labyrinth der Macht“ über die langwierige Regierungsbildung. Eine rund 100-köpfige Jury der Fachzeitschrift „medium magazin“ hat ihn deshalb zum „Journalist des Jahres 2018“ gewählt.
„Bei guten Filmen entsteht die Aussage zunächst nur durch filmische Mittel: Kamera, Licht, Montage, Musik, kein Text. Der Zuschauer fühlt sich so weniger bevormundet“, sagt er im Interview mit „medium magazin“ – Autorin Anne Haeming.
Seine Dokus basierten häufig auf mehrstündigen Interviews. Er wolle mit Politikern an einem Gedanken arbeiten, sie aber auch aufbrechen. „Zwar gehen sie mit einem Matchplan in Interviews, um ihre Botschaften loszuwerden. Ich habe ja auch meinen Plan“, sagt Lamby. „Aber das kann man unmöglich stundenlang durchhalten. Erst wenn wir den Matchplan verlassen, wird es interessant.“
Politische Unabhängigkeit ist dem Chef von ECO Media und dbate.de für seine Arbeit sehr wichtig. „Mit einer parteipolitischen Bindung Journalismus zu machen, widerspricht mir zutiefst, bis heute. Ein Journalist, der über Politik berichtet, sollte in keiner Partei sein, ein Wirtschaftsjournalist sollte auch keine Aktien des Unternehmens besitzen, über das er schreibt, und ein Sportjournalist sollte nicht Mitglied des Fußballvereins sein, dessen Spiele er kommentiert.“
Das ausführliche Interview von Anne Haeming ist veröffentlicht in „medium magazin“ 07/2018, Seiten 20 bis 23. Weitere Themen in dieser Ausgabe sind u.a.: die „Journalisten und Journalistinnen des Jahres 2018“, Presserechtler Gero Himmelsbach über wichtige Medienurteile 2018, Senta Krasser über neue Wege der Mitteldeutschen Zeitung, Anne Haeming über modernen Verbraucherjournalismus, Inge Seibel über gute Ideen im Regionaljournalismus, Florian Sturm über Fototrends 2018, Jakob Vicari über Medieninhalte ohne Inhalte und Ecken sowie Hakan Tanriverdi über Wege zum eigenen Datenschutz.