Die vernetzte Welt

Herr Erdmann, Herr Peters, gehören Sie bei der Zeitungsgruppe „Welt“/„Berliner Morgenpost“ auch zu den zwölf „Aposteln“, oder stehen Sie in der Hierarchie über denen?

Jan-Eric Peters: In unserer Redaktion ist Drunter und Drüber kein beherrschendes Thema.

Es geht nur drunter und drüber?

Peters: Auch das nicht. Die zwölf „Apostel“ sind zwölf Leistungsträger aus allen Ressorts der Redaktion, die mittlerweile seit fast einem Jahr von der tagesaktuellen Arbeit freigestellt sind und diskutieren und testen, wie wir unsere Arbeitsabläufe optimieren können, um mit Newsgate möglichst perfekt arbeiten zu können.

Newsgate ist das neue Content-Management-System von „Berliner Morgenpost“ und „Welt“. Frühestens im Herbst soll es einsatzbereit sein. Warum dauert der Umstellungsprozess so lange?

Carsten Erdmann: Newsgate ist wie ein Anzug von der Stange, der noch mal in die Schneiderei geht, um ihn nach individuellen Wünschen umzuarbeiten. Das heißt: Die zwölf Apostel testen Newsgate in Abstimmung mit uns und CCI, dem Anbieter des Systems. Sie probieren vieles aus, produzieren unter Echtzeitbedingungen, finden und analysieren auftauchende technische Probleme, besprechen, wann für welche Themenkonferenzen der richtige Zeitpunkt ist …

Peters: … es gibt Hunderte von Fragen, die zu klären sind …

Erdmann: … und passen Newsgate auf diese Weise unseren, zugegeben, sehr komplexen Bedürfnissen an.

Die Komplexität rührt daher, dass seit Einführung der Zentralredaktion und durch die Gründung neuer Produkte rund um „Welt“ und „Berliner Morgenpost“ der gleiche Text in unterschiedlichen Versionen und Längen auf mehreren Vertriebskanälen erscheint. Wie erleichtert Newsgate diese Arbeitsweise?

Erdmann: Durch Transparenz. Mit dem neuen System können wir alle Produkte, die wir haben, von derselben Oberfläche aus bespielen.

Was heißt das konkret?

Peters: Unsere Redaktion erstellt gut zwölf Titel. Da gilt es, Doppel- und Dreifacharbeiten zu vermeiden. Bisher war es zum Beispiel so, dass sich ein Redakteur, um von Print zu Online zu wechseln, erst beim einen System ab- und beim nächsten neu anmelden musste. Und nicht jeder, der das eine System beherrschte, wusste auch mit dem anderen umzugehen. Künftig kann jeder Redakteur im virtuellen Newsroom von seinem Arbeitsplatz aus auf Knopfdruck alle Titel ansteuern und sieht im Story-Folder, der für jedes Thema angelegt wird, wer woran arbeitet und was schon fertig ist. Texte, Grafiken, Fotos und Videos – alles findet sich am gleichen Platz im gleichen System. Das vereinfacht die Arbeit enorm und spart Zeit und Energie, die dann in die inhaltliche Arbeit fließen können.

Das heißt, als Autor bekommt man jetzt auch wieder mit, wo überall der eigene Text überhaupt erscheint?

Erdmann: Das konnte er auch bisher, aber das wird künftig viel einfacher und übersichtlicher. Jeder Autor sieht auf einen Blick, was aus seinem Artikel in den unterschiedlichen Titeln geworden ist.

Peters: Und wenn „Welt Online“ schon eine Bildergalerie zu diesem Artikel gebaut hat, muss für „Morgenpost Online“ nicht noch einmal eine erstellt werden, weil sichtbar ist, dass es bereits eine gibt, die nun, anders als bisher, auch technisch problemlos übernommen werden kann. Das allein spart eine ganze Stunde Arbeitszeit. Wir können mit Newsgate die gesamte Produktion wesentlich effizienter organisieren, von der Terminvergabe über Fotoaufträge bis zur Materialsammlung zu einem tagesaktuellen Thema, um uns auf die eigentliche journalistische Arbeit zu konzentrieren.

Erdmann: Und sobald eine Geschichte fertig ist, ist sie sofort für alle Kanäle verfügbar.

Zeitgleich zur Einführung von Newsgate wird der bisherige Newsroom geteilt. Künftig wird es einen für die „Berliner Morgenpost“ geben und einen für die „Welt“. Hat sich „Projekt Alpha“ damit erledigt, werden die vor zehn Jahren fusionierten Redaktionen also wieder auseinandergedröselt?

Peters: Warum um Himmels willen sollten wir etwas, das wunderbar funktioniert und uns in der Branche so viele nachgemacht haben, plötzlich rückgängig machen?

Erdmann: Es ist falsch, was Sie sagen. Wir teilen nicht, wir erweitern. Aus baulichen Gründen kann unser Newsroom nicht mehr als 50 Arbeitsplätze haben. Deshalb werden wir voraussichtlich Ende des Jahres im 14. Stock einen Newsroom für die überregionalen und internationalen Themen haben und im 13. Stock einen aufbauen, der fürs Regionale zuständig sein wird.

Peters: Die Kollegen beispielsweise, die für unsere iPad-App redaktionell verantwortlich sind, müssen bislang aus Platzgründen getrennt von der restlichen Redaktion unten in der Passage dieses Gebäudes arbeiten und können immer nur dann hierherkommen, wenn nachmittags ein paar Plätze frei werden. Für die vielen Titel, die wir mittlerweile machen, haben wir einfach nicht ausreichend Raum.

Wenn es einen regionalen und einen überregionalen Newsroom gibt, heißt das doch, dass die regionale „Berliner Morgenpost“ im 13. und die überregionale „Welt“ im 14. produziert wird, also getrennt voneinander.

Peters: Das heißt es nicht, weil wir künftig permanent über den virtuellen Newsroom, über Newsgate miteinander verbunden sind. Wir rücken also letztlich sogar noch näher zusammen, denn räumlich sind wir schon immer auf sieben, acht Etagen des Hauses verteilt gewesen, bei einer so großen Redaktion mit mehreren hundert Journalisten geht das ja auch gar nicht anders. Hinter dem „Projekt Alpha“ stand vor zehn Jahren die Idee, die Redaktion von zwei Titeln zusammenzulegen. Mittlerweile machen wir gut ein Dutzend Titel. Das hat eine ganz andere Dimension.

Redakteure erzählen aber, sie seien gefragt worden, für welchen Titel sie künftig arbeiten. Ob sie zur „Welt am Sonntag“ oder zur „Berliner Morgenpost“ wollen, weil die „Morgenpost“ im ersten Buch ihre überregionale Berichterstattung stärken will und dafür eigene Redakteure für Politik, Wirtschaft und Vermischtes braucht.

Erdmann: Es stimmt, dass wir bei der „Berliner Morgenpost“ ein neues Ressort, das Nachrichtenressort, gegründet haben. Aber nicht, um uns von der „Welt“ abzukoppeln, sondern um uns über Ressortgrenzen hinweg besser abzustimmen und bei überregionalen Themen noch mehr regionale, auf Berlin bezogene Apekte berücksichtigen zu können. Beispiel Länderfinanzausgleich, ein Thema, das aus Berliner Sicht natürlich anders anzugehen ist, als das eine überregionale Zeitung wie die „Welt“ macht. Dieses neue Ressort mit René Gribnitz an der Spitze und etwa einem Dutzend Redakteuren und Regionalreportern arbeitet zwar ausschließlich für die „Berliner Morgenpost“, ist aber genauso Teil der Zentralredaktion wie alle anderen auch.

Peters: Und so wie von der „Berliner Morgenpost“ auch künftig die Berliner Regionalseiten der „Welt“ und „Welt am Sonntag“ geliefert werden, werden – wie Sie es formulieren würden – die nationalen Themen meist von originär aus der „Welt“-Redaktion kommenden Journalisten bearbeitet. Das läuft seit zehn Jahren so.

Erdmann: Wir denken nicht mehr in Titeln oder in Produkten, sondern in Themen. Das ist die Grundidee. Und sie führt dazu, dass einmal erstellte Inhalte für alle Titel und alle Plattformen der Marken „Welt“ und „Berliner Morgenpost“ auf Knopfdruck verfügbar sind. Wir fangen jetzt nicht wieder an, Termine doppelt zu besetzen – es sei denn, wir wollen diese Doppelarbeit ganz bewusst, weil ein spezielles Thema für die „Morgenpost“ anders aufbereitet werden muss als für die „Welt“.

Peters: Wir pe
rfektionieren „Projekt Alpha“. Dort, wo die Verzahnung zu komplex geworden ist, entwickeln wir das System weiter und organisieren es neu. Sie müssen nur daran denken, wie oft am Tag hier irgendwo gerade Redaktionsschluss ist, sei es um 13 Uhr bei „Welt aktuell“, um 17.30 Uhr bei der Frühausgabe der „Welt“, um 19.30 Uhr bei der „Berliner Morgenpost“ mit den jeweils anschließenden Aktualisierungen bis spät abends, dazu „Welt Kompakt“, die Sonntagszeitungen und natürlich vor allem die diversen Digital-Angebote, die jeden Tag dreimal Prime Time haben, also zu Zeiten des Arbeitsbeginns der Nutzer, zur Mittagszeit und zunehmend auch zum Feierabend.

2002 bei „Projekt Alpha“ ging es darum, markenübergreifend zu arbeiten. 2006 ging es darum, Print und Online aus einer Hand zu steuern – was so nie wirklich funktionierte …

Erdmann: … weil es technisch leider kein System gab, das alle notwendigen Voraussetzungen dafür bot. Mit Newsgate werden wir dies nun erstmals haben.

Jetzt geht es um themenübergreifendes Arbeiten, unabhängig von Medienkanälen. Redakteure lästern, Springer erwecke den Eindruck, alle zwei Jahre den Journalismus neu zu erfinden.

Erdmann: Ist das so?

Ja. Verstehen Sie, dass sich mancher als Verschiebemasse fühlt, dem es mittlerweile im besten Fall egal ist, welche Losung nun schon wieder ausgerufen wird?

Peters: Ich kann jeden verstehen, den dieser anstrengende Weg zeitweise erschöpft. Wir erfinden den Journalismus nicht neu und haben das auch noch nie behauptet, aber wir denken laufend über Möglichkeiten nach, wie wir in dieser strukturellen Krise vorankommen, und sind damit ja auch erfolgreich. Wenn ich mich erinnere, welche Katastrophenszenarien Medienjournalisten vor zehn Jahren bei unserem Alpha-Projekt beschrieben haben …

Erdmann: Mittlerweile haben Kollegen anderer Häuser erkannt, dass das der richtige Weg ist, und haben es uns nachgemacht. Das sieht auch unsere Redaktion, die glücklicherweise jetzt – anders als vor zehn Jahren – nicht mit einem Stellenabbau konfrontiert ist.

Peters: Unser Modell ist mittlerweile ein Standardkonzept in der Branche. Jetzt machen wir den nächsten Schritt und werden damit, davon bin ich überzeugt, wieder Vorreiter sein. Wir haben fünf Jahre „Online first“ gelebt, und jetzt sagen wir: „Online to print.“

Sie sagen, Ihr Fokus liegte künftig auf dem Digitalen. Was meinen Sie damit?

Peters: Bisher gab der Redaktionsschluss der Printausgaben den Takt vor. Fast alle haben auf den Redaktionsschluss der Zeitungen hin gearbeitet. Dasselbe galt für die Themen, die meist auf die Zeitungen ausgerichtet waren. Das wird sich im Tagesgeschäft ändern. Das Digitale gibt künftig den Takt vor. Anders ausgedrückt: Wir stellen nicht mehr wie bisher Artikel, die originär für Zeitungen gemacht waren, als erstes online, sondern wir gehen jetzt den nächsten Schritt und erstellen unsere Geschichten originär für Online und drucken einige davon dann später auch noch in unseren Zeitungen. Wir drehen die Sache also um. Das erfordert neben allen technischen Veränderungen vor allem eine enorme mentale Umstellung, wird uns aber in Zukunft weit voranbringen.

Neben dem Digitalen nennen Sie als weitere Schwerpunkte das Regionale und den Sonntagsmarkt. Dahinter verbergen sich die Online-Angebote, die Apps, die „Berliner Morgenpost“ und „Welt am Sonntag“. Was ich vermisse, ist die werktägliche, gedruckte „Welt“.

Peters: Wie gesagt, anders als Sie denken wir nicht in einzelnen Titeln. Aber Sie müssen sich keine Sorgen machen: Sie werden die „Welt“ auch künftig jeden Morgen in gewohnter Qualität am Kiosk finden.

Entschuldigen Sie, dass ich die Keimzelle der Marke „Welt“, die gedruckte Zeitung, nicht ignoriere.

Peters: Das hätte mich auch enttäuscht, wir arbeiten jeden Tag hart an ihr.

Ist es Zufall, dass die gedruckte „Welt“ in Ihrer Strategie „Digitales – Regionales – Wochenende“ unerwähnt bleibt? Die Auflage der „Süddeutschen“ und der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ kann die „Welt“ trotz Hinzurechnen von „Welt Kompakt“ niemals einholen. Obendrein hat sich die wirtschaftliche Situation des Blattes, seitdem Ihr Vorstandschef Mathias Döpfner 2008 verkündet hat, die „Welt“ sei endlich profitabel, längst wieder verschlechtert. Sie ist defizitär.

Peters: Klipp und klar: Der „Welt“-Gruppe geht es gut, wirtschaftlich und publizistisch. Den Fokus auf die Zukunftsmärkte Digital, das Wochenende und auf Berlin zu legen, bedeutet doch nicht, alles andere aus dem Blick zu verlieren. Der Abstand der „Welt“ zur FAZ bei der Zahl der Leser war noch nie so gering wie aktuell. Wir müssen uns aber fragen, in welche Richtung sich der Markt und das Nutzungsverhalten allgemein entwickeln. Schließlich ist es schon heute so, dass wir mit der „Welt“ digital höhere Reichweiten erzielen als mit der gedruckten Zeitung – und hier mit Abstand zur „Süddeutschen“ und FAZ der Marktführer sind. Allein „Welt Online“ erreicht täglich weit mehr als eine Million Nutzer.

Apropos: Früher haben sich die variablen Bezüge eines Springer-Chefredakteurs nach der Auflage bemessen, als die Auflagen zu sinken begannen, nach den Erlösen. Mittlerweile ist offensichtlich die crossmediale Reichweite maßgeblich.

Peters: Es wäre schön, wenn das so wäre, dann wäre ich jetzt nämlich reich. Die variablen Bezüge orientieren sich an mehr als einem halben Dutzend Zielen.

Erdmann: Erfolgreich im Markt kann man heute nur mit einem intelligenten Mix aus Auflage, Reichweite und Profitabilität sein.

Zurück zur gedruckten „Welt“. Nicht nur Ihre Redakteure munkeln, über kurz oder lang werde sie in der bisherigen Form eingestellt. Gerätselt wird nur noch, auf welche Weise der Verlag die Entscheidung als visionäre Erfolgsstory verkaufen will.

Peters: Der übliche Quatsch. Seit zehn Jahren erzählen mir Medienjournalisten Jahr für Jahr mit düsterer Miene, die „Welt“ stehe kurz vor der Einstellung. Jedes Jahr ist es falsch. Und ich verspreche Ihnen: Auch in den nächsten Jahren wird es falsch sein. Mich erstaunt eh, dass sich Medienjournalisten immer nur für die „Welt“ als gedruckte Tageszeitung interessieren und alles andere am liebsten ignorieren.

Was, mit Verlaub, nicht stimmt. Aber immerhin ist Springer mit gedruckten Tageszeitungen groß geworden und sah sich einmal als Zeitungshaus.

Peters: Springer ist ein Inhaltehaus, ein Medienhaus für gedruckte und digitale journalistische Produkte.

Kürzlich haben Sie gesagt: „Online löst Print im Laufe dieses Jahres als Leitmedium ab. Print wird Ausfluss dessen, was wir online tun.“

Peters: Ja, weil das Digitale wie eben erklärt in unserer Redaktion den Takt vorgeben wird.

Und Georg Konjovic, bei Springer Direktor Premium Content, sagte, er könne sich vorstellen, dass die Zeitung in fünf oder zehn Jahren nicht mehr täglich als Zeitung erscheint, sondern nur noch punktuell am Wochenende, wie die „New York Times“ womöglich im Bundle mit dem werktäglichen digitalen Angebot. Der Grund sei, dass die Lesedauer und das Anzeigenaufkommen am Wochenende deutlich höher sind.

Peters: Wir haben die Lesedauer der „Welt am Sonntag“ durch ein noch besseres journalistisches Angebot auch stark steigern können auf durchschnittlich fast zwei Stunden pro Ausgabe. Was umso deutlicher macht, dass Print für uns auf viele Jahre hinaus journalistisch und wirtschaftlich die entscheidende Rolle spielen wird, auch wenn dem Digitalen langfristig die Zukunft gehört. Was übrigens keine sehr gewagte Prognose ist … Wirtschaftlich ist das Digitale noch ein
zartes Pflänzchen. Wir wollen möglichst bis Ende des Jahres das erste große Online-Portal in Deutschland sein, das für sein journalistisches Angebot eine Paywall einrichtet.

Ist das Angebot von „Welt Online“ attraktiv genug für eine Pay-Strategie?

Peters: Das Angebot ist sehr gut – aber ich fürchte noch nicht gut genug, um damit möglichst viele Nutzer zum Bezahlen zu bewegen. Ich kenne überhaupt kein überregionales Nachrichten-Portal in Deutschland, das so exklusiv und eigenständig ist, dass es keine kostenlose Alternative dazu gäbe. Wir haben also noch einige Arbeit vor uns.

Erdmann: Wir konzentrieren uns auf das Digitale. Die „Morgenpost“ hat bereits in den letzten Jahren erste Erfahrungen mit einer Paywall gesammelt.

Einer löcherigen …

Erdmann: … ja, ein Freemium-Modell – und es funktioniert. Wir sind trotz Paywall Marktführer der digitalen Angebote in Berlin geworden.

Peters: Wir denken auch über kombinierte Print-Digital-Abos nach, sogenannte Bundles, die bieten sich gerade mit unserem Marktführer „Welt am Sonntag“ an.

„Welt am Sonntag Kompakt“ wird zur Auflage der „Welt am Sonntag“ einfach hinzugerechnet und erscheint nahezu bundesweit, mit Ausnahme von Ostdeutschland, wo wenig Aussicht auf Erfolg sein dürfte, sowie von Norddeutschland und Berlin, wo Kannibalisierung mit der Broadsheet-Ausgabe zu befürchten wäre. Wie lange verharrt die Kompaktausgabe am Sonntag noch in diesem Projektstatus?

Peters: Anders als „Welt Kompakt“ bleibt „Welt am Sonntag Kompakt“ ein Projekt, ein kleines Beiboot für Leser, denen die große „Welt am Sonntag“ zu dick ist. Der Titel steht bei uns nicht im Fokus.

Und wie steht es um den Test der „Berliner Morgenpost Kompakt“, die während des Berliner Wahlkampfs im vergangenen Jahr erschienen ist?

Erdmann: Das war eine zeitlich begrenzte Aktion zur Wahl, mit der wir viele Daten aus dem Markt gesammelt haben. Details möchte ich natürlich nicht erzählen. Nur so viel: Wir hatten sehr positive Resonanz – auch von bisherigen Nicht-Tageszeitungslesern. Wir bleiben experimentierfreudig, und eine Kompaktausgabe bleibt dabei eine von mehreren Optionen.

Alles, worüber wir bisher sprachen, betrifft Organisatorisches und Technologisches. Vernachlässigen Sie das Inhaltliche, Journalistische?

Erdmann: Natürlich nicht, aber dafür scheinen sich Medienjournalisten erst am Ende eines Interviews zu interessieren.

… was nicht stimmt. Aber dass Springer eine ganz eigene Auffassung von Medienjournalismus hat, ist bekannt.

Peters: Das ist interessant, da scheinen Sie wieder mehr zu wissen als wir… Wenn ich jedenfalls sehe, dass wir im vergangenen Jahr mit unserer Redaktion alle wichtigen Journalistenpreise des Landes gewonnen haben, kann es um das Inhaltliche nicht so schlecht stehen. Hier arbeiten Journalisten, die für ihre Themen brennen. Das gilt auch für die Chefredaktion.

Erdmann: Wir führen Newsgate ja gerade deshalb ein, um unnütze organisatorische Arbeiten zu beseitigen und die dadurch frei gewordenen zeitlichen Kapazitäten in Inhalte zu investieren.

Herr Erdmann, die Geschichte lehrt, dass bei Springer einer organisatorischen Umstrukturierung gern ein Chefredakteurswechsel folgt, erst recht bei der „Welt“-Gruppe. Über Sie wird schon lange verbreitet, Sie liebäugelten damit, in den Boulevardjournalismus zurückzukehren.

Erdmann: Da wissen Sie mehr als ich. Ich bin im Boulevardjournalismus groß geworden. Aber ich bin seit acht Jahren Chefredakteur der „Berliner Morgenpost“. So viel zur Beständigkeit. Bisher langweile ich mich jedenfalls nicht, und ich hege keine Wechselgedanken.

Ulrike Simon ist freie Medienjournalistin in Berlin.

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Erschienen in Ausgabe 04+05/202012 in der Rubrik „Titel“ auf Seite 22 bis 23 Autor/en: Interview: Ulrike Simon. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.