Die Axel Springer Akademie ist leergefegt. Alle Journalistenschüler sind heute auf einer Fortbildung bei der Pixelpark AG. Akademie-Chef Jan Eric Peters zeigt stolz die teuren Laptops der Schüler, das eigene kleine TV- und Hörfunkstudio und lobt den „einzig richtigen integrierten Newsroom“ im Verlag. Und lacht verschmitzt. Ist die ganze Akademie verlassen? Nein. In einem Büro sitzt Dennis Buchmann, 30. Der Diplom-Biologe hat den Kreativ-Wettbewerb „Scoop!“ gewonnen und ist seit drei Wochen bei der Akademie angestellt. Bereits im Frühjahr soll die erste Ausgabe seiner Zeitschrift erscheinen, die er gemeinsam mit Peters entwickelt.
Glückwunsch, Herr Buchmann! Ein eigenes Magazin entwickeln zu dürfen ist wohl der Traum jedes Printjournalisten.
Dennis Buchmann: Ja. Mal ganz salopp gesagt, ist das ganz schön abgefahren.
In Ihrer Zeitschrift „Humanglobaler Zufall“ soll es um „Menschen und ihre Geschichten in der globalisierten Welt gehen“. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Buchmann: Da hat es bei mir nicht auf einmal „Klick“ gemacht, sondern die Idee hat sich langsam entwickelt. Ich bin als Rucksacktourist viel herumgereist, beispielsweise durch Mittelamerika. Dabei habe ich auch viel über die Globalisierung gelesen und mir ist aufgefallen, dass es noch kein Periodikum gibt, das sich mit dem Thema beschäftigt.
Und die Ausschreibung für „Scoop!“ war nun die Gelegenheit, die Idee zu konkretisieren?
Buchmann: Als ich die Anzeige sah, war ich überrascht, wie einfach man sich da bewerben konnte. Eine Seite mit der Idee reichte, es war kein Businessplan notwendig.
Toll, wenn man bedenkt, dass Magazine ja sonst eher am Reißbrett geplant werden …
Jan-Eric Peters: Selbstverständlich werden viele Ideen erst mal von der Kostenseite geprüft. Jeder Verlag muss ja rechnen, ob ein Projekt am Ende auch Geld zurückbringt. Da sterben auch schöne Ideen. Mit „Scoop!“ führen wir unser experimentelles Mediensponsoring des Projektes der Literaturzeitschrift „Der Freund“ fort. Und wir setzen natürlich trotzdem alles dran, das Magazin auch wirtschaftlich erfolgreich zu machen.
Eine Seite reicht im Verlagsalltag aber wohl kaum aus, um mit einem Konzept zu begeistern, oder?
Peters: Stimmt, aber das war so von der Axel Springer Akademie gewollt. Die Kreativität sollte im Vordergrund stehen – also Geist und nicht Geld. Wir wollten eben gerade keine seitenlangen Konzepte, sondern bloß eine DIN-A4-Seite, denn die besten Ideen erklären sich ja meist fast von selbst. Und das hat uns dann auch sehr geholfen, weil wir fast 2.000 Bewerbungen durcharbeiten mussten.
Was stand denn auf Ihrer Seite, Herr Buchmann?
Buchmann: Der Titel „Humanglobaler Zufall“, das war ein spontaner Gedanke. Dass das Heft jetzt auch so heißen wird, ist natürlich toll. Und dann bin ich gleich mit einem Beispiel für eine Geschichte eingestiegen. Die dreht sich um einen Investmentbanker, den ich einmal kennengelernt habe. Der schob in London Millionen hin und her, und zog dann aus moralischen Gründen zurück in sein Heimatstädtchen und wurde Biosuppen-Unternehmer. Eine schöne Geschichte einer Wandlung vom Saulus zum Paulus. Die habe ich dann fiktiv weitergedacht, wie dieser Banker beispielsweise in London jeden Morgen seine Zeitung an einem Kiosk kauft, dessen Besitzer wiederum eine Geschichte zu erzählen hat. Und so weiter.
Das hat der Jury sofort eingeleuchtet?
Peters: Wir haben über die besten Ideen stundenlang diskutiert. 25 Vorschläge standen auf der Shortlist, fünf Kandidaten haben wir dann nach Berlin eingeladen, um ihre Idee vorzustellen. Und da hat uns Dennis Buchmanns vom „Humanglobalen Zufall“ überzeugt.
Der Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner spricht ja gelegentlich von gutem Journalismus als dem „Triumph des Geschichtenerzählens“. Wie wollen Sie ihre Protagonisten finden?
Buchmann: Ich brauche zunächst eine gute erste Geschichte, die recherchiere ich gerade. Alles Weitere ergibt sich daraus, die zweite Geschichte ist auch schon angedacht. Wie man das dann umsetzt – als Interview, Fotostrecke, Reportage oder Porträt – zeigt sich dann.
Der Aufwand wird entsprechend hoch sein bei Geschichten aus der ganzen Welt …
Peters: Ja, da werden wir schnell aus Deutschland heraus müssen, um Geschichten umzusetzen. Es wird viel vom Idealismus des Teams abhängen, ob das klappt. Aber wir haben beispielsweise schon tolle Fotografen für die Idee gewinnen können, die wir uns mit unserem Etat normalerweise nicht leisten könnten.
Wie weit steht das Konzept für das Heft insgesamt?
Peters: Wir arbeiten jetzt seit drei Wochen daran, eine grobe Struktur und ein vorläufiges Design existiert schon. Das Heft wird anders funktionieren als klassische Magazine, weil wir keine Ressorts haben werden. Alle Themenbereiche wie Politik, Kultur, Sport, Wirtschaft werden vorkommen, aber ineinander fließen. Man soll auch an der Heftstruktur erkennen, dass alles zusammenhängt.
Klingt nach einem poetischen „Economist“.
Peters: Ja, gerne. Wenn wir damit auch so erfolgreich sind …
Welche Rolle spielen multimediale Elemente?
Buchmann: Wir werden einen Internet-Auftritt haben, konzentrieren uns aber auf Print.
Peters: Beim Thema Vernetzung und Globalisierung fällt einem ja sofort das Internet ein. Insofern ist es ein gewisser Bruch, ein Dreimonats-Magazin zum Thema zu machen. Wir wollen die Welt einen Moment anhalten, sie entschleunigen. Ein paar hübsche Ideen fürs Internet haben wir natürlich, aber wir dürfen auch unseren Etat nicht außer Acht lassen.
War die Entscheidung für ein Print-Projekt eine strategische?
Peters: Nein, überhaupt nicht. In der Jury gab es dazu eine Diskussion. Die einen haben gefragt: Kann ein Printma- gazin in einem Haus gewinnen, in dem die Digitalisierung oben auf der Agenda steht und in deren Redaktionen das Prinzip Online First gilt? Die anderen haben gefragt: Muss in Europas größtem Zeitungsverlag nicht gerade ein Print-Projekt gewinnen? Unsere Antwort war eindeutig: Die beste Idee gewinnt, ganz unabhängig vom Medium! Und im Finale war dann auch alles dabei: Bewegtbild-Projekte, Internet-Konzepte, Zeitschriften. Auffällig war jedoch, dass die Hälfte aller Einsendungen Print-Ideen waren. Kreative hängen am Papier.
Ging es Ihnen auch so, Herr Buchmann?
Buchmann: Ich hatte zunächst auch an ein Internet-Projekt gedacht, hatte dann aber die Befürchtung, dass meine Idee da untergehen könnte. Und ein gedrucktes Magazin kommt schon hochwertiger daher. Beim Internet denke ich immer noch mehr an Quantität als an Qualität.
Herr Peters, eine halbe Million ist ja letztlich für eine Zeitschrift nicht viel Geld.
Peters: Eine halbe Million ist sehr viel Geld, aber sie wird tatsächlich nicht reichen. Deshalb kommt noch unentgeltliche, aber wertvolle Hilfe obendrauf. Das Preisgeld ist nur für die „Out-of-Pocket“-Kosten da – also Honorare beispielsweise oder Papierkosten. Die Kosten der eigenen Druckereien aber und die vielfältige Hilfe der Akademie und aus dem Verlag, etwa für Marketing, Vertrieb, leisten wir pro bono. Außerdem rechnen wir natürlich damit, dass wir Lesern und Anzeigenkunden ein so interessantes Angebot machen können, dass auch Geld hereinkommt. Als Art Director haben wir Mirko Borsche gewonnen, der dafür sorgt, dass „Humanglobaler Zufall“ nicht nur lesenswert ist, sondern auch großartig aussieht.
Erschienen in Ausgabe 1/2008 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 52 bis 53 Autor/en: Interview: Christian Meier. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.