Sprechstunde

Macht Anne Wills Produktionsfirma wirklich PR?

Dr. Med.: Ganz so einfach ist es nicht: An Wills Produktionsfirma Anne Will Media, die ihre Christiansen-Nachfolge-Talkshow produziert, ist auch ein gewisser Mark Nowak beteiligt, der eine sogenannte Kommunikationsagentur betreibt, bei der man von Wickert bis Petra Gerster alle möglichen Moderatoren oder Werbefiguren mieten kann (etwa Jens Lehmann, Gudrun Landgrebe). Auf der Kundenliste findet sich das Who is who der deutschen Wirtschaft, darunter etwa Mercedes Benz oder die Deutsche Bank. Also just solche Unternehmen, deren Manager immer wieder in der ARD-Talkshow Stellung nehmen sollen. Auf die Frage, ob sich seine beiden Engagements miteinander vertragen, teilt Mark Nowak auf Anfrage mit: Falls es „in Ausnahmefällen dazu kommt, dass Führungskräfte solcher Wirtschaftsunternehmen als Gäste vorgesehen sind, denen die Nowak Communications GmbH in der Vergangenheit einen Moderator vermittelt hat, dann werde ich den NDR auf diese Konstellation aufmerksam machen.“ Das ist schön. An welche Unternehmen Anne Will in der Vergangenheit vermietet wurde, will Nowak freilich nicht sagen.

Warum ist denn das neue „Zeit-Magazin“ so mutlos?

Dr. Med.: Man ist ja schon froh, wenn Christoph Amend nicht von seiner Kindheit erzählt, in der er gern das „Zeit-Magazin“ gelesen hat. Mit dieser Anekdote erfreute er die Leser in seinem ersten Editorial des neuen Supplements. Im zweiten erzählte er sie noch einmal, dramaturgischer Höhepunkt darin war aber die Geschichte eines Lesers, der seine Mittagspause verpasst hat, weil er so vertieft in das neue „Zeit-Magazin“war. Damit dürfte dieser Leser ziemlich allein stehen. Denn neben den schlichten Vorworten herrscht auch sonst ein früh vergreister Ton im Heft. Geschichten darüber, warum Männer angeblich immer die falschen Sonnenbrillen kaufen oder warum man durch Picknickkörbe zu einem besseren Menschen wird, gemahnen an die furchtbaren Zeiten des Popjournalismus, wo man alles schreiben durfte, nur nicht über wichtige Sachen. Selbst, wenn dann doch mal eine großartige Reportage wie über den Doppelmord von Tessin im Blatt ist, brambasiert Amend lieber darüber, was er neulich bei YouTube erlebte. Ansonsten findet der Leser alles wieder, was es schon vorher gab, denn nirgendwo haben die Rubriken eine so lange Halbwertzeit wie bei der „Zeit“: So dürfte es kaum noch Prominente geben, die der „Zeit“ noch nicht ihren Traum offenbart haben. Dazu gibt es auch weiterhin die unoriginelle Autokritik der Redakteure. Und das einzig Neue, das Gespräch mit Helmut Schmidt, liest sich, als hätte di Lorenzo einen ganz langen Abend bei seinem Herausgeber auf dem Sofa gesessen, und den Mitschnitt anschließend in viele Teile portioniert.

Wie ist eigentlich die Schweiz-Ausgabe vom „Spiegel“ ?

Dr. Med.: Der „Spiegel“ dieser Tage ist schon auf eine fast anrührende Weise orientierungslos – und zwar sowohl redaktionell als auch auf Geschäftsführungsebene. Da verhandelt man lange mit der Schweizer Tamedia über die Zulieferung eines Schweiz-Teils, damit die Auflage dort und insgesamt steigt, um es dann doch allein zu machen (bzw. von den wenigen Schweizern in der Redaktion richten zu lassen). So erschien dann Ende Juni ein Supplement mit einem von Europa-Sternen umkränzten Matterhorn auf dem Titel und dem ranschmeißerischen Titel: „Weltmacht Schweiz“. Darin erfuhren die Schweizer Leser alles über den Rechtspolitiker Christoph Blocher, alles über ihre „Nati“ (ihre Fußballnationalmannschaft), alles über die Schweizer Garde im Vatikan und alles darüber, wie wirtschaftlich potent ihr Alpenland ist. Also im Grunde genommen alles, was jeder Schweizer eh weiß. Aus dem „Spiegel“ für die Schweiz ist also aus Versehen ein „Spiegel“ über die Schweiz für Deutsche geworden, der aber leider nur in der Schweiz erschien. Peinlicher Höhepunkt der sinnlosen Affirmation war die Behauptung, den Schweizern würde in Deutschland durchweg Sympathie entgegenschlagen, die u. a. ausgerechnet mit Joe Ackermann bebildert war. Vielleicht hätte man doch lieber mit der Tamedia zusammenarbeiten sollen, die soeben ihr Wochenmagazin „Facts“ eingestellt hat. Da hätten sich zwei Verlage auf Augenhöhe getroffen.

Diktieren die Stars „Vanity Fair“ die Bedingungen?

Dr. Med.: Man erinnert sich noch schaudernd an die Fotos von Alexandra Neldel auf dem Cover der deutschen Ausgabe von „Vanity Fair“. Die Schauspielerin sah aus, als hätte man sie gerade aus dem Bett gezogen und vor die Kamera geschleppt. Dabei stammten die Fotos von Michel Comte und noch besser: Alexandra Neldel durfte sie selbst aussuchen. Man möchte also gar nicht sehen, was das alles noch auf den Kontaktbögen zu sehen war. Und in der Tat war vertraglich festgelegt worden, dass Neldel den Titel ziert, ansonsten hätte sie eine Zusammenarbeit wohl abgelehnt. Solche Ansprüche dürften selbst angesichts des zunehmend geschäftsmäßigen Verhältnisses zwischen Medien und Stars ein Novum sein. Vielleicht waren die grottenschlechten Fotos von Comte ja eine subtile Form der Rache?

Kann Heidi Klum nicht immer „Gala“ machen?

Dr. Med.: Hoffentlich war es nur eine kurzzeitige Verirrung, dass die Chefredakteure glauben, sie müssten aus Werbezwecken ihre Jobs kurzfristig von Prominenten machen lassen. Wolfgang Tillmanns machte das „Zeit“-Feuilleton unlesbar, Herbert Grönemeyer bramarbasierte in „Vanity Fair“ und Bono machte die „Bild“ noch schlimmer. Das größte Armutszeugnis lieferte aber Gruner+Jahr ab, indem man allen Ernstes verkündete, dass Heidi Klum für eine „Gala“-Ausgabe als Chefredakteurin fungiere. „Ich finde, dass, Gala‘ eine sehr schöne Zeitschrift ist. Ich mag diese Mischung aus Lifestyle- und Peoplethemen“, wurde das geschäftstüchtige Model in der Presseerklärung des Verlags zitiert. „Die Arbeit hinter den Kulissen finde ich sehr interessant.“ Jede Wette. Anscheinend sogar so sehr, dass auch die Blattmacher-Arbeit gleich in den Kulissen stattfand, aber in denen ihrer Sendung „Germany’s next top model“. „Letzte Korrekturen am Heft“, heißt es zu dem Foto, auf dem Heidi Klum mit „Gala“-Chef Peter Lewandowski „nach der Entscheidungsshow“ ein paar Seiten begutachtet. „Danke, Frau Kollegin“, schreibt Herr Kollege artig im Editorial. „Sie haben einen tollen Job gemacht.“ So schön kann Leser-Verarschung sein.

Dr. Med. alias Oliver Gehrs, freier Journalist in Berlin, beantwortet in der „medium magazin“-Sprechstunde regelmäßig Leserfragen zur Medienbranche. Fragen bitte per eMail an redaktion@ mediummagazin.de

Erschienen in Ausgabe 7/2007 in der Rubrik „Journaille“ auf Seite 16 bis 17. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.