„Ich habe das zur Chefsache gemacht“
Sie sind ein Chef und wollen mal so richtig auf den Putz hauen? Sie sind der Leitwolf eines in die Jahre gekommenen Rudels, das ein wenig unstet hinter Ihnen herbummelt und das ein bisschen Feuer unterm Hintern gut gebrauchen kann? Oder wollen Sie der Branche mal zeigen, wo Barthel den Most holt? Dann gibt es nur eins: Sie müssen dringend etwas „zur Chefsache“ erklären. Übersetzt heißt diese Phrase ja eigentlich nichts anderes als: Ich kümmere mich jetzt selbst um den Kram. Mit dem Chefsache-Getue klingt die Angelegenheit freilich weitaus seriöser, offizieller und vor allem – wichtiger. Nun ließe sich einwenden, dass diese Phrase die Selbstverständlichkeit zur bedeutungsschwangeren Botschaft stilisiert. Tatsächlich kümmern sich die meisten Chefs nicht um die Nachbestellung von Radiergummis oder die Anschaffung eines Kaffeevollautomaten. Darum lässt sich eigentlich auch nur ein essenzielles Vorhaben des Unternehmens zur Chefsache erklären. Genau diese strategisch wichtige Aufgabe müsste allerdings ohnehin Chefsache sein. Darum ist der Subtext und eigentliche Sinn dieser markigen Phrase ein ganz anderer, nämlich: Huhu, alle mal herhören, in diesem Laden bin ich der Boss! Und ich fälle Entscheidungen, ganz selbstständig! Und jeder, der nicht mitzieht, kriegt von mir eins auf die Finger! Es ist für jede Führungspersönlichkeit elementar, ab und an etwas zur Chefsache zu machen. Einfach so, weil man es eben kann.
„Verzahnung“
Kommen Zahnräder ins Spiel, denkt man als Cineast vermutlich unwillkürlich an Charlie Chaplins großartigen Film „Moderne Zeiten“. Da schraubt Charlie an einem Fließband in einer Fabrik und gerät durch eine Ungeschicklichkeit in das Getriebe (Metapher!) der Industrieanlage, wird zwischen den Zahnrädern hin- und hertransportiert und schließlich wieder ausgespuckt. Unternehmenslenker denken vermutlich in eine ganz andere Richtung, wenn sie über „Verzahnung“ sprechen. Im Management-Sprech ist Verzahnung, wenn bisher parallel arbeitende Unternehmensteile stärker zusammenarbeiten, vielleicht sogar miteinander verschmolzen werden sollen. In der Verlagsbranche wird seit Jahr und Tag viel über die Verzahnung von Print und Online philosophiert. Demnach sind Print- und Onlinemedien keine natürlichen Gegner, sondern sich ergänzende Bausteine einer „crossmedialen Markenstrategie“. Wer Verzahnung fordert, präsentiert sich mithin als visionärer, das große Ganze im Auge habende Einiger, als Helmut Kohl der Wirtschaftsbosse, als Harmonisierer, Zusammenführer und Chefdiplomat. Aber Achtung: Nicht alles lässt sich problemlos miteinander verzahnen – die Räder der einzelnen Räder müssen schließlich auch richtig ineinander greifen. Ansonsten „knirscht es im Getriebe“.
„Es knirscht im Getriebe“
Im Idealfall ist ein Unternehmen ein schönes Auto, das Kilometer um Kilometer ruhig hinter sich bringt. Doch manchmal, leider, leider, stottert der Motor oder es „knirscht im Getriebe“. Auf diese Formulierung sollte man zurückgreifen, wenn etwas ganz und gar nicht nach Plan läuft, aber möglichst harmlos abgetan werden soll, wenn die Sprache darauf kommt. Denn „knirschen“ ist zwar ein zugegeben sehr hässliches Wort. Aber die Knirsch-Ursache lässt sich meistens relativ problemlos beseitigen, wenn man nur an den richtigen „Stellschrauben“ dreht oder das betreffende Getriebe mal richtig durchpustet und ölt.
„Wertschöpfungskette
anreichern“
‚Ne Wertschöpfungskette, was ist denn das? Da stellen wir uns mal ganz dumm. Und denken vielleicht an einen Popstar und viele kleine Blutsauger. Der Popstar steht auf der Bühne und singt. Blutsauger Eins nimmt eine CD mit ihm auf. Blutsauger Zwei organisiert eine Tournee und verkauft T-Shirts mit dem Bild des Popstars. Der Dritte bringt eine Biographie des Stars in den Buchhandel, der Vierte leiht ihn an eine Soap im Privatfernsehen aus. Der Fünfte lässt ein Computerspiel programmieren, in dem die Fans ihrem Idol nacheifern dürfen. Alle nuckeln ein bisschen hier und da am Popstar und verdienen gut daran. Und je mehr Blutsauger zugange sind, desto mehr lässt sich der Gesamtumsatz mit dem Star anreichern. Am Ende wird der gefeierte Sänger dann wieder ins Leben entlassen. Etwas blasser vielleicht, aber am Leben. Das klingt ein bisserl unappetitlich, das mit den Blutsaugern? O.k., lassen wir es bei der „Wertschöpfungskette“. Das klingt ein wenig technokratisch, aber doch viel produktiver und konstruktiver. Denn kann ein schlechter Mensch sein, wer Werte schafft? Eben. n
Erschienen in Ausgabe 5/2008 in der Rubrik „tipps für journalisten“ auf Seite 84 bis 86. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.