Herr Stawski, drei Viertel der von Ihnen befragten Tageszeitungsjournalisten haben schon mal gewulfft. Hat Sie die weit verbreitete Schnäppchenmentalität überrascht?
Dominik Stawski: Und ob. Am Anfang habe ich gedacht, ich müsste den Leuten, die ich befrage, erst einmal erklären, was Presserabatte sind. Aber nein: Jeder Journalist kennt sie. Und die meisten haben sie auch schon mal genutzt.
Gab es weitere Rechercheüberraschungen?
Mich haben die Schilderungen der Unternehmen fassungslos gemacht. Manche Pressesprecher erzählten, dass die Journalisten sie regelrecht unter Druck setzen, um einen Rabatt zu bekommen. Das geht so weit, dass mit negativen Berichten gedroht wird.
DJU-Mitglieder nehmen Vergünstigungen weniger in Anspruch als DJV-Mitglieder. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Nicht wirklich. Dass die DJU-Mitglieder sich kritischer äußerten als die DJV-Mitglieder fiel auf, war aber kein hochsignifikantes Ergebnis.
Der DJV empfiehlt seinen Mitgliedern vom Verband selbst ausgehandelte Vergünstigungen über den Umweg einer kommerziellen Tochter – und glaubt so, ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Unternehmen und Journalist zu unterbinden. Wie glaubwürdig finden Sie das?
Natürlich ist die Gefahr der Einflussnahme größer, wenn der Journalist gleich mit dem Pressesprecher persönlich den Rabatt aushandelt. Andererseits frage ich mich, wieso wir Journalisten überhaupt bevorzugt werden sollen. Wieso ausgerechnet wir Journalisten? Weil wir öffentlichen Einfluss haben? Das wäre der denkbar schlechteste Grund.
Dem Ansehen der Journalisten hilft es jedenfalls nicht, dass der DJV über seine Tochterfirma diese Rabatte anbietet.
Setzt ein Journalist für zehn Prozent Discount seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel?
Die meisten Befragten sind sich sicher, dass sie unabhängig bleiben, auch wenn sie Rabatte nutzen. Es ist aber nicht entscheidend, ob ein Journalist sich für korrumpierbar hält oder nicht. Viel wichtiger ist doch, was die Leser und Zuschauer denken. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Rabatte, auch wenn sie nur zehn Prozent betragen, zur Glaubwürdigkeit der Journalisten beitragen.
Gehören Presserabatte generell auf den moralischen Index?
In den USA haben viele Redaktionen strenge Verhaltensregeln. Die „New York Times“ oder die „Washington Post“ zum Beispiel. Rabatte sind den Journalisten verboten. Warum nicht auch in Deutschland?
Sollten auch Freie auf Rabatte verzichten?
Um jeden Anschein zu vermeiden, wäre das besser. Viele Befragte in meiner Studie gaben aber an, dass sie darauf angewiesen sind. Das ist ein Dilemma.
Dominik Stawski (27), seit Oktober 2011 Redakteur des „stern“, hat 2009 für seine Diplomarbeit die Praxis der Presserabatte recherchiert und darüber ein Buch geschrieben: „Die Prozente der Presse. Bewertung von Journalistenrabatten aus Anbieter- und Nutzerperspektive“, VS Verlag 2010, 39,95 Euro.
Erschienen in Ausgabe 03/202012 in der Rubrik „Medien und Beruf“ auf Seite 29 bis 29. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.