Der Nachhall in der Branche war enorm, als die „taz“ Anfang April in einer mehrseitigen Strecke die Schleichwerbepraxis einiger deutscher Verlagshäuser enthüllte. Der „taz“-Redakteur Sebastian Heiser hatte aufgedeckt, dass Sonderbeilagen mancher Verlage etwa als „Verlagssonderveröffentlichung“, nicht aber, wie eigentlich vorgeschrieben, als „Anzeige“ gekennzeichnet wurden. Auch abgesehen davon berichtet die „taz“ regelmäßig über Schleichwerbung in der Medienbranche und kennzeichnet im eigenen Reiseteil Texte, deren Recherchereise von einem Veranstalter finanziert wurde.
Doch nicht überall nimmt es die „taz“ so genau. Etwa bei der Kennzeichnung von Beilagen, die durch Dritte finanziert wurden. Diese „taz Themen“ erscheinen regelmäßig, die Aufhänger reichen von „Anthroposophie“ über „Geld & Versicherungen“ bis hin zu „Mobilität“. Und sie erinnern von Layout bis „taz“-Logo an ganz normale „taz“-Seiten.
Die Beilagen werden von einer externen Redaktionsagentur betreut, dem Berliner Medienbüro Mitte, ein Team aus Journalisten und „PR-Redakteuren“. Auch die im Februar 2011 veröffentlichte „taz“-Beilage „Biofach und Vivaness“ kommt von dort. Darin findet sich etwa ein Interview mit dem Gepa-Produktmanager Hans Jürgen Wozniak – auf derselben Seite wie eine Werbeanzeige des Lobbyverbands Forum Fairer Handel – Gepa ist dort Mitglied. Und der Lobbyverband ist wie die „taz“ Kunde des Medienbüros.
Auf seiner Internetseite schreibt das Medienbüro Mitte, man verfasse auch Interviews für seine Auftraggeber. Den Gepa-Produktmanager Wozniak interviewte der Medienbüro-Mitarbeiter Lars Klaaßen, verantwortlich für die Redaktion der Beilage „Biofach & Vivaness“. Auf Anfrage nahm Klaaßen zwar Stellung zum Inhalt der Beilage, wollte mit seinen Aussagen jedoch nicht zitiert werden. Die „taz“-Chefredaktion erklärte, es bestehe „kein Zusammenhang zwischen der Anzeige von Forum Fairer Handel und dem erwähnten Interview“. Zwar sei das Forum Fairer Handel „(Anzeigen)Kunde der TAZ Verlags- und Vertriebs GmbH“, das Interview sei jedoch „rein redaktioneller Natur“ gewesen.
Texte mit Beigeschmack
Arno Weyand, Referent des Deutschen Presserates, sagt hierzu: „Generell sind solche Verflechtungen immer eher fragwürdig“, Inhalte von externen Redaktionsagenturen hätten nicht selten einen gewissen Beigeschmack. Die auch vom Presserat für maßgeblich erachteten Richtlinien des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft zu redaktionell gestalteten Anzeigen halten fest, dass Anzeigen, die in „Gestaltung oder Formulierung wie ein Beitrag des redaktionellen Teils“ erscheinen, ohne „für den flüchtigen Durchschnittsleser“ den „Charakter einer entgeltlichen Veröffentlichung“ erkennen zu lassen, „irreführend“ und „unlauter“ sind. Alles Punkte, die auch Heiser bei seinem Investigativstück wichtig waren.
Unschärfen wie diese gab es bei der „taz“ schon früher. So 2006, als der „taz“ vier ganzseitige Sonderveröffentlichungen des Freiburger Öko-Instituts beilagen, das häufig im Auftrag von Großkonzernen tätig ist. Die Beilagen befassten sich mit dem Projekt „EcoTopTen“, bei dem auch Deutsche Bahn und Deutsche Telekom involviert waren. In einer der Öko-Institut-Beilagen von Oktober 2006 heißt es: „EcoTopTen wird vom Öko-Institut getragen. Christiane Rathmann interviewte Kathrin Graulich und Rainer Grießhammer, die Projektleiter der Kampagne.“ Rathmann ist keine „taz“-Autorin, sondern die Pressesprecherin des Öko-Instituts. Ein Problem sieht man darin bei der „taz“ nicht, das „Advertorial“ sei „entsprechend gekennzeichnet“. Fakt ist: Obendrüber steht „Sonderveröffentlichung des Öko-Instituts e.V.“, nicht aber, wie vorgeschrieben, „Anzeige“.
In einer vom Öko-Institut verfassten Evaluation der Pressearbeit des Projekts „EcoTopTen“, in der im Zusammenhang mit den „taz“-Beilagen von „halbredaktionellen Beilagen“ die Rede ist, brüstet sich das Institut sogar mit der Ähnlichkeit seiner Beilage mit den normalen „taz“-Seiten. „Das Öko-Institut hat vier einzelne Sonderveröffentlichungen zu EcoTopTen gestaltet, die sich bezüglich Satz und Layout den „taz“-Seiten anpassten“, heißt es dort.
Einen Verstoß gegen die Vorschrift, dass bezahlte Inhalte von redaktionellen Inhalten auch optisch unterscheidbar sein müssen, sieht man bei der „taz“ nicht. Zwischenzeitlich, so die Auskunft, hat sich die „taz“ klare Richtlinien für die optische Gestaltung von Advertorials gegeben. „Heute würden wir ein Advertorial nicht mehr in dieser Form veröffentlichen“, erklärt „taz“-Anzeigenverkaufsleiter Jan Kniggendorf.
Marvin Oppong
Erschienen in Ausgabe 01+02/202012 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 9 bis 9. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.