* Sind Kleingärtner eine schützenswerte, weil vom Aussterben bedrohte Art?
Marlon Gego: Ach, nein, die Kleingärtner geben schon selbst auf sich acht. Nicht auf jeder Gartenkolonie wird ja gleich ein Fußballstadion gebaut, das gibt’s wahrscheinlich nur in Aachen.
* In Ihrem Alter hat man meist wenig mit Kleingartenbesitzern zu tun. Wie sind Sie auf das Thema gekommen?
* Ich habe sicher ein halbes Jahr lang auf eine Gelegenheit gewartet, diese Geschichte recherchieren zu können. Über das neue Fußballstadion ist viel berichtet und diskutiert worden, auch darüber, dass die Kleingartenanlagen weg müssen. Was das aber für die Menschen bedeutet, hat uns, also die regionalen Medien, bis dahin irgendwie nicht interessiert.
* Mit welchen Klischees im Gepäck sind Sie zu Ihren Recherchen aufgebrochen?
* Wenn Sie mit Klischees Vorurteile meinen: mit den gängigen.
* Und welche haben Sie bestätigt gefunden?
* Eigentlich keines, wenn ich von den berichteten Vatertagsaktivitäten mal absehe.
* Wie lange waren Sie im Kleingarten-Milieu unterwegs?
* Zwei halbe Tage vor Ort, einen Tag im Internet und am Telefon.
* Und warum haben Sie für das Thema die Reportage als subjektivste Form des Zeitungsberichts gewählt?
* Was passieren soll, ist ja oft genug berichtet worden. Ich wollte beschreiben, wie das alles vor sich geht, und wie die von allen vergessenen Kleingärtner sich dabei fühlen. Da bleibt eigentlich nur die Reportage.
* „Am Ende der Illusion“. Der Titel Ihres Beitrags lässt nicht zwangsläufig auf den Inhalt schließen. Nach welchen Kriterien haben Sie ihn ausgewählt?
* Die Überschrift transportiert ein gewisses Maß an Melancholie, wie der Text hoffentlich auch. Das hat mir ganz gut gefallen.
* Ihre Reportage hat einen szenischen Einstieg, bei dem gleichzeitig eine Person vorgestellt wird. Wie haben Sie den Einstieg gefunden?
* Es war wohl die Szene, die mir am besten geeignet erschien.
* Beim Lesen entsteht der Eindruck, als hätten Sie gezielt nach Gartenzwergen gesucht. Am Schluss bilden sie sogar die Pointe. War das von Anfang an geplant?
* Ich habe tatsächlich nach Gartenzwergen gesucht, das hatte aber nichts mit Pointen zu tun: Als ich drei oder vier war, ist mein Vater mit mir auf Fahrradtouren immer durch die beiden Kleingartenanlagen gefahren, weil ich ganz verrückt nach diesen Gartenzwergen war. Vor meiner Recherche war ich sicher 30 Jahre lang nicht in den Anlagen, also habe ich schon aus nostalgischen Gründen nach den Zwergen gesucht – und fast keine mehr gefunden. Außerdem, und das fällt mir leider erst gerade im Moment ein, ist die heile Welt früherer Gartenzwerg-Arrangements mit kleinen Windmühlen, Häusern und winkenden, lächelnden Zwergen ein wunderbarer Spiegel der heilen Welt der Gartenkolonie-Mikrokosmen.
* Eine gute Reportage informiert den Leser nicht nur, sondern zieht ihn ins Geschehen hinein. Mit welchen Mitteln haben Sie das erreicht?
* Indem ich versucht habe, Atmosphäre zu vermitteln und auf ein vergessenes Problem von konkreten Menschen aufmerksam zu machen, die keine Lobby haben.
* Ihr Beitrag lebt davon, dass viele Beteiligte zu Wort kommen. Mit wie vielen Kleingärtnern haben Sie gesprochen?
* Gesprochen hab ich, tja, vielleicht mit 15 Betroffenen. Die besten Typen haben es in die Geschichte geschafft.
* Machen Sie sich während der Interviews Notizen oder schneiden Sie die Gespräche mit?
* Während dieser Interviews habe ich mir kaum Notizen gemacht. Um unter die Oberfläche zu gehen, halte ich es für wichtig, mit medial unerfahrenen Menschen in den Dialog zu kommen, nicht nur ihre Aussagen zu protokollieren.
* Ein guter Reporter beobachtet genau. Wo haben Sie gelernt, auch vermeintliche Nebensächlichkeiten im Blick zu behalten?
* Ehrlich gesagt: durch das Lesen vieler anderer Reportagen, besonders derer von Holger Gertz und Marcus Jauer in der „Süddeutschen Zeitung“. Die Seminare mit Peter Linden haben auch ziemlich geholfen.
* Notieren Sie sich Ihre Beobachtungen oder erinnern Sie die Begebenheiten zu Hause?
* Wenn ich für Reportagen recherchiere, mache ich mir während der Gespräche wenn überhaupt nur stichwortartige Notizen, ich hab‘ ein ganz gutes Gedächtnis.
* Windböen, Nieselregen, ein Frühjahrsgewitter – die Witterungsverhältnisse, die Sie beschreiben, passen genau zum Tenor Ihres Textes. War das Wetter wirklich so oder war da etwas „dichterische Freiheit“ im Spiel?
* Es war wirklich so, an beiden Tagen. Jetzt sagen Sie bloß, Sie erinnern sich nicht an die Unwetter kurz vor der Fußball-WM!
* Ihr Text ist voller Metaphern und Wortspiele. Wie lange haben Sie an Ihrem Beitrag gearbeitet? Und brauchen Sie eine bestimmte Atmosphäre, damit Ihnen so etwas gelingt?
* Oje, daran kann ich mich gar nicht genau erinnern. Vielleicht zwei Tage zum Schreiben? Und ja, ich schätze zum Schreiben Ruhe.
* „Die Laube, das war mein Leben“, lassen Sie Jakob Plummans in Ihrem Text sagen. Was entgegnen Sie Leuten, die behaupten, Sie hätten eine „Tränendrüsen-Geschichte“ geschrieben?
* Ich würde dem entgegenhalten, dass es andererseits aber eine gar nicht so schlechte Tränendrüsen-Geschichte ist.
* Gab es Leserreaktionen auf Ihren Text?
* Nur von den Kleingartenbesitzern. Die haben mir aus lauter Dankbarkeit zwei Gartenzwerge geschenkt, die jetzt in meinem Garten stehen. Das war, zeitlich gesehen, die erste Auszeichnung. Der Theodor-Wolff-Preis die zweite. Fragen Sie bitte nicht, welche mir mehr bedeutet.
* Zwiebeln werden gesteckt, Porree wird gesät: Sie scheinen viel über Gemüseanbau erfahren zu haben. Hat Ihnen das Lust gemacht, selbst der Schrebergarten-Bewegung beizutreten?
* Lassen Sie es mich so formulieren: In meinem Garten gibt es eine Wiese, einen Baum und eine Hecke. Den Kräutergarten des Vorbesitzers habe ich einebnen lassen.
Interview: Katy Walther
Erschienen in Ausgabe 8/2007 in der Rubrik „Best of Theodor-Wolff-Preis 2007“ auf Seite 46 bis 46. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.