LSR: Der Alptraum aus dem Justizministerium
…oder warum der aktuelle Entwurf für das Leistungsschutzrecht (LSR) ein „Frontalangriff auf die Netzkommunikation“ ist. Medienrechtler Stephan Zimprich über die Fallstricke und möglichen Konsequenzen:
„Es war von Anfang an klar, dass es nicht leicht sein würde, das Leistungsschutzrecht für Verleger in eine greifbare Form zu gießen – zu abstrakt ist das, was geschützt werden soll, und zu umstritten die Einzelheiten. Der nun vorliegende Entwurf gibt allen Kritikern recht, die die Probleme von Anfang an für zu groß hielten.
In seiner derzeitigen Form ist der Entwurf ein Frontalangriff auf die Netzkommunikation.
Nach dem Entwurf soll der Presseverleger das ausschließliche Recht haben, dass Presseerzeugnis öffentlich zugänglich zu machen. Nach allgemeiner Definition liegt ein Zugänglichmachen dann vor, wenn ein Werk zum Abruf bereitgehalten wird oder wenn es an einen Nutzer übertragen wird. Das „Werk“, um das es hier gehen soll, ist die „redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge im Rahmen einer unter einem Titel auf beliebigen Trägern periodisch veröffentlichten Sammlung“ – eine Sammlung von vagen Begriffen, die viel Raum für Interpretation lässt.
Die Begründung des Entwurfs nimmt zudem explizit Bezug auf die „Metall-auf-Metall“-Entscheidung des BGH, in der das Gericht einem Tonschnipsel von zwei Sekunden Länge Schutz gewährt hatte. Übertragen auf die „Festlegung“ kann das nur so aufgefasst werden, dass auch einzelne Wort- und Begriffskombinationen geschützt sein sollen. Dies ist extrem bedenklich und könnte auf eine Monopolisierung kleinster Sprachfetzen hinauslaufen.
Der Autor:
Stephan Zimprich ist Rechtsanwalt in Hamburg und ehemaliger Redakteur der „Financial Times Deutschland“. Er beschäftigt sich vor allem mit den rechtlichen Fragestellungen rund um digitale Medien und ihren Vertrieb und schreibt als Kolumnist regelmäßig in „medium magazin“ über aktuelle Rechtsprobleme. In der aktuellen Ausgabe 6-2012 erklärt er 15 Fragen zum Urheberrecht und Leistungsrecht. Den Beitrag finden Sie im kostenfreien epaper.
Genau aus diesem Grund hatte der Gesetzgeber in dem vergleichbaren Leistungsschutzrecht des Datenbankherstellers signifikante Einschränkungen vorgesehen. So erstreckt sich dort der Schutz nur auf den „wesentlichen Teil“ der Datenbank bzw. auf eine Auswertung der Datenbank, die über die normale Nutzung hinausgeht. Konsequenterweise greift das Recht nicht, wenn nur geringe Teile oder einzelne Inhalte der Datenbank betroffen sind.
Es ist nicht nachvollziehbar, dass das Leistungsschutzrecht für Presseverlage keine vergleichbare Beschränkung vorsieht, beispielsweise auf die Übernahme eines wesentlichen Teils des Presseprodukts, oder auf die automatisierte Auswertung – letzteres hätte den Vorteil, dass Aggregatoren erfasst würden, nicht aber „händische“ Nutzungshandlungen.
Die Begründung mogelt sich auch um das Verhältnis zur Verlinkung herum: Nach dem BGH („Paperboy“) liegt bei einer Verlinkung kein Eingriff in das Urheberrecht des Verlinkten vor – dies aber nur deshalb, weil erst durch einen Klick auf den Link das geschützte Werk – dann auf dem Rechner des Abrufenden – zugegriffen wird, der Link selbst aber noch keinen urheberrechtlichen Schutz genießt.
Durch das Leistungsschutzrecht wird nun aber der Schutzgegenstand derart erweitert, dass auch kleinste Bestandteile wie Überschriften rechtlich relevant sind – dies wäre jedenfalls die Konsequenz aus dem „Metall-auf-Metall“-Urteil.
Wenn beispielsweise die Überschrift eines Artikels in einem Link enthalten ist, kann die Verlinkung künftig als Eingriff in das Leistungsschutzrecht bewertet werden; und dann läge es im Belieben der Verlage, durch eine entsprechende Linkgestaltung das Paperboy-Urteil auszuhebeln.
Dies betrifft übrigens auch die Verlinkung in Social Networks wie Facebook oder Xing: Setzt man dort einen Link, wird innerhalb von Facebook eine kurze Vorschau der Webseite angezeigt – nach dem neuen Recht ein Eingriff, für den man jedenfalls als beruflicher Nutzer zahlen muss.
Hier wird auch die technologie- und kommunikationshemmende Funktion des Entwurfs deutlich: Wenn Facebook & Co. künftig nicht das Risiko der Störerhaftung eingehen wollen, weil sie mit der Bereitstellung einer entsprechenden Funktionalität einen Verursachungsbeitrag leisten, muss die Vorschaufunktion abgeschaltet werden.
Es gibt noch zahlreiche weitere Kritikpunkte, wie die weitreichende Vorstellung des Gesetzgebers zur Gewerblichkeit und das problematische Verhältnis zum Urheberrecht.
Zwar stellt der Entwurf klar, dass das Recht nicht zum Nachteil des Urhebers geltend gemacht werden darf – dies dürfte aber nur heißen, dass kein Urheber für seine eigenen Texte Lizenzgebühren zahlen muss.
Die eigentlichen Probleme entstehen für Journalisten aber dort, wo sie um den Absatz ihrer Produkte kämpfen: Künftig wird kein Zweitabnehmer mehr sicher sein können, neben dem urheberrechtlichen Nutzungsrecht nicht auch noch Leistungssschutzlizenzen für einen Text erwerben zu müssen. Da sich die Einnahmesituation nicht verändert, wird dies in der Kalkulation zwangsläufig dazu führen, dass die Honorare für Zweitverwertungen weiter sinken.
Problematisch für freie Journalisten könnte auch die Vorschrift sein, nach der die Urheber an den Einnahmen angemessen beteiligt werden sollen. Offenbar soll diese Beteiligung Teil der gesetzlich geforderten „angemessenen Vergütung“ der Urheber sein. Das könnte dazu führen, dass Honorare genau um den Betrag gekürzt werden, der über die Beteiligung wieder hereinkommt – schließlich waren die Honorare ja schon bislang Ausdruck der „angemessenen Vergütung“.
Man kann nur hoffen, dass das Justizministerium sich besinnt und noch einmal nachbessert – ansonsten muss wohl das Bundesverfassungsgericht dafür sorgen, dass aus dem Alptraum ein Schauermärchen wird.“