Wenn bekannt wird, dass Werbegiganten wie Procter & Gamble, Unilever oder die Telekom ihre Budgets kürzen, hält die gesamte Medienbranche den Atem an. Welche Zeitschriften, TV-Sendungen oder Radiosender werden aus den Mediaplänen fliegen und auf die lukrativen Kampagnen der Werbegiganten verzichten müssen? Die Planer und Berater in den Mediaagenturen kennen die Antwort, und das meist lange bevor die Schreckensmeldungen bei den Medienanbietern eingehen. Sie sind der Pulsmesser der gesamten Kommunikationswirtschaft, weil sie für die Procters dieser Welt die Werbestrategien entwickeln und darüber entscheiden, ob „Stern“ und „Spiegel“ oder doch „Bild“ und „Deutschland sucht den Superstar“ von RTL in den Mediaplänen ihrer Auftraggeber stehen.
Druckpotenzial. Stellvertretend für die gesamte Mediazunft kann Thomas Koch zunächst Entwarnung geben: „Das Gespenst der Rezession hat sich bei mir noch nicht angemeldet“. Aufkommende Hoffnung bei den Medienvermarktern erstickt der Manager der Düsseldorfer Mediaagentur Crossmedia jedoch sofort im Keim: „Die Werbeetats stagnieren seit Jahren und das setzt die Medien unter Druck, weil sie um ihre Marktanteile kämpfen müssen“.
Marktanteile steht hier gleichbedeutend für die Größe des Stückes, das sich ein Medienunternehmen vom Werbekuchen abschneiden kann. Jahrzehntelang wurde die Kommunikationsbranche von kontinuierlich steigenden Investitionen in die Werbung verwöhnt „und die Medien mussten nur die Hand aufhalten“, berichtet Koch. Doch diese goldenen Zeiten sind passé; spätestens seit dem Platzen der Online-Blase in den Jahren 2000 und 2001.
Die eigentliche Crux aber besteht darin, dass seitdem auch immer mehr Medienanbieter um die stagnierenden Mediagelder konkurrieren. Laut einer Erhebung des Pariser Recma-Instituts wurden im vergangenen Jahr Werbeplätze mit einem Gegenwert von 15,4 Milliarden Euro von den Mediaagenturen in Deutschland gebucht. „Das Hauen und Stechen um die verfügbaren Euros wird immer härter“, erklärt Michael Enzenauer . Für den CEO der Düsseldorfer Mediaagentur Optimedia zeichnen sich unter den Werbeträgern bereits die ersten Gewinner in der neuen Medienlandschaft ab. „Das sind vor allem die digitalen Medien, die nachweisen können, wie erfolgreich und wirksam eine Werbekampagne war, die bei ihnen geschaltet wurde“.
Aber in Zeiten wie diesen, die von hohen Rohstoff- und Energiepreisen geprägt sind, haben viele Unternehmen nur eine Chance, ihre Bilanzen kurzfristig zu retten: Sie dampfen ihre Mediaausgaben ein. Laut Enzenauer leide die Wirtschaftspresse unter der Finanzkrise in den USA, die Unterhaltungsmagazine unter der Konsumflaute der Deutschen und die Automobilpresse an der Absatzkrise und den hohen Ölpreisen. Deshalb sind für den Agenturmanager „die großen Medienmarken jetzt die sichere Bank. Dort wird investiert, weil es weniger Risiko gibt“.
Doch selbst die Flaggschiffe der Großverlage kommen zusehends in schwere See, denn – und da sind sich die Experten aus den Mediaagenturen einig: „Die gesamte Publikumspresse wird noch mehr unter Druck kommen“, prognostiziert Christian Schmalzl. Als CEO der größten deutschen Mediaagentur Mediacom hantiert er tagtäglich mit den sogenannten Leistungswerten der einzelnen Medien. Dazu gehören zum Beispiel die Reichweiten, Auflagenzahlen oder die Entwicklung des Preis-Leistungs-Verhältnisses einer Zeitschrift oder TV-Formats. In keinem Medienmarkt der Welt werden diese Daten so regelmäßig erfasst wie in Deutschland und dann von den Mediaagenturen ausgewertet.
Gewinner und Verlierer. Die Zentrale Anzeigenstatistik (ZAS) errechnet für das erste Quartal dieses Jahres 2225 weniger Anzeigenseiten und im zweiten Quartal sogar ein Minus von 2434 Anzeigenseiten in den deutschen Publikumszeitschriften. Die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (AG.MA), die wie die ZAS von den großen Zeitschriftenverlagen getragen wird, kommt in ihrer aktuellen Erhebung zu folgendem Ergebnis: 79 Zeitschriften verlieren und 80 Zeitschriften gewinnen an Reichweite bei ihren Lesern. Zu den Gewinnern gehören die Elternzeitschriften wie etwa „Meine Familie & Ich“ und der Bereich Do-it-yourself, wo „Das Haus“ und „Selber machen“ zulegen konnten. Doch auch die Wirtschaftspresse („Wirtschaftswoche“), Tiermagazine („Ein Herz für Tiere“) und Lifestyle-Titel wie „Playboy“ und „Neon“ konnten ihre Leserschaft ausbauen. Deutliche Verluste mussten hingegen Musikzeitschriften wie „Top of the Pops“ und „Bravo“ im Segment der Jugendzeitschriften hinnehmen (siehe Tabelle).
Diese Zahlen sind die harte Realität, aber für Werner Reineke noch lange kein Beweis für eine Rezession. Der Chef der Münchner Mediaagentur Mediaplus führt vielmehr „das dicke Minus auf die Unflexibilität des Mediums Print zurück“ und schießt damit in Richtung der deutschen Publikumsverlage. Im Gegensatz zu Optimedia-Chef Enzenauer behauptet Reineke allerdings, dass die „großen Dickschiffe wegen ihrer hohen Anzeigenpreise schneller aus den gekürzten Mediaplänen rausfliegen“. Über 50.000 Euro für eine Anzeigenseite in der Kombi „TV Spielfilm plus“ oder im „Spiegel“ binden in der Tat viel Geld.
Chancen in der Nische. Fachzeitschriften oder Special Interest-Titel sind da weitaus günstiger, aber eine Anzeige trifft hier auf wesentlich weniger Leser. Dennoch „laufen die Special Interest-Produkte unverändert gut“, sagt Reineke. Mediastrategen wie er mögen diese Blätter. Schließlich bieten die ihnen zum Beispiel die Möglichkeit, die begehrte Zielgruppe der sogenannten Vielverdiener anzusprechen, die kaum noch über die Massenmedien erreicht werden können. Wer Zeitschriften in seinem Mediaplan aufnimmt, die von dieser spitzen Zielgruppe gelesen werden, kommt laut Reineke auch mit kleineren Werbeetats aus. Mediacom-Boss Schmalzl ist zudem der Auffassung, dass „das Überangebot an austauschbaren medialen Reizen dazu führt, dass Nutzer geradezu nach innovativen, kreativen und überraschenden Medienangeboten lechzen“.
Newcomer wie „Cicero“ oder „Neon“ haben offensichtlich alles richtig gemacht und ihre steigende Anhängerschaft beweist, dass es im größten Zeitschriften-Markt der Welt durchaus noch Platz für neue Blätter gibt. „Kleinen, spitzen und sehr eindeutig positionierten Titeln“ gibt Koch allemal eine Chance. „Doch die Verlängerung im Online-Bereich ist Pflicht“, mahnt der Mediamann.
Erfolgsfaktoren. Und genau an dieser Stelle tut sich eine weitere Baustelle für die Medienanbieter auf. „Content is King“ heißt es allerorten, fraglich ist dabei nur, wie die redaktionellen Inhalte über die klassischen Medien hinaus kapitalisiert werden können. Von schlichten Blaupausen, die von der Printredaktion eins zu eins ins Internet kopiert werden, hält Boris Schramm nichts. Der Geschäftsführer der Düsseldorfer Group M bezeichnet zudem die Klage vieler Verlage, im Internet sei kein Geld zu verdienen, „pauschal als Falschaussage“ (s. Interview Seite 16 f). Selbst so manchem regionalen Tageszeitungsverlag sei es inzwischen gelungen, Online-Angebote zu schaffen, die für die Nutzer einen Mehrwert böten. Seiner Meinung nach sind beispielsweise „Rheinische Post“, „Frankfurter Rundschau“ und „Süddeutsche Zeitung“ auf einem guten Weg.
Auch bei den großen Medienanbietern kann Reineke von Mediaplus durchaus „kreative und crossmediale Angebote“ ausmachen. Unabdingbare Voraussetzung für deren Erfolg sei allerdings „ein vernünftiges Titelportfolio“. Nur durch eine gute Vernetzung mit den Online-Plattformen könnten alte und neue Medien gebündelt und erfolgreich vermarktet werden. Ob das in Zukunft auch für Internet-Communities wie Studi VZ gelten wird, ist fraglich. Mitglieder einer virtuellen Gemeinschaft ließen sich nur schwer reglementieren und kommerzialisieren, meint Schramm. In seinen Augen „versenken die Verlage hier gerade sehr viel Geld“.
Doch trotz mehr oder weniger erfolgreichen Investitionen im Internet, stagnierenden Werbebudgets und dem immer härter werden Verteilungskampf um die Werbegelder: Sorgen muss sich die Medienbranche keine mach
en, sofern sie auf die veränderten Marktbedingungen und Nutzergewohnheiten reagieren. Zumindest behaupten das unisono die Berater, Planer und Strategen in den Mediaagenturen. Für Reineke ist das Grundbedürfnis der Verbraucher nach Infotainment, also leicht zugänglicher Information, unverändert groß. „Aber nun kommen die Informationen von überall her. Daran müssen sich die Medien anpassen“.
Erschienen in Ausgabe 9/2008 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 14 bis 15 Autor/en: Elke Jacob. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.