Aufruf für Mutige

Beinah schien es, als wär´s das jetzt gewesen: Den Sonntagabendtalk bekommt Anne Will, Frank Plasberg darf demnächst auch, jetzt also doch, ins Erste, Günther Jauch bleibt bei RTL. Friede, Freude, Aufatmen? Nein. Noch lange nicht. Das Debakel um die Jauch-Absage hat drastisch all die Schwächen dargelegt, an denen die ARD nun schon so lange krankt. Im Fegefeuer der Eitelkeiten ist die Frage nach dem inhaltlichen Profil hintangestellt worden. Dabei ist es doch genau diese Frage, die die Funktionäre der ARD mehr als anderes umtreiben müsste – angesichts der schwindenden Akzpetanz der Gebührenfinanzierung in der breiten Öffentlichkeit, und angesichts der misslungenen Reform des Abendprogramms. Die Politmagazine leiden alle unter der Verkürzung der Sendezeit, die Vorverlegung der „Tagesthemen“ hat nicht den erhofften Zuschauerzuwachs gebracht.

 

Alles nur Insiderkritik? Mitnichten. Wir haben für diese Ausgabe bei den unterschiedlichsten Repräsentanten des öffentlichen Lebens nachgefragt, was sie heute von einem gebührenfinanzierten Fernsehen erwarten und was sich bei der ARD ändern sollte. Bemerkenswert viele waren bereit, uns sehr persönliche Antworten auf unsere Frage zu geben.

Bemerkenswert ist aber vor allem das Ergebnis: Ein nahezu einstimmiger dringlicher Appell an die ARD: Weniger Quotendiktat, mehr Inhalte zugunsten eines stärkeren journalistischen Profils. Was in den 33 Antworten unabhängig von allen individuellen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Positionen deutlich wird, ist ein tiefes Unbehagen am ARD-Programm, das viele als zu beliebig empfinden, zu sehr am kommerziellen Unterhaltungsmaßstab orientiert.

Zugleich belegen aber alle Antworten auch den hohen Sympathiewert, den die ARD nach wie vor genießt. Es ist die Kritik von Freunden, die besorgt Anteil an der Entwicklung des Öffentlich-Rechtlichen im dualen Rundfunksystem nehmen, besorgt, weil sie dessen gesellschaftspolitischen Auftrag nicht mehr ausreichend erfüllt sehen. „Die ARD sollte sich wieder auf ihre Stärken besinnen und ihre Informationsprogramme ausbauen“, fordert beispielsweise DGB-Chef Sommer – in ungewohnter Einigkeit mit Arbeitgeberpräsident Hundt, der sich vom Öffentlich-Rechtlichen „…vor allem einen fundierten, sachkundigen, informativen und niveauvollen Qualitätsjournalismus“ wünscht (s. Seite 26 ff.).

Übrigens haben wir auch bei prominenten Vertretern der Medienszene nachgefragt. Doch dort waren die wenigsten bereit, sich öffentlich zur ARD zu äußern. Die Gründe dafür lagen allerdings meistens anders als bei Hendryk M.Broder, der uns lapidar mitteilte: „Die ARD ist vollkommen wurscht“. Soweit ist es zum Glück nun doch noch nicht. Aber die Gefahrensignale sollten die Verantwortlichen der ARD nicht mehr unterschätzen. Antworten auf die Frage, für welches unverwechselbare Programmprofil die gebührenfinanzierte ARD künftig stehen will, sind längst überfällig. „Gefordert ist nichts Geringeres als eine Renaissance der öffentlich-rechtlichen Idee, des Sendens in gesellschaftlicher Verantwortung“, schreibt Bernd Gäbler zutreffend in seiner Analyse (s. Seite 31). Auf die Antworten sind wir gespannt.

* * *

Zwei Neuigkeiten in eigener Sache:

1.Mit dieser Ausgabe starten wir eine neue Kolumne – nicht nur aus Anlass der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. „Brief aus Brüssel“ heißt die neue Rubrik, unter der künftig EU-Korrespondenten regelmäßig persönliche Einsichten und Einblicke hinter die Kulissen der offiziellen EU-Politik schildern und Insidertipps für Kollegen geben werden. Denn „Brüssel“ geht uns alle an, viel mehr, als leider immer noch den meisten bewusst ist. Den Auftakt macht in dieser Ausgabe Cornelia Bolesch, die langjährige Brüssel-Korrespondentin der „Süddeutschen Zeitung“, Seite 40.

2.“medium magazin“ bekommt Nachwuchs besonders erfreulicher Art: Redaktionsmitglied Katy Walther wird im März Mutter und hat sich deshalb bis zum Sommer verabschiedet, um sich zuallererst um ihr Baby kümmern zu können. Während ihrer Auszeit wird sie in der Redaktion von Natalie Kromm vertreten, die bereits seit Jahresbeginn vielen Anrufern als verlässliche Ansprechpartnerin in der Redaktion bekannt ist. PS: Der Name des Nachwuchses kann erst mit dem ersten Lebensschrei und damit in der nächsten Ausgabe bekannt gegeben werden.

Annette Milz

Erschienen in Ausgabe 3/2007 in der Rubrik „Editorial“ auf Seite 3 bis 5. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.