„Hallo, wie geht’s Herr Klusmann“ – Teil 2
Schreckensmeldungen haben auch ihr Gutes: sie lenken ab. Seit beim Großverlag Gruner und Jahr in Hamburg Stellenstreichungen im dreistelligen Bereich kolportiert werden, gerät das „Gruner- und Jahr-Wirtschaftsmedien“ getaufte Spar- und Kooperationsprojekt aus dem Fokus der Aufmerksamkeit. Seit drei Monaten produziert das von den Standorten München, Köln und Frankfurt in Hamburg zusammengefasste Redaktionsteam die „Financial Times Deutschland“, „Capital“, Impulse und Börse Online – bislang ohne den Crash, den Kritiker dem von Chef-Chefredakteur Steffen Klusmann erdachten System vorausgesagt hatten.
Zwei Hamburger Ausgaben der Monatstitel „Capital“ und „Impulse“ sind inzwischen erschienen, doch mit Zahlen zu den einzelnen Titeln hält sich Klusmann, Sprecher des Chefredakteurskollegiums aller Titel, mit Ausnahme von „Capital“ noch zurück. „Von der ersten „Capital“-Ausgabe haben sich ersten Schätzungen zufolge 11000 Exemplare am Kiosk verkauft“, sagt er, „das ist für einen Unternehmenstitel ziemlich gut, insgesamt bin ich damit aber alles andere als zufrieden“.
Es habe, sagt er, mit dem personellen Wechsel auch Erwartungen gegeben, die sich so schnell nicht erfüllen könnten. „Bloß weil wir „Capital“ jetzt aus Hamburg machen, steigt nicht automatisch die Auflage sprunghaft an. Das wäre eine Illusion“, sagt Klusmann. „Bis ein Unternehmenstitel wie „Capital“ am Kiosk ähnlich gut läuft wie bei der Konkurrenz dauert es. Mindestens zwei Jahre.“ Die Konkurrenten haben im Einzelverkauf noch die Nase vorn: Das „Manager Magazin“ geht rund 20 000 Mal über die Theke, ebenso wie die allerdings häufiger erscheinende „Wirtschaftswoche“. „Brand eins“ verkauft sich am Kiosk rund 30 000 Mal, eine Zahl, die höher liegt, als der Abonnentenbestand.
In den kommenden Monaten will Klusmann stärker als sein Vorgänger Klaus Schweinsberg bei „Capital“ auf Unternehmensgeschichten setzen und Service nur noch punktuell anbieten. „Wir müssen beweisen, dass wir als Wirtschaftsmagazin in allen Bereichen kompetent und glaubwürdig sind. Das funktioniert nur, wenn wir uns auch trauen, mal keinen Nutzwert auf den Titel zu setzen“, sagt er. „Nutzwert muss etwas Besonderes bleiben.“
Die erste Unternehmensgeschichte aus Hamburg, an der auch Klusmann mitgeschrieben hatte, erwies sich für „Capital“ allerdings als Missgriff. Auf dem Titel, der den Chef der Deutschen Bank zeigte, hatte der Chefredakteur „Die Erblast des Josef Ackermann“ getextet – nur wenige Tage, bevor Ackermann seinen Vertrag bis 2013 verlängerte. „Da hatten wir Pech“, sagt Klusmann, „Ich war zu unvorsichtig mit der Zeile, in der Geschichte selbst hatten wir ja geschrieben, dass sich die Signale für einen Verbleib von Ackermann an der Spitze mehren – aller Dementis zum Trotz.“
Trotz des irrigen Titels waren die Reaktionen auf das erste Klusmann-„Capital“ in den Medien positiv. Ein Kollege eines anderen Magazins habe ihm zum Heft gratuliert und bemerkt, „Capital“ sei jetzt wieder ein Wirtschaftsmagazin und keine Illustrierte mehr.
Ob die kolportierten Stellenkürzungen bei Gruner und Jahr auch die sowieso schon ausgedünnte Wirtschaftsmedien betreffen werden, weiß Klusmann angeblich noch nicht. Umso unmissverständlicher formuliert er seine Einschätzung des Sparpotenzials bei seinen eigenen Wirtschaftstiteln: „Personell sind die Gruner- und Jahr-Wirtschaftsmedien immer noch ein ambitioniertes Projekt“, sagt er. „Mit viel weniger Leuten kann man das hier nur schwerlich machen.“
Info: in der Rubrik PROJEKT -„Wie geht´s Herr Klusmann?“ hinterfragt „mediummagazin“ regelmäßig die Entwicklung in der neuen Groß-Wirtschaftredaktion von G+J seit ihrem Start im März.
Erschienen in Ausgabe 06/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 11 bis 11. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.