Ranga Yogeshwar kritisiert „ungeduldige Erregtheit“ unter Journalisten
Der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar attestiert Journalisten, sich zu sehr vom Diktat der Auflage und der Quote treiben zu lassen. „Die vollständige Ökonomisierung unserer Kommunikationskultur schaut zunehmend auf Nutzerzahlen und weniger auf die Qualität“, sagt Yogeshwar im Titelinterview der Ausgabe 03/2018 von „medium magazin“. „Im Ergebnis entsteht ein Informationsproblem, denn der quotenträchtige Beitrag gewinnt – selbst dann, wenn er inhaltsleer ist.“ Die Ausrichtung auf Erregbarkeit statt Aufklärung bereite den Nährboden für falsche Nachrichten.
Yogeshwar beobachtet ein System, das sich selbst befeuert. Sender und Empfänger erwarten schnelle Reaktionen, zugleich sorgten Algorithmen dafür, dass oft geklickte Beiträge noch prominenter angezeigt würden. Es entstehe im Hin und Her der schnellen Informationen ein „Nebel der Unklarheiten“. Yogeshwar meint: „Diese ungeduldige Erregtheit überträgt sich auch auf Journalisten und die senden ständig Informationen, die nicht reflektiert sind, häufig falsch priorisiert werden oder sogar falsch sind.“
Am eigenen Beispiel schildert Yogeshwar im „medium magazin“, wie eine Aussage von ihm in einem“Welt“-Interview so zugespitzt wiedergegeben wurde, dass sie vollkommen verzerrt in Fake News und einem Shitstorm bis zu Gewaltaufrufen sowie politischer Diffamierung mündete.
Um solche Folgen generell zu vermeiden und mehr Fachkompetenz in die Redaktionen zu holen, schlägt Yogeshwar in „medium magazin“ eine Reihe von Maßnahmen vor. So sollten Wissenschaftsjournalisten einen festen Platz im Newsroom und in Planungsredaktionen zu geben, „so dass der Vertiefungsaspekt, oder nennen Sie es ‚Erklärjournalismus‘, auch bei aktuellen Themen stets berücksichtigt wird.“
Außerdem macht Yogeshwar Vorschläge, wie beispielsweise Talkshow-Redaktionen ihre Gäste besser vor Angriffen schützen sollten. Denn es sei bedenklich, dass immer mehr Personen öffentliche Äußerungen scheuten aus Angst vor Diffamierungen in den sozialen Netzwerken. Insbesondere die öffentlich-rechtlichen Sender sieht er da in der Pflicht zu handeln.
Das komplette Interview mit Ranga Yogeshwar von Annette Milz erschien in der Ausgabe 03/2018 von „medium magazin“. Weitere Themen der Ausgabe u.a.: Redaktionen und ihr Umgang mit Facebook, Berufsprofil Innovationsmanager, ARD-Korrespondentin Golineh Atai über Informationskriege, Portrait „Saarbrücker Zeitung“, Podcast-Trends, Werkstatt „Community Management“ etc.
Foto: Andreas Varnhorn