„Das ist so nicht richtig.“
Es ist mal wieder Zeit, sich in die Niederungen der Phrasen-Realität zu stürzen und ein paar Phrasen anzuschauen, die in freier Wildbahn entdeckt wurden. Im Zuge der Führungskrise beim „Spiegel“ (Kurzfassung: Die Mitarbeiter-Gesellschafter wollen Geschäftsführer Mario Frank weg haben, Mit-Gesellschafter Gruner + Jahr will das nicht) hat der G+J-Grande Bernd Kundrun der „Süddeutschen Zeitung“ ein lehrreiches Interview gewährt. Lehrreich in Bezug auf die Verwendung des Wörtchens „so“. Mit der Aussage konfrontiert, dass die „Spiegel“ Mitarbeiter KG ihn und seinen Finanzvorstand umgehend über das Misstrauensvotum gegen Mario Frank informiert habe, antwortet Kundrun: „Das ist so nicht richtig. Das öffentlich gewordene Meinungsbild der Mitarbeiter KG war uns so nicht bekannt.“ Brillant! Phrasenkunst in absoluter Meisterschaft! Mit „Das ist so nicht richtig“ ist der große B. bereits formulierungstechnisch so schwammig, dass ihm kein Schuh anzuziehen ist. So ist es vielleicht nicht richtig, ein bisschen anders aber schon? Wer weiß … Der nächste Satz ist dann wirklich was für Profis:
Was bitte ist das „öffentlich-gewordene Meinungsbild“? War dem G+J Vorstand vielleicht an anderes, „nicht öffentlich gewordenes Meinungsbild“ bekannt? Keine Ahnung! So und genau so muss man auf Fragen antworten, wenn man am liebsten rein gar nichts sagen will.
„Wir sind gut beraten …“
Das stammt aus dem gleichen Gespräch zwischen der „SZ“ und Herrn Kundrun. Nicht ganz so famos wie die das erste Beispiel, aber so was wie ein moderner Klassiker. Im Sinne von: „Wir sind gut beraten…auf unsere Kunden/Aktionäre/Instinkte zu vertrauen.“ Damit wird die Verantwortung für das eigene Tun elegant wegdelegiert und einer nicht näher spezifizierten, ratgebenden Mehrheit anvertraut. Hey, was soll ich machen … wir sind eben gut beraten, das so und so zu machen. Und wer wäre so halsbrecherisch ignorant, einen guten Rat in den Wind zu schießen? Keiner. Wer sich „gut beraten“ lässt, der duldet keine Widerworte.
„In Marken denken …“
Da ist sie wieder, die Marke. Erneut fiel der Satz in der „Süddeutschen“, diesmal ausgesprochen vom frisch gebackenen neuen Deutschland-Chef der ProSiebenSat.1 Media AG, Andreas Bartl. Man habe ihn für diesen Posten erwählt, weil er ein Mann ist, „der in verschiedenen Marken denken kann“, diktierte er dem „SZ“-Reporter ins Diktaphon. Er legt einen Schalter im Kopf um und switcht von der Sat.1-Denke zur ProSieben-Denke, macht einen Schlenker zu Kabeleins-Denke und switcht über die N24-Denke wieder zurück. „In Marken denken“ ist ein beliebter Denksport unter Managern – egal, ob mit ihr Leuchttürmen errichtet, Universen gebildet oder Qualitätsinseln aufgeschüttet werden. Von der Marke kann ein guter Manager nie genug haben. Und deshalb muss er auch dauernd an sie denken.
„Inseln der Qualität“
Der große öffentlich-rechtliche Rhetoriker Kurt Beck prägte diesen schönen Begriff während der aktuellen Diskussion um den neuen Rundfunkstaatsvertrag und meinte damit die Online-Angebote von ARD und ZDF., über deren Umfang ja derzeit intensiv gestritten wird. Geschickt gemacht. Denn wenn es Inseln der Qualität gibt, dann gibt es auch ein Meer der trashigen Sülze und dort hausen dann ja wohl andere. Damit hat man die Gegenseite, in diesem Falle die Verleger, schön brüskiert, ohne offensichtlich ausfallend geworden zu sein. Für die Wirkung der Beck’schen Phrase genügt es schon, dass die meisten Menschen mit ARD und ZDF gewohnheitsmäßig Seriosität verbinden. Dieses diffuse Qualitätsempfinden gepaart mit der bildhaften Metapher von den Inseln sorgt für eine Phrase von immenser Kraft. Der Pfälzer ist halt ein Profi.
Erschienen in Ausgabe 6/2008 in der Rubrik „Tipps für Journalisten“ auf Seite 82 bis 86. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.