„Wir wollten nicht daran glauben, dass WDR-Leitung und Rundfunkrat ihre Politik gegen den massiven Protest einer breiten Öffentlichkeit würden durchsetzen wollen“, sagt Lothar Fend. Die von ihm mitbegründete Initiative „Die Radioretter“ hatte über 18.800 Unterschriften gegen die Reform der Hörfunkkulturwelle WDR 3 gesammelt. (siehe auch „medium magazin“ #06/2012) Trotzdem wurden die auch von vielen Mitarbeitern abgelehnten Programmveränderungen von den Gremien des Hauses Ende Mai abgesegnet.
Doch „die Radioretter“ wollen nicht aufgeben und werden einen gemeinnützigen Verein gründen. „Wir müssen die Arbeit auf mehrerer Schultern verteilen“, so der ehemalige WDR-Redakteur Fend. Geplant sind öffentliche Veranstaltungen und ein regelmäßiger Newsletter, mit denen die Weiterentwicklungen bei WDR 3 kritisch begleitet werden sollen. „Wir sahen uns von Anfang an nicht nur als Initiative für Kultur im Rundfunk, sondern möchten auch dafür Sorge tragen, dass die Kultur innerhalb dieser Organisation nicht zu kurz kommt.“ Will heißen: es soll all denjenigen im WDR der Rücken gestärkt werden, die nach wie vor von der Sinnhaftigkeit der Reformen nicht überzeugt sind. Unterdessen hat der Sender sein Versprechen wahr gemacht und am 14. Juni eine erste öffentliche Veranstaltung zu „Kultur im Radio“ durchgeführt. Erstmals trat dabei Intendantin Monika Piel auf. Sie enthielt sich allerdings aller programmatischen Äußerungen und „wollte nur zuhören“. Die Auseinandersetzung mit den „Radiorettern“ hatte sie bis dahin Hörfunkdirektor Wolfgang Schmitz überlassen. Die Diskussion in der Duisburger Mercatorhalle blieb noch relativ allgemein gehalten. Statt „Radiorettern“ saßen der Programmdirektor des Deutschlandradios Andreas-Peter Weber, der Generalsekretär des Deutschen Musikrats Christian Höppner, Mercedes Bunz und der Kulturmanager Henry C. Brinker auf dem Podium. Die nächste Veranstaltung soll im Herbst folgen.
Während sich im Westen der Republik eine kurze Waffenruhe abzeichnet, formiert sich dafür im Südwesten neuer Protest. Dort wollen die „Regioretter“ die angedachte Abschaffung der sieben regionalen Frühsendungen auf SWR 4 Baden-Württemberg verhindern. Ab 2016 sollen diese in einer einzigen landesweiten Sendung aufgehen, die aus Stuttgart gefahren werden soll. Grund sind Sparmaßnahmen. Der SWR hat errechnet, dass er bis 2020 166 Millionen Euro einsparen muss.
„Gerade das Radio, das am nächsten an den Leuten dran ist, soll gestrichen werden. Müssen wir denn den Verlegern hier den Platz überlassen?“, fragt Udo Seiwert-Fauti. Der freie Radio-journalist ist der „sichtbare Kopf“ hinter den „Regiorettern“, die nach seiner Aussage auch SWR-intern Anhänger haben. Zu den Erstunterzeichnern gehören der Landtagspräsident von Baden-Württemberg Guido Wolf und der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer. Weitere Unterstützer wie der Schwäbische Albverein, der LandFrauenverband Württemberg-Hohenzollern und die Muettersproch-Gsellschaft (Verein für alemannische Sprache) zeigen, dass der Protest hier eher aus dem konservativen Bürgertum kommt. Mehr als 500 Unterschriften hat die Initiative seit dem 12. Juni gesammelt. „Das hört sich erst einmal wenig an, aber diese Klientel ist nicht so sehr internetaffin“, meint Udo Seiwert-Fauti. Eine Briefaktion sei als Nächstes geplant.
Seiwert-Fauti möchte betonen, dass es bei seiner Aktion nicht darum gehe, einen Status quo für immer und ewig festzubetonieren. „Natürlich müssen wir über ein modernes Regionalradio reden“, sagt der 61-jährige Journalist, der seine journalistische Laufbahn einst beim SWR begonnen hatte. Aber die Berichterstattung zurückzufahren, das sei keine Lösung. Intendant Peter Boudgoust verspräche zwar, dass regionale Berichte künftig in allen Programmen des SWR vorkommen würden. Doch, so Seiwert-Fauti: „Was schert den Mannheimer der kommunale Streit um den Hochwasserschutz im Killertal? Wird SWR 3 wirklich berichten über die Menschenkette ums Aalener Rathaus, die sich für Behinderte einsetzt? Wohl kaum.“
Doch nicht nur mit dem Protest der „Regioretter“ muss sich der SWR zur Zeit beschäftigen. Die „Orchesterretter“, die gegen geplante Streichungen bei den beiden Rundfunkorchestern angehen, haben bislang über 26.600 Unterschriften gesammelt.
www.die-radioretter.de
www.regioretter.de
www.orchesterretter.de
Erschienen in Ausgabe 07+08/202012 in der Rubrik „Spektrum“ auf Seite 10 bis 10 Autor/en: Brigitte Baetz. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.