08 – Kategorie Wirtschaft
1 Beat Balzli, Klaus Brinkbäumer, Ullrich Fichtner, Hauke Goos, Thomas Hüetlin, Christoph Pauly, „Der Spiegel“:
Die Bgründung der Jury: „… für die „Spiegel“-Titelgeschichte „Die gefährlichste Firma der Welt“ (29/2009) über den US-Versicherungskonzern AIG – das durch die ressortübergreifende Team-Zusammenarbeit auch für Nicht-Fachleute zum herausragenden Erklärstück zu den Hintergründen und Weiterungen der Weltwirtschaftskrise wurde.“
Die Laudatio (O-Ton) auf die ersten drei Preisträger am 14.01.2010 von Jury-Mitglied Wolfgang Kaden, ehemals u.a. Chefredakteur von „Spiegel“ und „manager magazin“:
[audio:http://www.mediummagazin.de/wp-content/uploads/20-Wolfgang-Kaden-Laudatio-Wirtschaft.mp3]
Der dritte Platz fiel an Martin Seiwert, Thomas Katzensteiner und das Reporterteam der Wirtschaftswoche, das mit den Recherchen zu den Finanz-Transaktionen bei Porsche eine Untersuchung der Bundesfinanzaufsicht ausgelöst hat.
Auf den zweiten Platz wählten die Juroren Klaus Ott von der Süddeutschen Zeitung, der auch im abgelaufenen Jahr kaum einen Wirtschaftsskandal in unserem Land ausgelassen hat und an mancher Enthüllung beteiligt war.
Ganz oben auf dem Siegerpodest steht ein Team – wieder mal ein Team! – des SPIEGEL: Beat Balzli, Klaus Brinkbäumer, Ullrich Fichtner, Hauke Goos, Thomas Hüetlin und Christoph Pauly. Die Sechs haben im Juli dieses Jahres ein 16seitiges Stück über die Vorgeschichte und den Zusammenbruch des amerikanischen Versicherungskonzerns AIG veröffentlicht. „Die gefährlichste Firma der Welt“ stand auf dem Titel. Die Überschrift lautete: „Im Hauptquartier der Gier“.
Ich darf für mich sagen, dass ich bis zur Lektüre dieses Titels vieles über die Finanzkrise gelesen habe, in den Tageszeitungen, in Magazinen, im Internet. Dass ich auch selber Gespräche mit Bankern geführt und über den Mega-Crash geschrieben habe. Dennoch war diese Geschichte für mich ein Augenöffner, weil sie in akribischer Einzelrecherche zutage förderte, wie das AIG-Management die Wirtschafts- und Finanzwelt mit unfassbarer Skrupellosigkeit beinahe in den Abgrund gestürzt hätte – wenn der amerikanische Steuerzahler nicht jene 182 Milliarden Dollar aufgebracht hätte, die für die Rettung von AIG bislang bereit gestellt wurden.
Was die Arbeit der Kollegen auf den ersten Platz gehoben hat, das ist zum Einen die detailliert Recherche, die in dieser Genauigkeit wohl nur ein Team leisten kann. Auch wenn die Haupttäter nicht bereit waren zu reden, fanden sich im Umfeld wichtige Gesprächspartner, um die Entscheidungsprozesse in diesem Konzern nachzeichnen zu können. Das Andere, was diese Story preiswürdig macht, ist das beispielhafte Bemühen, die Geschäfte, die schließlich im Desaster mündeten, verständlich zu machen, auch für finanzwirtschaftlich nicht bewanderte Leser. Wer diese Geschichte gelesen hat, der weiß: Banking ist ein ziemlich schlichtes Gewerbe.
Schließlich, und nicht zuletzt, ist es die Dramaturgie und die Sprache, die diesen Beitrag zu einem ganz besonderen machen. Dem Leser wird eine streckenweise virtuos formulierte Mischung aus sachlicher Analyse und Reportage, aus Kommentar und Erklärstück geliefert. Das ist für mich allerfeinster, moderner Magazin-Journalismus.
Vieles wird gut erklärt, wird verständlich gemacht. Aber Fragen bleiben. Auch für die Autoren. Sie wundern sich zu Recht, warum der Konzern die ersten 62 Milliarden Dollar, die der Staat an AIG überweist, ohne irgendwelche Verhandlungen an die Großbanken überwiesen hat, die bei ihm Kredite versichert hatten. Normal sei es doch, solche Verbindlichkeiten angesichts der extremen Notlage nach unten zu drücken. Warum hat der amerikanische Finanzminister nicht auf solchen Verhandlungen bestanden, um den Schaden für die Staatskasse einzugrenzen? Dieser Finanzminister hieß, wie erinnerlich, Hank Poulson; und der war vorher Chef von Goldman Sachs. Und Goldman Sachs war der größte Profiteur dieser Überweisungen. Es gibt eben Zusammenhänge, da bleiben nur Vermutungen, da endet die Recherche.
Letzte Bemerkung: Der Wirtschaftsjournalismus hat im Vorfeld der Jahrhundertkrise nicht gut ausgesehen. Kaum einer hat vor diesem Desaster gewarnt. Aber nach Beginn des Crashs, das darf man sicher sagen, hat die Zunft Hervorragendes geleistet, das gilt auch und gerade für die deutschen Printmedien. Ich bin mir sicher, dass die Jury in diesem Umfeld mit der SPIEGEL-Titelgeschichte jenes Stück auszeichnet, das gewissermaßen die Krönung dieses arbeitsreichen Jahres 09 war.“
Die Replik von Thomas Hüetlin stellvertretend für das Spiegel-Team:
[audio:http://www.mediummagazin.de/wp-content/uploads/21-Replik-Hüetlin.mp3]
2 Klaus Ott, „Süddeutsche Zeitung“:
„… weil es keinen Wirtschaftskrimi, keine Korruptionsaffäre in dieser Republik gibt, die er nicht beobachtet und dokumentiert. In der Regel weiß Ott mehr als viele Kollegen, liefert die weiterführenden Informationen und bleibt hartnäckig dran – wie er 2009 beispielsweise mit den Berichten über das dramatische Debakel der Bayern LB zeigte.“
3 Martin Seiwert, Mark Böschen, Thomas Katzensteiner, Anton Riedl, Daniel Schönwitz, „Wirtschaftswoche“:
„… weil sie einen weiteren Beweis dafür liefern, wie ein Reporterteam effizient der Wahrheit auf die Spur kommen und an ihr dranbleiben kann. Die fünf haben mit ihren Recherchen und Enthüllungen über Porsche eine Untersuchung der Bundesfinanzaufsicht ausgelöst.“
4 Klaus Boldt, „manager magazin“:
„… weil er mit dem „Reichen-Heft“ des „manager magazin“ ein tolles Produkt macht – witzig, hintergründig, analytisch.“
5 Ulrike Herrmann, „taz“:
„… für ihre immer klaren Worte, mit denen sie klug und tiefgründig die Finanzkrise analysierte. Ein Leuchtturm in der Misere.“
6 Johannes Röhrig, „stern“:
„… für die Aufdeckung der Datenaffären bei Bahn und Telekom, an der Röhrig maßgeblich beteiligt war und die ein Schlaglicht warfen auf die Arroganz und Ignoranz großer Konzerne gegenüber ihren Mitarbeitern. Der Datenskandal führte bekanntlich zum überfälligen Rückzug von Bahn-Chef Hartmut Mehdorn.“
7 Nikolaus Piper, „Süddeutsche Zeitung“:
„… weil er als Korrespondent der „Süddeutschen“ durch kenntnisreiche Hintergrundberichte über Wirtschaftsthemen nicht erst seit der Finanzkrise überzeugt. Piper schafft es, das amerikanische Wirtschaftstrauma in einer Nussschale zu erzählen.“
8 Wolfgang Uchatius, „Die Zeit“:
„… weil er immer wieder ökonomische Selbstverständlichkeiten in Frage stellt und weil er eine ganz besondere Nische der Wirtschaftsberichterstattung für sich entdeckt hat: In akribischen Recherchen verfolgt er den Weg des Geldes – egal ob Banken oder Regierungen es verpulvern.“
9 Dieter Hawranek, „Der Spiegel“
„… weil er (fast) immer als Erster alles über VW und Daimler, Audi und BMW weiß – und so dank profunder Kenntnis und Recherche im turbulenten „Abwrack“-Jahr 2009 besonders punkten konnte.“
10 Rainer Hank, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“:
„… für seine herausragende selbstkritische (und dennoch nicht wohlfeile) Reflexion der Fehler des Wirtschaftsjournalismus in der Finanzkrise. Und seine außerordentlich meinungsstarke und konsequenten Standpunkte.“