02 – Ehrenpreis für das Lebenswerk
Hans-Werner Kilz, bis Ende 2010 Chefredakteur „Süddeutsche Zeitung“
Begründung der Jury: „Mit außergewöhnlicher Souveränität und beispielhafter journalistischer Hal- tung hat er die ,Süddeutsche Zeitung‘ an die Spitze der meinungsbildenden Medien in Deutschland geführt. Auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten hat er stets die redaktionelle Unab- hängigkeit als oberstes Gebot verteidigt. Sein Wirken setzt Maßstäbe für die Branche, weil er stets klas- sische Tugenden wie sorgfältige Recherche und schreiberisches Können mit Innovationsfreude zu verbinden wusste.“
Jurymitglied Werner Kaden hielt die Laudatio auf Hans-Werner Kilz:
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Lieber Herr Kilz, liebe Frau Milz, werte Kollegen!
Was für ein Abschied. Erst eine große Feier der Süddeutschen in Taufkirchen, danneine Sonderausgabe der SZ mit zwölf Seiten über den wunderbaren ChefredakteurKilz, schließlich noch die Carl Zuckmayer-Medaille für Verdienste um die deutscheSprache, im fast heimatlichen Mainz. Und nun auch noch eine Art Ehrendoktorwürde derBranche, die Auszeichnung für ein herausragendes Lebenswerk, mehrheitlich und fasterwartungsgemäß beschlossen von nicht weniger als 70 Kollegen, die es wissen müssen.Ich darf Ihnen sagen, lieber Herr Kilz, dass mich selten eine Auszeichnung für einenKollegen so gefreut hat wie diese. Für die Jüngeren unter Ihnen: Kilz und ich warendrei Jahre lang zusammen in der Chefredaktion des SPIEGEL. Und obwohl ich vor demAufstieg in den SPIEGEL-Olymp und auch nach dem Ausscheiden und dem Wechsel zummanager magazin der Alleinherrschaft in journalistischen Führungspositionen den Vorzuggebe – ich vermute mal: Sie auch, Herr Kilz -, darf ich über diese Zeit sagen: Ich denke gern an sie zurück.
Ich habe damals das an Ihnen zu schätzen gelernt, was Sie in der Süddeutschen zueinem der ganz Großen unserer Zunft werden ließ: Ihre hohe journalistische Kompetenz,ihr unbestechliches Urteil, Ihre Mischung von Geduld und Zielstrebigkeit – aber auch, undnicht zuletzt Ihre menschlichen Qualitäten: Loyalität (an der Spitze des SPIEGEL nichtunbedingt die Regel…), Verlässlichkeit, Fairness, Einfühlungsvermögen, Humor.
Von Alfred Herrhausen habe ich den Satz in Erinnerung: „Führung muss man wollen“. Soist es. Kilz sagte zwar in einem Interview: „Ich habe eigentlich nie einen Plan gehabt, wiees weitergehen könnte“. Aber er hat Führung, im besten Sinne, gewollt und ausgeübt.So sahen es wohl auch, nach anfänglicher Skepsis, die Kollegen in der SZ. In derSonderausgabe zu seinem Abschied las ich den durchaus anerkennend gemeintenSatz: „Kilz ist gern Hierarch“, und dort fand ich den schönen Ehrentitel: „a natural born boss“.
Das Boss-Sein beim SPIEGEL endete aufgrund einer mir bis heute unerklärlichen LauneAugsteins ziemlich abrupt und auch gegen den Willen der Redaktion. Danach hatteKilz tatsächlich keinen Plan, aber Glück. Wir reden ja heutzutage nicht häufig gut überVerleger. Aber an dieser Stelle sollte doch nicht unerwähnt bleiben, dass es 1995 einGesellschafter der SZ war, so weit ich weiß: Dürrmeier, der die glänzende Idee hatte, demehemaligen SPIEGEL-Chefredakteur an der Spitze der SZ eine neue Chance zu geben. Einen Magazin-Mann, gar einer vom SPIEGEL als Chef einer seriösen, großen nationalenTageszeitung? Das hatte es vorher nicht gegeben und das gab es auch danach nicht mehr. Das war so ungewöhnlich, dass eine satte Mehrheit der redaktionellen Führungskräfte in der SZ gegen die Personalie stimmte. Gerade mal mit einer Stimme schaffte Kilz das satzungemäße Quorum von einem Drittel der so genannten Impressionisten.
Die Süddeutsche war auch damals schon eine gute, republikweit geschätzte Zeitung. EinBlatt, das sich viel aufs Einordnen zugute hielt, das über Sprache die Welt erklärte, in demallerdings die Betrachtung wichtiger war als die News und das sich ungern am Wettrennenum Enthüllungen beteiligte. Mit der ihm eigenen Geduld und mit großer Beharrlichkeit hatKilz die Zeitung umgesteuert. Nicht zuletzt auch durch kluge Personalpolitik, eine ganzgroße Stärke des Laureaten. So ist die Süddeutsche in der Abteilung „Enthüllung“ zur ersten Adresse unter denTagesmedien geworden, mit Recherchen wie im Fall Siemens oder BayernLB sogar zurPflichtlektüre im Management. Sie liefert selbst die News, schreibt nicht mehr hinterher, und ist nach „Bild“ die meistzitierte Tageszeitung im Lande.
„Mit dem Herzen bin ich immer noch dabei, wenn recherchiert wird“, sagte Kilzim vergangenen Mai in einem Interview. Das nehme ich im gern ab. Er war keinChefredakteur, der mal in der Konferenz den Auftrag erteilte: recherchiert mal…und dannwartete, bis ein Ergebnis eintrudelte – oder auch nicht. Er ließ sich ständig informieren,übte, wenn nötig, immer wieder sanften Druck aus und vertiefte sich auch selbst in dieDetails komplizierter Sachverhalte. So prägt ein Chef seine Redaktion. Kilz hat aus der SZ eine kämpferische Zeitung gemacht, und die Leser haben ihnbelohnt: In der Auflage hat sie die bis dahin gleichauf liegende FAZ deutlich hinter sichgelassen. Und auch in der Reputation steht sie, die anwesenden FAZ-Kollegen mögenes mir verzeihen, heute für viele unter den großen Tageszeitungen an erster Stelle. EineUmfrage unter Journalisten hat bestätigt, dass die SZ das wichtigste Medium ist für derenMeinungsbildung und Orientierung.
Die Leistung ist umso höher zu bewerten, als auch diese Redaktion und dieserChefredakteur mit immer weniger Geld, mit immer weniger Leuten auskommen müssen.Das investigative Ressort – man mag kaum von einem „Ressort“ sprechen – besteht ausdrei Leuten. Kilz hat gekämpft, er hat rausgeholt, was rauszuholen war – bei Kaufleuten,die nicht verstehen wollen, dass guter Journalismus Geld kostet. Erstaunlich, dass er dabei, wie sein Nachfolger in der Abschiedsrede formulierte, „ein grundglücklicher und deswegen beneidenswerter Mensch geblieben“ ist. Einer, der gernMenschen um sich hat, der den guten Roten genießen kann und der mit seinem geliebtenHSV (dem er auch in München verbunden blieb) mal glücklich, oft weniger glücklich ist.
Kilz hat sich für seine Mannschaft eingesetzt, aber nicht minder überzeugend für dieGattung, für die Tageszeitungen. Gegen einen Defätismus, der das gedruckte Wort schonabgeschrieben hat in der Welt der elektronischen Kommunikationsmittel. Gegen eineVerlagsszene, die noch immer von den Renditen des Vor-Internetzeitalters träumt, dieSparen zur obersten Maxime und solcherart ausgedünnte Blätter dann eines Tages dann tatsächlich entbehrlich macht.
Ich finde, wir können stolz sein auf die Kultur des gedruckten Worts in diesem Land. Auf eine immer noch weitgehend freie Presse. Und Sie Herr Kilz stehen für diese Kultur. Sie haben sie in arbeitsreichen Jahrzehnten wesentlich mitgeprägt. Deswegen haben Sie
diesen Preis für Ihr Lebenswerk verdient.Ich gratuliere Ihnen, auch im Namen der Jury.
Hans-Werner Kilz, der aus familiären Gründen kurzfristig verhindert war und an der Preisverleihung in Berlin nicht teilnehmen konnte, hatte Heribert Prantl gebeten, stellvertretend die Ehrung in Empfang zu nehmen:
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