Na, meine Damen, heute Morgen den Weg zur Redaktion auch wieder nur mit Mühe gefunden (der schlechte Orientierungssinn!) und beim Einparken drei andere Stoßstangen touchiert? Jetzt telefonieren Sie bestimmt seit Stunden, während Sie nebenher E-Mails erledigen, die Nägel lackieren und den Artikel für morgen runterrocken – weibliches Multitasking eben.
Mit Zahlen dagegen haben wir es ja nicht so. Sicher der Grund, warum wir immer noch weniger verdienen als Männer in den gleichen Jobs. Was unfair ist, wo wir doch so viel kreativer und zwischenmenschlich wertvoller sind – wegen der besseren Vernetzung der Hirnhälften. Die Jungs denken ja sowieso nur mit dem Unterleib. Wir dagegen …
… sind ausgesprochen dämlich, wenn wir glauben, was über die angeblich so großen, genetisch-biologisch begründeten Unterschiede in Verhalten und Fähigkeit zwischen Männern und Frauen so in der Gegend herumdröhnt: Egal, ob Frauen schlechter oder auch mal besser dabei wegkommen: Das meiste ist ausgemachter Blödsinn.
Echte Unterschiede. Die amerikanische Psychologie-Professorin Janet S. Hyde wertete rund 7000 wissenschaftliche Studien über die angeblichen Unterschiede zwischen Männern und Frauen aus: Über Sprache, mathematische Fähigkeiten, Führungsstil, Aggression oder Kommunikationsmuster. Und tatsächlich, sie fand ein paar Unterschiede: Frauen können nicht so gut werfen. Sie sind nicht so offen gegenüber One-Night-Stands, haben weniger körperliche Aggressionen und masturbieren nicht so oft. Alles andere fiel statistisch nicht ins Gewicht.
Innerhalb der Geschlechter gibt es viel mehr Unterschiede als zwischen den Geschlechtern, so die Ergebnisse der neuesten Geschlechterforschung. Nix isses mit dem angeblich automatischen Setup-Programm Mensch.XX oder Mensch.XY, das uns von Geburt an fernsteuert.
Die Kölner wussten es schon immer: Jeder Jeck ist anders. Und jedes Gehirn auch. Denn das entwickelt sich im Laufe des Lebens – und zwar entsprechend dem Leben, das man lebt. Wächst jemand zweisprachig auf, sieht das Gehirn anders aus als das von Einsprachlern. Und das von Frauen, die schon mit dem Bobbycar einparken geübt haben, arbeitet nicht so wie das von Frauen, die sich auch im hohen Alter nur die XXL-Parklücke zutrauen.
Kein Forscher kann ein Männerhirn von einem Frauenhirn unterscheiden. Weil es „das Frauenhirn“ nicht gibt. Jahrelang dachte man, dass Frauenhirne besser vernetzt seien als die von Männern. Stimmt nicht, fanden Forscher der Universität Zürich kürzlich heraus. Ob Frauen geschickter im Multitasking sind, hat bisher niemand richtig erforscht – erste Ergebnisse sagen eher: Nein. Und das weibliche Gehirn funktioniert zwar statistisch gesehen etwas symmetrischer als das von Männern. Aber selbst das ist kein unumstößliches Gesetz: Ausgerechnet während der Menstruation herrscht auch in Frauenoberstübchen eine ähnliche Ordnung wie bei Männern. Nach den Wechseljahren auch. Möglicherweise ist das aber ohnehin egal, bisher weiß niemand, welchen Effekt die Sache hat – oder ob sie überhaupt einen Effekt hat.
Eher was für die Kerle? Was das für den Journalismus heißt oder gar für die Frage, warum Frauen so wenig Tageszeitungen lesen? Zumindest so viel: Im Gehirn stecken die Ursachen wohl nicht, die vielbeschworene weibliche Gehirnhälfte – es gibt sie nicht. Höchste Zeit, endlich damit aufzuhören, die angeblich biologischen Unterschiede so groß zu reden. Auch, wenn das das Ende für „das ist halt weiblich“-Ausreden fürs kreative Chaos (Multitasking!) oder für heimliche Überlegenheitsgefühle ob der so viel ganzheitlicheren Denkweise bedeutet. Sorry. Aber wollen wir uns wirklich Blödsinn einreden lassen, wie den, dass die Hormone schuld sind, dass Frauen gemeinsam aufs Klo gehen, wie es gerade der Bestseller „Das weibliche Gehirn“ mit Verweis auf angeblich wissenschaftliche Erkenntnisse behauptet?
Besser nicht. Denn Vorurteile gefährden die geistige Leistungsfähigkeit. Und das steigert die Auflagenzahlen auch nicht. Versuche von Sozialpsychologen zeigten: Frauen, die überzeugt sind, dass die Biologie es mit ihnen in Sachen Mathe nicht gut gemeint hat, rechnen schlechter als sonst, wenn ein Vergleich mit den Herren droht. Und weibliche Mathecracks verlieren ihre Fähigkeiten, wenn sie vor dem Hirnjogging Werbespots für neue Backmischungen sehen, in denen Frauen in stereotypen Geschlechterrollen auftreten.
Das ständige Lamento, Frauen läsen keine Zeitung, könnte zur selbst erfüllenden Prophezeiung werden, schließlich heißt das im Umkehrschluss, dass Zeitung lesen ja doch eher was für Kerle ist. Am Ende glauben wir das noch. Wir haben bisher ja auch die ganzen anderen Merkwürdigkeiten über weibliche Hirnhälften oder mangelnde Parkkünste weitgehend widerspruchsfrei geschluckt … Die Erklärung, dass Frauen am Frühstückstisch vor sich hin plappern, während der Gatte Zeitung liest, ist übrigens wieder so ein Vorurteil. Stand gerade sogar im Wissenschaftsmagazin „Science“: Männer reden keine Silbe weniger.
Erschienen in Ausgabe 9/2007 in der Rubrik „Schlusspunkt“ auf Seite 38 bis 38 Autor/en: Eva-Maria Schnurr. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.