Kalt war es, als ich Ende Februar auf Spitzbergen war, um für „Vanity Fair“ über die dortige globale Samenbank zu berichten. Rund minus zwanzig Grad zeigte das Thermometer draußen an. In dem Schacht, in dem ich einen Großteil der Zeit verbrachte, war es zwar einige Grade wärmer, aber immer noch unter Null. In dem in einen Berg gebohrten Schacht auf Spitzbergen, nicht weit vom Nordpol entfernt, werden die Samen zahlreicher Nutzpflanzen eingelagert, damit diese auch noch in Hunderten von Jahren für Züchtungen genutzt werden können. Bisher sind viele Pflanzenarten nur in einer einzigen Samenbank eingelagert und das Risiko ist groß, dass diese für immer zerstört werden. Dazu reicht ein Stromausfall, der die Kühlung ausfällen lässt und so dazu führt, dass die Samen verderben. In dem Berg auf Spitzbergen herrschen auch ohne künstliche Kühlung stets ein paar Minusgrade. Cary Fowler heißt der Wissenschaftler, der der prominenteste Initiator der Samenbank auf Spitzbergen ist. Dementsprechend war ich nicht der einzige Journalist, der ihn interviewen wollte. Wie in solchen Fällen üblich, gibt es immer einige Kollegen, die sich ganz besondere Tricks einfallen lassen, um den Interviewpartner als erstes zu bekommen und dann möglichst lange in Beschlag zu nehmen. Das Schweizer Fernsehteam war besonders gewieft: Ehe wir Kollegen realisierten, dass die zwei wohl nicht beabsichtigten, mit uns einen Zeitplan für die Gespräche aufzustellen, waren das Team und der Wissenschaftler in einer der Kältekammern verschwunden, um dort das Gespräch zu filmen. Nach einer halben Stunde wurde der Pressesprecher, der darauf wartete, dass Fowler nun mit mir sprechen konnte, unruhig und machte sich auf, Fowler aus dem anderen Interview zu holen. Der Plan scheiterte gnadenlos, denn er musste feststellen, dass das Schweizer TV-Team sich kurzerhand mit dem Wissenschaftler in der Kältekammer eingeschlossen hatte, um lästige Kollegen, die ihn auch sprechen wollten, abzuhalten. Nach einer guten Dreiviertelstunde ließen sie Fowler wieder „frei“. Draußen warteten etliche saure Kollegen und ein aufgebrachter Pressesprecher. Das Schweizer Team aber hatte bekommen, was es wollte. Bei Minusgraden gefriert kollegiales Verhalten eben manchmal.
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Erschienen in Ausgabe 4/2008 in der Rubrik „Weltreport“ auf Seite 50 bis 50 Autor/en: Clemens Bomsdorf, Longyearbyen. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.