Dass man mit einer guten Marke und Qualitätsjournalismus im Internet Geld verdienen kann, beweist seit einem Jahr die Westschweizer Zeitung „Le Temps“. Seit Januar 2011 läuft bei „Le Temps“ ein „sanftes“ Bezahlmodell. Die Leser können auf zehn Artikel kostenlos zugreifen, erst dann fällt die Bezahlschranke. Sie kostet für den Zugang zur Website 26 Franken im Monat, für den vollen Zugang auf allen digitalen Geräten 32 Franken. Nach wie vor lassen die Schweizer große Löcher in der Bezahlmauer. Wer über Google oder soziale Netzwerke auf die Artikel kommt, liest kostenlos.
„Es ist ein klarer Erfolg“, sagt Virginie Fortun, Vorstandsmitglied und zuständig für die strategische Entwicklung von „Le Temps“. Die Abo-Erlöse erhöhten sich um 300 Prozent, die Werbeeinnahmen um 28 Prozent. Die Zahl der Online-Abonnenten habe sich verdreifacht, von 900 auf heute 2.700 Abos.
Zwar hat „Le Temps“ Besucher auf den Internetseiten verloren (PI’s minus 33 Prozent, Visits minus 18 Prozent). Doch habe man diesen Rückgang durch einen besseren Verkauf der Werbeflächen im Netz aufgefangen, wo man bisher noch unter Niveau gearbeitet hatte.
Bisher haben sich laut Fortune 56.000 Nutzer auf der Webseite von „Le Temps“ registriert. „Dadurch haben wir auch eine große Menge an Nutzerdaten angesammelt“, so Fortun. Diese können vielfach genutzt werden, etwa für individualisierte Werbekonzepte.
Zusätzlich gibt es seit November eine iPhone-App und demnächst Apps, um die Zeitung aufs digitale Tablet zu bringen.
Der Erfolg liegt, so steht zu vermuten, am Alleinstellungsmerkmal, den die Zeitung hat. Sie ist die einzige französischsprachige Qualitätszeitung in der Schweiz. Dies nutzt das Blatt auch im Online-Geschäft, indem es auf „hochwertige Inhalte und Dienste“ setzt und sich als einzigartige Marke präsentiert.
Virginie Fortuns Fazit nach einem Jahr Paywall: „Wir denken definitiv, dass die Debatte über die Kannibalisierung vorbei ist und dass es zur Monetarisierung der Inhalte keine Alternative gibt.“
Virginie Fortun, Vorstandsmitglied von „Le Temps“
Erschienen in Ausgabe 04+05/202012 in der Rubrik „Medien und Beruf“ auf Seite 35 bis 35. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.