Unser prominentes Foto-Opfer Nr. 22 (u. a. nach Marietta Slomka, Lisa Ortgies, Wolfgang Herles, Manfred Breuckmann und Gabriele Krone-Schmalz) ist Sabine Töpperwien (51), seit 2001 Sportchefin beim WDR-Hörfunk. Töpperwien studierte Sozialwissenschaften in Göttingen und schrieb, erzählt sie, als erste Frau ihre Diplomarbeit über Fußball. Ab 1985 arbeitete sie für den NDR, vier Jahre später wechselte sie zum WDR.
Töpperwiens Fotokommentar:
„Dieser 16.9.1989 war mein letzter Arbeitstag beim NDR. Ich kommentierte damals als erste Frau in Deutschland ein Spiel in der ARD-Bundesliga-konferenz. Und dann auch noch das Lokalderby St. Pauli gegen HSV. Und ich durfte das nur, weil es mein letzter Arbeitstag war: Der WDR hatte mich abgeworben, sie wollten mich explizit für Fußball einsetzen. Doch der NDR wollte sich diese Vorreiterrolle nicht nehmen lassen und die Meriten, als erster Sender eine Frau ein Bundesligaspiel kommentieren zu lassen, selbst ernten – sonst hätten sie mich nie ans Mikro gelassen. Damals wurden für mich berufliche Weichen gestellt.
Doch 1989 war auch in anderer Hinsicht ein aufregendes Jahr für uns Fußballfrauen: In jenem Sommer fand die erste Frauen-Fußball-EM in Deutschland statt, und zum allerersten Mal wurde ein Frauenfußballspiel live im Fernsehen übertragen. Es war das Halbfinale Deutschland gegen Italien – ich durfte kommentieren. Es gab ja sonst keine Reporterinnen mit Fußballwissen und Live-Erfahrung.
Als ich 1985 beim NDR als Freie anfing, wollte man irgendwann wissen, worauf ich mich spezialisieren wolle. Ich sagte ‚Fußball‘ – und elf Augenpaare starrten mich an, als käme ich vom Mond. Die haben ernsthaft gedacht, ich würde mich auf Rhythmische Sportgymnastik einlassen. Aber mit Fußball kannte ich mich nun einmal aus: Ich habe als Jugendliche selbst immer mit den Jungs gespielt und seit ich 16 war, wusste ich, ich will Fußballreporterin werden. Mein Bruder, zehn Jahre älter, arbeitete damals ja schon fürs ZDF, ab und an begleitete ich ihn. Ich fand das toll.
Beim NDR wurde es dann aber erst einmal Hockey: ein Kompromiss. Doch ich nervte die Redaktionsleiter so lange, bis sie mich zu Regionalliga-spielen schickten, zu denen sonst keiner hinwollte. Mein Bruder hat mich immer bestärkt, wenn ich die Borniertheit dieser Männer wieder mal nicht fassen konnte.
Mittlerweile habe ich 500 Bundesligaspiele kommentiert. Ich fühlte mich immer auch als Vorkämpferin für alle Frauen.
In meiner Redaktion arbeiten über ein Drittel Frauen. Eigentlich bin ich ja gegen Vorschriften, aber so langsam bin ich etwas frustriert, wenn ich mir die Medienlandschaft anschaue: Offensichtlich muss man die Männer mit einer Quote zu ihrem Glück zwingen.
Auf das Spiel in Hamburg damals habe ich mich zehn Stunden lang vorbereitet, kaum geschlafen. Ich wusste: Erlaube ich mir nur den kleinsten Fehler, heißt es ‚typisch Frau‘ – und ich bin weg vom Fenster. Das Derby ging übrigens 0:0 aus. Ich durfte kein einziges Mal ‚Tor!‘ schreien.“
Erschienen in Ausgabe 03/202012 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 7 bis 7. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.