Es ist bislang ein bundesweit einmaliges Projekt: Seit gut fünf Jahren existiert in Frankfurt/Main der „Runde Tisch“ für Journalisten deutscher und türkischer Herkunft sowie Redaktionen – und ist zu einer Institution avanciert, deren Einladungen Politiker und Fachleute gerne folgen – u. a. die damalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan oder Roland Desch, Chef des Landesamtes für Verfassungsschutz Hessen. Zuletzt, Ende März, berichtete die hessische Kultusministerin Nicola Beer über den Stand in Sachen islamischer Religionsunterricht an hessischen Schulen.
Wie sinnvoll es ist, deutsche und türkischstämmige Medienmacher informell zusammenzubringen, wurde gerade bei emotionalen Themen wie den sogenannten Ehrenmorden oder der Integrationspolitik immer wieder deutlich. Auf der Agenda standen bislang Rechtsextremismus, Spracherwerb und Religionsunterricht, aber ebenso Fragen des Arbeitsmarkts und der Sicherheitspolitik sowie der Medienlandschaft. Dass nicht nur die Wahrnehmungen übereinander, sondern auch die Einordnung von Themen sehr unterschiedlich ist, gehört zweifelsohne zu den wichtigsten Erkenntnissen, aus denen sich in den vergangenen fünf Jahren ein fruchtbarer deutsch-türkischer Dialog entwickelt hat.
Die Initiative für den Runden Tisch hatten der evangelische Theologe Dietmar Burkhardt und der Medienberater Erhard Brunn. Sie gaben 2007 den Impuls dafür, dass mit der Evangelischen Kirche Hessen und Nassau, dem katholischen Bistum Limburg und der Herbert-Quandt-Stiftung ein Trägerkreis gegründet wurde, der seither die Organisation verantwortet. Der Runde Tisch tagt alle drei Monate; Gastgeber ist im deutsch-türkischen Wechsel ein Mitglied – etwa die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, die „Frankfurter Rundschau“, das ZDF, der SWR oder türkischsprachige Zeitungen wie „Sabah“, „Hürriyet“ und „Zaman“ (Anm.d.Red. auch „medium magazin“ gehört zu den Mitgliedern). An den Treffen nehmen zwischen 15 und 25 Medienvertreter aus dem Rhein-Main-Gebiet teil. Viele nehmen die Begegnungen als berufliche und auch persönliche Bereicherung wahr. Dazu trug sicherlich auch die gemeinsame Reise in die Türkei 2009 bei. Eine weitere Reise ist für Mai 2013 geplant.
Aus den Treffen von fest angestellten Redakteuren und freien Journalisten, die bei deutsch- und türkischsprachigen Medien beschäftigt sind, haben sich auch immer wieder Kooperationen ergeben. Und anlässlich des 50. Jahrestags der Unterzeichnung des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens im Oktober 2011 iniitiere der Runde Tisch einen großen Redaktionstausch: Deutsche Journalisten arbeiteten in türkischsprachigen Redaktionen und umgekehrt.
Doch in den vergangenen Monaten hat sich Gravierendes verändert in der türkischsprachigen Medienbranche: Anfang des Jahres zog die „Zaman“-Redaktion von Offenbach nach Berlin um, im März wurde die Redaktion von „Hürriyet“ in Mörfelden-Walldorf geschlossen (s. S. 66). Somit fallen wichtige Vertreter des Mediendialogs weg. Der Trägerkreis sollte sich daher überlegen, ob der Kreis der Teilnehmer nicht grundsätzlich erweitert werden sollte – und zwar um Journalisten mit Migrationsbiografien. Deren Blick auf die Themen und ihre Positionen bei Debatten in Deutschland sind andere als die der herkunftsdeutschen Medienmacher. Der Runde Tisch könnte ein Forum dafür bieten, über die unterschiedlichen Wahrnehmungen zu reflektieren und so dazu beizutragen, blinde Flecken in der Berichterstattung zu beheben.
Canan Topçu: Die Autorin ist selbst Mitglied des Runden Tischs.
Kontakt: Erhard Brunn – Interkulturelle Kooperationen, Tel. 069-26496712, erhardbrunn@web.de
Erschienen in Ausgabe 04/202013 in der Rubrik „Medien und Beruf“ auf Seite 68 bis 68. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.