Willkommen bei „Frei sein“

Der Freie ist so etwas wie der Waschbär im Medienwald: Wahnsinnig verbreitet, stetig in Vermehrung – und dennoch in der öffentlichen Wahrnehmung ein Exot, ein Mysterium. Kaum einer weiß so recht, wie er lebt (und wovon), wo er sich den ganzen Tag herumtreibt und was er überhaupt für ein Typ ist. Stattdessen kursieren reichlich Klischees und Mutmaßungen: Eigenbrötler oder brotlos? Bohémien oder Bodenständler? Frei wie ein Vogel oder vogelfrei?

Signal für Vernetzung. Keine Berufsgruppe ist so zersplittert, versprengt und einzelgängerisch wie die der freien Journalisten in Deutschland. Man weiß wenig voneinander. Man hört in letzter Zeit aber von immer mehr Kollegen, die immer mehr Dinge rund um die eigene Arbeit verbesserungswürdig finden. Zeit, sich zusammenzusetzen, wie es viele andere Berufsgruppen auch längst tun. Ende Februar veranstalteten wir ein Treffen mit dem Arbeitstitel „Frei sein“ in der Akademie für Publizistik in Hamburg; trotz sehr kurzer Vorlaufzeit kamen 57 Leute: darunter Kollegen aus Netzwerken wie „Weltreporter“, „Autoren+Reporter“, „Schön+Gut“, „Plan 17“. Etliche weitere haben Interesse und Unterstützung angemeldet; der Mail-Verteiler umfasst mittlerweile mehr als 170 Namen.

Das Signal, das aus dem Treffen hervorging, ist klar: Der Schritt in die Professionalisierung der Berufsgruppe ist überfällig; der Schritt hin zu Vernetzung und Austausch auf bundesweiter Ebene.

Alle Anwesenden sprachen sich dafür aus, im Herbst ein weiteres, größeres Treffen anzuberaumen; einen Kongress, aus dem ein Verband hervorgehen soll; nicht als Konkurrenz zu DJV und Ver.di, sondern optimalerweise in Kooperation. Ein interessantes Vorbild ist die Fotografen-Organisation „Freelens“, deren Geschäftsführer Lutz Fischmann als Gast auf dem Treffen war.

Die an der Initiative Beteiligten sind Journalisten, die ihre freiberufliche Arbeit sehr gerne machen und die an qualitativ hochwertigen Journalismus glauben. Journalismus, der aufwendig ist und seinen Preis hat; der nicht zu einem Steckenpferd verkommen darf, das sich einige wenige leisten können, indem sie es sich aus anderen Einkünften querfinanzieren. Und sie sind sich einig: Auch auf Seiten der Freien selbst und ihrer Arbeit gibt es Verbesserungswürdiges.

Nicht Meckern und Jammern. Insofern ist die Initiative nicht als Aufruf zur Frontenbildung, zum Meckern oder Jammern zu verstehen; im Gegenteil: In ihrem Grundanliegen sehen sich die Initiatoren einig mit allen Beteiligten: den Redaktionen, die mittlerweile einen Großteil ihrer Beiträge von Freien beziehen und auf eine reibungslose und zuverlässige Zusammenarbeit angewiesen sind; die Verlage, die sich über Qualität positionieren müssen, und selbstverständlich die Leser und Zuschauer, die Qualität erwarten dürfen.

Darüber wird in letzter Zeit ja viel und ausgiebig diskutiert: Was ist Qualitätsjournalismus, woher kommt und wohin geht er, und wie lässt er sich dauerhaft finanzieren? Die freien Journalisten, die einen Großteil der Arbeit liefern, sind in diesen Debatten bislang die große, schweigende Masse; ein wesentlicher Aspekt der Thematik ist also ausgeblendet. Das wird jetzt anders. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, den Schritt in Richtung Professionalität und Normalität mitzugehen.

PS: Noch immer kursiert das Klischee, Waschbären seien Einzelgänger. Jüngere Forschungen aber belegen: Es handelt sich um eine gesellige Tierart mit sehr komplexem Sozialverhalten. Und ein „stabiles Waschbärvorkommen“, sagt Wildbiologe Ulf Hohmann, „ist offenbar ein Hinweis darauf, dass der Wald in Ordnung ist.“

Kontakt

Die drei Initiatoren zur Gründung einer neuen Freien-Organisation haben selbst bereits reichlich Erfahrung in beruflichen Netzwerken: Kai Schächtele und Felix Zimmermann sind Mitglieder des Netzwerks „Weltreporter“, Tobias Zick gehört dem Journalistenverbund „Plan 17“ an. Wer sich der Initiative „Frei sein“ anschließen möchte, sende eine eMail an: schaechtele@weltreporter.net, / zick@plan17.de oder zimmermann@weltreporter.net

Erschienen in Ausgabe 4/2008 in der Rubrik „Beruf“ auf Seite 62 bis 63 Autor/en: Kai Schächtele, Tobias Zick und Felix Zimmermann. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.