Blogger sind ihre eigenen Chefredakteure, die autonom über Themen und Stil bestimmen können. Macht das das Bloggen für Redakteure attraktiv?
Das macht Bloggen für Journalisten attraktiv, die diese Freiheiten tatsächlich nutzen können. Wer die Möglichkeiten theoretisch bekommt, in Wahrheit aber jedes Wort auf die Goldwaage legen muss, aus Angst, wegen seines Stils oder seiner unausgewogenen Themenauswahl Ärger mit Chefs, Kollegen oder Auftraggebern zu bekommen, der wird wenig Freude am Bloggen haben und den Lesern auch wenig Freude machen. Es muss nicht immer 100-prozentige Freiheit geben, natürlich kann man auch bloggen, wenn man auf einige Empfindlichkeiten zum Beispiel in der Redaktion Rücksicht nehmen muss. Aber ein erheblicher Freiraum sollte schon vorhanden sein.
Sollten Chefredakteure bloggen?
Niemand „soll“ bloggen, aber Chefredakteure sind eigentlich in einer idealen Position dafür – gerade weil sie es sind, die viele Entscheidungen treffen. Ein Blog wäre ihre Chance, die Entscheidungen zu erklären und die zu Grunde liegenden Argumente transparent zu machen. Interessant wird das vor allem, wenn es dabei wirklich offen zugeht, der Chefredakteur sich also zum Beispiel traut, auch Zweifel und Unsicherheiten anzusprechen oder zuzugeben, wenn es in der Redaktion verschiedene Meinungen gibt. Gerade wenn eine Zeitung in der Kritik steht, wäre ein Blog eine hervorragende Möglichkeit, die ohnehin stattfindende Debatte auch ins eigene Medium zu holen und eigene Argumente zu vermitteln. Voraussetzung ist natürlich außer Kommunikationsfreude das Selbstbewusstsein und die Gelassenheit, kontroverse Debatten dann auch aushalten zu können.
Wie oft sollten Blogs aktualisiert werden?
Auch da sollte es kein „sollte“ geben. Wer aus einem Pflichtgefühl einen Blogeintrag schreibt und nicht, weil er Lust hat, mit den Lesern in dieser Form zu kommunizieren, wird selten überzeugend bloggen. Aber natürlich gehört auch die Schnelligkeit mit zum Reiz des Bloggens. Wer weniger als einmal die Woche etwas von sich hören lässt, muss dafür schon sehr gute Gründe haben. Mindestens so wichtig wie die Frequenz ist aber, auf die sich (hoffentlich) entwickelnden Diskussionen im Blog einzugehen und nicht als Prediger von der Kanzel aufzutreten, der dann die Gemeinde sich selbst überlässt.
Einfach nur seine gedruckten Artikel online zu stellen, um dann darüber mit Usern zu diskutieren – ist das auch Bloggen?
Wenn man will, kann man es so natürlich nennen – aber es ist doch eher ein Indiz dafür, dass sich jemand mit einem vermeintlich angesagten Modebegriff schmücken will und nicht wirklich verstanden hat, was der Reiz an dieser Art des Publizierens ist, zum Beispiel eine gewisse Unmittelbarkeit, Leichtigkeit und vielleicht auch Unpoliertheit, die sicher eher das Gegenteil der Haltung ist, die Chefredakteure beim Schreiben ihrer Leitartikel einnehmen.
Vergleichsweise viele bloggende Chefredakteure gibt es in der Wirtschaftspresse – ein Indiz für ökonomische Effizienz des Bloggens?
Beim Begriff „ökonomische Effizienz“ zucke ich eher zusammen. Vielleicht liegt es eher daran, dass die Kollegen Blogs und ähnliche Formen aus der firmeninternen Kommunikation von Wirtschaftsunternehmen kennen.
Interview: Christian Bartels
Erschienen in Ausgabe 7/2007 in der Rubrik „Beruf“ auf Seite 70 bis 70. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.