Die Abgrenzung von bezahlter und unbezahlter Kommunikation gehört seit Jahren zu den Dauerbrennern im Verhältnis von Redaktionen und Kommunikatoren von Unternehmen und Verbänden. Bezahlte Kommunikation verschafft sich Aufmerksamkeit oder zumindest Platz jenseits von Nachrichtenrelevanz oder originärem Interesse von Redaktionen. Pressearbeit hingegen muss Informationen so anbieten, dass sie der von den Medien selbst eingeschätzten Relevanz entsprechen. Das bedeutet, gegebenenfalls auch seine eigene Kommunikationsagenda zugunsten öffentlich relevanter und von Medien nachgefragter Themen zu verlassen und sich solchen Themen zu stellen, die man selbst niemals zum Gegenstand der eigenen Kommunikation gemacht, für die man mithin auch niemals Platz erkauft hätte.
Widerspruch in Theorie und Praxis.
Es liegt deshalb auf der Hand, dass die saubere Trennung beider Disziplinen einer Unternehmenskommunikation eine absolute Notwendigkeit darstellt – nicht zwingend in der organisatorischen Gliederung, aber in jedem Falle im praktischen Handeln. Denn es gibt – wer wollte das bestreiten – einen ständigen Anreiz, die Grenze zu überschreiten und seine Themen unter dem Deckmantel eines unabhängigen Journalismus zu platzieren. Schließlich unterliegen Unternehmenskommunikatoren angesichts steigender Informationsflut einem immer heftigeren Wettbewerb um die Aufmerksamkeit des Publikums. Und zugleich sind die Methoden der Erfolgsmessung in fast allen Unternehmen deutlich verfeinert worden.
Diesen Druck in geordnete, ethisch verantwortbare Bahnen zu lenken, ist etwa das Anliegen des Code de Lisbonne: „Public-Relations-Aktivitäten müssen offen durchgeführt werden. Sie müssen leicht als solche erkennbar sein, eine klare Quellenbezeichnung tragen und dürfen Dritte nicht irreführen.“ So weit, so gut. Wir alle wissen, dass dagegen nicht selten verstoßen wird. Eine ganze Reihe von markanten Beispielen ist in den letzten Jahren dokumentiert, kommentiert und in einzelnen Fällen zu Recht auch sanktioniert worden.
Unsitte der Medienkooperationen.
In den letzten Jahren hat sich der Blick vor allem darauf gerichtet, ob und wie Unternehmenskommunikatoren dieser Verantwortung gerecht geworden sind. Es wird nach meiner Einschätzung aber zu wenig darauf geachtet, in welcher Weise Medien die Einhaltung dieser Ethikstandards respektieren und unterstützen. Zunehmend entwickeln Medien – oder präziser: Verlage – Angebote, bei deren Annahme der Verstoß gegen den Code de Lisbonne gleichsam eingebaut ist.
Das ist etwa der Fall, wenn neben Anzeigenbelegungen in Mediadaten ganz offen „Redaktionelle Kooperationen … Nach Absprache“ angeboten und ohne Bedenken bepreist werden. Oder wenn namhafte deutsche Verlagshäuser Angebote unterbreiten, man könne im Wege von Medienkooperationen Anlässe, Umfragen, Veranstaltungen oder andere Events schaffen, über die die eigenen Redaktionen schon in gebührender Weise berichten würden. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Es handelt sich nicht um die Angebote der Redaktionen, sondern der Vermarkter der jeweiligen Verlage. Bei großen, seriösen Verlagen sind sicher Zweifel angebracht, dass der versprochene Einfluss auf die eigene Redaktion von der Vermarkterseite tatsächlich geltend gemacht werden kann. Unethisch ist aber beides – das erfolgreiche Angebot der Einflussnahme ebenso wie die Entgegennahme einer Leistung für einen, zum Glück, nicht erfolgreichen Versuch der Einflussnahme.
Das Problem steigt.
Der wirtschaftliche Druck lässt vor allem kleinere Verlage über immer neue innovative und nicht offene Platzierung von bezahlter Kommunikation nachdenken. Und neue, vor allem Online-Medien schaffen immer schwerer zu durchschauende Gelegenheiten und immer mehr Intransparenz, ob sie klassischem Journalismus zuzurechnen sind und sich dessen Anforderungen stellen. Natürlich wächst mit der Unübersichtlichkeit und der wachsenden Zahl von Gelegenheiten die Verantwortung der Unternehmenskommunikatoren. Es steigt der Bedarf, sich selbst immer neue Fallgestaltungen regelmäßig auf ihre ethische Relevanz hin vor Augen zu führen und Mitarbeiter ständig dafür zu sensibilisieren. Vielleicht sollte aber auch das Bewusstsein der Verlage und ihrer Mitarbeiter steigen, Unternehmenskommunikatoren nicht in Versuchung zu führen, gegen PR–Standards zu verstoßen. Für die Redaktionen gibt es den Pressekodex. Wie wär‘s mit einem entsprechenden Kodex – einer Selbstverpflichtung, die Einhaltung der ethischen Standards in der PR (Code de Lisbonne) zu respektieren und zu unterstützen – auch für die Vermarkter der Verlage?
Christian Achilles ist seit 2000 Leiter Kommunikation und Medien des Deutschen Sparkassen– und Giroverbandes.
Erschienen in Ausgabe 04+05/2011 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 26 bis 29 Autor/en: Christian Achilles. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.