365 Tage frei
Die Vorstellung von absoluter Freiheit und Flexibilität in der Selbstständigkeit verlockt. Doch wie sieht der Alltag wirklich aus? Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem ersten Jahr als freie Journalistinnen. Den gesamten Beitrag inklusive aller Tipps können Sie in der „medium magazin“- Ausgabe 04/24 lesen.
Text: Antonia Groß & Elena Matera
Lieblingsthemen bearbeiten – und zwar nur noch. Zu völlig flexiblen Arbeitszeiten recherchieren und produzieren. Und das alles ohne Chef:in im Nacken. So schön haben wir uns das Arbeiten als freie Journalistinnen vorgestellt, wenigstens so ähnlich. In unserem ersten Jahr als Selbstständige haben wir beide festgestellt: Stimmt alles! Das Leben als Freie ist großartig – aber es ist eben auch das: ein Leben als Freie. Lohnarbeit und Privates lassen sich noch schlechter trennen als ohnehin schon.
Denn was das Modell im Journalismus an Erleichterung, Freiheit und Motivation mit sich bringt, raubt es an anderer Stelle wieder: keine Krankschreibung mehr, keine Redaktionskonferenzen, kein Zwischen-Schnack mit den Kolleg:innen. Dazu mitunter das Gefühl, mit schlechten Honoraren, unzuverlässigen Auftraggeber:innen oder auch Hassnachrichten allein zu sein. Die wenigsten dieser Themen dürften Festangestellten völlig unbekannt sein, aber der Grat, auf dem wir als freie Journalistinnen balancieren, war vor allem in den ersten Monaten oft noch schmaler als erwartet. Trotzdem sind wir beide heute immer noch überzeugt und haben aus unseren ersten 365 Tagen als Freie viel gelernt.
1. Am Anfang Zeit nehmen
Gleich zum Start in die Selbstständigkeit mit Aufträgen überhäuft zu werden, das ist weder realistisch noch machbar. Stattdessen stehen zu Beginn vor allem viele Fragen auf der To-do-Liste. Wie viel Geld brauche ich im Monat? Für welche Medien kann und will ich arbeiten? Wie komme ich in die Künstlersozialkasse? Brauche ich eine Homepage? Ein Diensthandy? Anderes technisches Equipment? Und benutzt noch wer Visitenkarten!? Um solche Dinge in Erfahrung zu bringen, braucht es Zeit.
Tipp: Mit einem Puffer starten! Zum Beispiel dem Gründungszuschuss – einer finanziellen Hilfe der Agentur für Arbeit. Wir haben sie beide bekommen. Leider ist eine Voraussetzung dafür der Anspruch auf Arbeitslosengeld 1. Wer vor dem Um- oder Einstieg in die Selbstständigkeit ein privates Polster aufbauen oder in Kombination mit einer Teilzeitstelle loslegen kann, verschafft sich Zeit, um die Fragen nach und nach für sich zu klären.
2. Erfahrungen teilen
Es geht eigentlich nicht ohne Vernetzung: Schon vor dem Start ist es sinnvoll, Workshops und Konferenzen zu besuchen und mit anderen Freien über ihre Erfahrungen zu sprechen – ohne sich davon komplett verunsichern zu lassen. Es kursieren ganz schön viele Schreckensgeschichten über das Leben als Freie. Was wir gelernt haben: Es gibt viele Varianten, frei zu arbeiten. Jede macht ihre eigenen Erfahrungen. Jeder muss seinen eigenen Weg finden. Wir finden: Wer immer wieder damit liebäugelt, frei zu arbeiten, sollte es ausprobieren.
Tipp: Es hilft, sich mindestens einen virtuellen oder analogen Raum zu schaffen, in dem sich andere Freie bewegen. An dem es Platz gibt, um sich einfach mal auszulassen oder konkrete Fragen zu stellen. Sucht euch diesen Raum etwa bei Gewerkschaften und Verbänden, über Fachtage und Konferenzen, in Mailverteilern und auf Stammtischen.
3. Listen, Listen, Listen
Uns hat es geholfen, sozusagen als Auftakt der Arbeit, eine Liste mit Themen zu erstellen. Für ein paar Tage war das die Hauptaufgabe: viel lesen, recherchieren, brainstormen, Ideen für das erste Jahr aufschreiben – und Redaktionen, zu denen die Geschichten passen könnten.
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Den vollständigen Beitrag von Antonia Groß und Elena Matera können Sie im neuen „medium magazin“ 04/24 lesen. Er ist teil des SPEZIALS „Cash für Freie“. Denn so schön die Selbstständigkeit sein kann, sie hat einen Preis, den man sich leisten können muss. Welchen Tagessatz soll man aufrufen? Wie muss man für das Alter vorsorgen? Wie funktioniert die VG Wort? Und kann man mit Texten im Ausland noch einmal Geld verdienen? Außerdem klären wir in dieser Ausgabe die Frage, welche Geldquellen dem Journalismus helfen – und welche ihn gefährden. Beispiel dpa: Die Deutsche Presse-Agentur feiert ihren 75. Geburtstag bescheiden mit Bratwurst und Festschrift. Gleichzeitig entbrennt eine Diskussion über staatliche Fördergelder und deren Einfluss auf die Unabhängigkeit des Medienunternehmens. Zudem liefern wir spannende Einblicke in die Branche. „Zeit“-Investigativchef Holger Stark etwa kritisiert: „Wir Blicken viel zu selten in den Maschinenraum der Macht.“ Was er über Anwälte wie Christian Schertz und die „Correctiv“-Recherche zum Treffen in Potsdam denkt, können Sie jetzt im Interview lesen: Das neue „medium magazin“ ist ab sofort digital oder als Printausgabe hier erhältlich oder im ikiosk.