Klaus Meier über die crossmediale Journalisten-Ausbildung
Journalistik-Professor Klaus Meier hat in Darmstadt, Dortmund und Eichstätt Onlinejournalisten ausgebildet. Im Interview erklärt er, worauf es dabei ankommt.
Interview: Katy Walther
Sie haben den Studiengang Onlinejournalismus in Darmstadt aufgebaut, in Dortmund ein crossmediales Lehrkonzept etabliert und richten in Eichstätt gerade ein crossmediales Labor ein. Welchen Stellenwert hat das crossmediale Publizieren heute?
Dass der Stellenwert kontinuierlich wächst, ist eine Binsenweisheit. In vielen Redaktionen ist inzwischen angekommen, dass man dem Internet auf Augenhöhe begegnen muss. Aber natürlich gibt es nach wie vor Ignoranten, die Online klein reden. Richtige Konzepte und Ideen für crossmediales Publizieren haben indes die wenigsten Redaktionen.
Wer hat denn ein solches Konzept?
Ein Konzept, das er mal besser, mal weniger gut umsetzt, hat auf jeden Fall „Der Freitag“. Auch die Entwicklungen bei Springers „blauen Gruppe“ kann man sicher kritisieren, trotzdem verlaufen sie konzeptorientiert. Bei „Welt“ und „Morgenpost“ macht man sich schon seit vielen Jahren Gedanken übers crossmediale Publizieren. Auch beim Zeit-Verlag werden ganz klare und durchdachte Profile für die Wochenzeitung und fürs Internet verknüpft. Crossmediale Konzepte können sehr vielfältig sein; man muss nicht jede Geschichte auf allen Plattformen anbieten.
Woran liegt es, dass viele andere das crossmediale Konzept bislang nicht aufgegriffen haben?
Das ist schwer zu verallgemeinern. Im Lokaljournalismus, bei den regionalen Zeitungen, ist sicher immer noch die Angst da, durch Online zu verlieren, Geld in den Sand zu setzen. Gerade viele Lokale wissen immer noch nicht genau, was sie mit dem Internet überhaupt machen können. Es als Beiboot laufen zu lassen, ist daher die häufigste Strategie. Die „Rhein-Zeitung“ um Christian Lindner hat da eine Ausnahmestellung, weil auch sie konzeptorientiert arbeitet. Wer im Lokalen eine eigene Stelle für Social Media schafft, muss in diesem Bereich als Visionär bezeichnet werden.
Wie wird das neue, 300.000 Euro teure Crossmedia-Labor in Eichstätt die Lehre verändern?
Im vierten Semester produzierten die Studenten schon seit 20 Jahren die Zeitschrift „Einsteins“ zu einem großen Thema. Seit 2005 wird dazu eine „Einsteins“-Fernsehsendung produziert, also Print und TV kombiniert. Online lief meist so mit, indem Geschichten teilweise vorher oder nachher online gestellt wurden oder über das „Making of“ berichtet wurde. Künftig soll für Online eigens gedacht, konzipiert, produziert werden. Dazu steht das ganze Material zur Verfügung: Videos, Texte, Fotos, Datenmaterial, das journalistisch aufbereitet wird. Das ist die Idee. Das crossmediale Labor selbst hat zwölf Arbeitsplätze, bei denen alles an Technik zur Verfügung steht, was man für die jeweiligen Medien braucht: einen Avid Schnittplatz für Video, eine Audioschnitt-Software und natürlich auch ein Printlayout-Programm, das eine multimediale Ausspielmöglichkeit fürs iPad bietet. Als Web-CMS soll WordPress zum Einsatz kommen, damit die Studenten merken, dass sie die Technik auch selbst formen können. Dass man nicht nur Gefäße vorgesetzt bekommt wie bei großen CM-Systemen, sondern dass man auch eingreifen kann und auf diese Weise Story-Ideen entstehen. Unsere Studenten sollen Online nicht als Medium begreifen, wo man Texte abfüllt oder Videos einstellt, sie sollen begreifen, dass es neue Arten des Erzählens gibt, die es zu entwickeln gilt. Das klassische Fernsehstudio, das Radiostudio und die Print-Redaktion mit zwölf Arbeitsplätzen zur Zeitschriftenredaktion bleiben in der Ausbildung weiter enthalten. In all diesen Laboren wird das ganze Jahr über trainiert – mit unseren festen Praxis-Lehrkräften und Lehrbeauftragten aus Redaktionen.
Ihr Arbeitsmodell im Crossmedia-Labor ist eine Matrix-Organisation: Kleine Teams recherchieren und produzieren ein Thema für alle Plattformen. Sieht so die journalistische Zukunft aus?
Bereits jetzt arbeiten viele integrierte Newsrooms nach diesem Prinzip. In unserer Ausbildung ist das in dieser Stringenz aber neu. Im Sommersemester wird es das erste große Projekt zum Thema „Heimat“ geben, bei dem jedes Unterthema als Geschichte für jede Plattform erzählt wird.
Müssen Absolventen künftig in der Lage sein, alle Kanäle zu bedienen?
Man braucht als junger Journalist sicher ein Medium, in dem man sich wohlfühlt und in dem man sehr gut ist. Aber ich muss in allen anderen Medien zumindest soweit fit sein, dass ich schon mal damit zu tun hatte – und sei es nur in einer Ausbildungs- oder Lehrredaktion. In Darmstadt haben wir dieses Konzept vom Medium Online aus gedacht: Online war für die Studenten dort das wichtigste Medium, das Medium ihrer Wahl. Alle anderen Medien haben sie dann zusätzlich im Studium kennengelernt. Hier in Eichstätt ist das anders: Hier haben wir in der allgemeinen Journalistik letztlich alle Medien auf Augenhöhe. Die Studenten lernen jedes Medium gleichwertig als Basis, können aber auch eigene Schwerpunkte setzen.
Soll, wer Onlinejournalist werden will, also lieber ganz spezialisiert in Darmstadt studieren, wer sich indes nicht sicher ist, ob Online das richtige für ihn ist, lieber Journalistik in Eichstätt?
Das ist vielleicht ein bisschen eng formuliert, denn auch in Eichstätt kann man sich auf Onlinejournalismus spezialisieren. Wobei es ja verschiedene Arbeitsplätze und Jobs gibt, auf die man sich vorbereitet. Wenn man in Darmstadt studiert, lernt man die Onlinedenkweise von Anfang an. Und man will auch Online machen. Das heißt, die Absolventen dort landen dann, wenn sie fit und gut sind, z. B. auch in Entwicklungsredaktionen. Wenn man in der allgemeinen Journalistik oder im Volontariat crossmedial arbeitet, lernt man online gleichwertig mit anderen. Das prädestiniert einen eher nicht für hochspezialisierte Online-Jobs, aber sicherlich für Online-Arbeit in crossmedialen Redaktionen. Und man kann sich ja auch nach dem Bachelor noch weiter spezialisieren – zum Beispiel in unserem Master.
Wie groß ist die Herausforderung up to date zu sein für Hochschulen, die Onlinejournalismus lehren?
Gerade im Onlinebereich ist es so, dass man diese Traditionen nicht hat, diese feste Basis, dass alles fix ist, was man lernt. Dass man heute dasselbe lernt wie vor zehn Jahren. Wenn man Radio und Fernsehen unterrichtet, ist der Unterschied zwischen heute und vor zehn Jahren nicht so groß. Bei Print sowieso nicht. Wie eine gute Reportage aussieht, das konnte man vor 20 Jahren genauso lehren wie heute. Beim Thema Online kann man Standards sicherlich in einer Crossmedia-Ausbildung vermitteln. Aber wenn man richtig tief gehen will, die neuesten Techniken und Erzählformen einsetzen möchte, dann muss man sich auch mit Innovationen und Innovationsforschung beschäftigen. In Darmstadt macht man das praktisch im Bachelor. Hier in Eichstätt haben wir dafür den forschungsorientierten Masterstudiengang „Management und Innovation in Journalismus und Medien“, in dem es um Formatentwicklung und die Entwicklung redaktioneller Organisationen geht. Bisher haben wir z.B. mit dem WDR und dem BR kooperiert.
Welchen Rat sollten angehende Journalisten beherzigen?
Wichtig ist, immer wieder Ausschau nach Neuem zu halten, technische Innovationen und andere Branchen im Blick zu haben, auch mal etwas zu wagen und sich vor allem nicht durch redaktionelle Strukturen und Abläufe in der eigenen Kreativität beschränken zu lassen. Gute Ideen sind bislang immer irgendwo auf offene Ohren gestoßen.