Strategische Fragen

Kennen sie diese Situation? Sie sitzen in einer Konferenz, machen gleich zu Beginn einen bahnbrechenden Themenvorschlag. Nur dummerweise erntet das keinen Beifall, sondern nur Bedenken. Die Diskussion geht weiter, neue Themen werden gedreht und gewendet, gegen Ende meldet sich ein Kollege zu Wort mit einer Idee – die nahezu identisch ist mit Ihrem Anfangsvorschlag. Nur etwas anders verpackt. Alle klatschen, der Kollege wird gelobt, und Sie fragen sich irritiert: Habe ich chinesisch geredet?

Als ich diese Situation vor einigen Monaten mal während einer Tagung mit rund 100 Journalistinnen schilderte, nickten rund drei viertel der Anwesenden, lebhaft zustimmend. Und viele gerade der jüngeren Kolleginnen erzählten anschließend: „Ja, genau so ist mir das auch schon mal passiert.“ Eine typische Situation also, immer noch. Woran liegt´s bloß? Womöglich daran, dass Frauen sachorientiert, aber in eigener Sache zu wenig strategisch denken?

Wir haben für diese Ausgabe der „Journalistin“ deshalb das alte und doch immer wieder aktuelle Thema „Macht“ in den Mittelpunkt gestellt. „Wer nicht macht, der wird gemacht. Und Macht ist auf den Chefetagen angesiedelt“, sagt eine unserer Autorinnen, Elenor Pospiech zu Recht (Seite 9). Nur haben Chefredakteurinnen nach wie vor Seltenheitscharakter in der Branche, vor allem bei den Tageszeitungen. „Manchmal“, so sagt die neue „taz“-Chefin Ines Pohl, „muss man eben renitent sein“ (Seite 4 ff.).

Dies in Kombination mit strategischer Planung und Analyse der eigenen Stärken ist keine Worthülse, sondern dringende Notwendigkeit. Das zeigt auch eine aktuelle DJV-Studie zur Situation der freien Journalistinnen und Journalisten – mit dem Ergebnis: „Die Berufsgruppe wird weiblicher und älter, ist besser ausgebildet – aber das Einkommen stagniert im Realwert bzw. geht leicht zurück.“ (Im Internet nachzulesen unter http://bit.ly/A35BF) . Mit Klagen lässt sich das aber nicht ändern. Zeigen Sie also Mut – auch zu Macht & Verantwortung.

Erschienen in Ausgabe Journalistin 2009/20Journalistin 2009 in der Rubrik „Editorial“ auf Seite 3 bis 3. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.