Kriegsjunkies, Karrieristen und vergessene Helfer
Tomas Avenarius, der langjährige Nahostkorrespondent der ‚Süddeutschen Zeitung“, hat vor kurzen eine heftige, nicht frei von Zorn formulierte Kritik an fragwürdigen Aspekten und dubiosen Figuren im aktuell wieder boomenden ‚Kriegsjournalismus’ geübt ( SZ, 23./24. August 2014 -Print). Da gäbe es zu viele „Eitle, Uninformierte, Karrieristen oder Kriegsjunkies, die Gewalt und Leid brauchten, um sich lebendig zu fühlen“. Die Zahl der Videojournalisten, Blogger und Internetjournalisten habe zugenommen, die zwar oft extrem aktuell berichten, aber an ihrer Professionalität und Verläßlichkeit müsse man große Zweifel haben. „Jüngere Journalisten schreiben, drehen, bloggen, schiessen Bilder, am besten alles gleichzeitig.“ Was sie dabei zu Papier bringen oder den TV- und Radiostationen anbieten, sei oft nicht publizierbar. „Journalismus ist ein Handwerk. Man muss es erlernen“.
Bitterböse läßt Avenarius dann seine Suada gegen bestimmte Verfallserscheinungen in der medialen Berichterstattung über Kriegs- und Krisenregionen rund um den Erdball enden. „Eines gilt für alle: wenn der Krieg vorbei ist, sind die Reporter weg. Alle Ausgebombten sind abgeklappert, Witwen und Waisen interviewt, Milizenführer befragt. Die Karawane zieht weiter. Es wird woanders geschossen. Nichts wie hin“.
Mag sein, dass Avenarius hier seine Anklage gegen einen Auslandsjournalismus, der sich restlos den Quoten- und Auflageninteressen der Medienunternehmen hier und da überzieht. Aus der Ferne sind Details aus dem Reporteralltag in Kriegsregionen wie im Nahen Osten, in der östliche Ukraine oder auch in einigen afrikanischen Regionen schwer zu bewerten.
Mag sein, aber manchmal schafft man es nur mit schrillen Übertreibungen sich in den Nachrichtenfluten Gehör zu verschaffen. Verdienstvoll ist dieser Text auch, weil hier ein erfahrener Auslandsreporter endlich auch einmal die Aufmerksamkeit auf eine Gruppe von Helfern richtet, auf die weder die jüngeren noch die älteren ‚Kriegsjournalisten’ weder die Blogger noch die Reporter mit dem Notizheft verzichten können. „Ohne einen fähigen Fixer ist jeder verloren, da kann er die Landessprache noch so gut sprechen…Das Verhältnis zwischen Fixer und Reporter ähnelt dem zwischen Sherpa und Bergsteiger – der eine macht die Arbeit, der andere erntet den Beifall.“
Wenigstens für eine kurze Zeit wird einem entführten, misshandelten, inhaftierten oder hingerichteten Journalisten dann in den Nachrichten eine flüchtige Aufmerksamkeit geschenkt. An die dem Journalisten in extremen Alltagssituationen zuarbeitenden lokalen Fixer und Stringer hingegen denkt in diesem Moment niemand. „Ihren Namen kennt keiner“, schrieb einmal Stefan Klein, Kollege von Tomas Avenarius bei der ‚Süddeutschen Zeitung’. „ Noch nicht einmal in einer Fussnote werden sie gewürdigt. Sie haben nur Konjunktur in Krisen und Katastrophen. Jeder Auslandsreporter ist aber nur so gut wie der Stringer, den er hat.“
Carl Wilhelm Macke ( JhJ )