Das Foto zeigt nicht das Arbeitszimmer eines militanten Leuchtturmwartes, sondern ein Museum. Ein Relikt des antikapitalistischen Schutzwalls, der vor 20 Jahren einem Spaziergang an der Ostsee-Strandpromenade von Kühlungsborn noch deutsch-deutsche Grenzen setzte.
Der Fotograf Stephan Morgenstern bereist für die Frankfurter Rundschau seit April die ehemaligen innerdeutschen Grenzgebiete, um die Erinnerungen der Zeitzeugen zu konservieren. Wer weiß heute noch, welche Orte die Mauer in der Mitte zerteilte oder wo sie den Einwohnern direkt am Fenster den Blick versperrte?, fragt Stephan Morgenstern auf seiner Website.
Mit den beiden freien Print- und Radiojournalistinnen Michaela Böhm und Erla Bartmann und der Mitarbeit von Margot Unbescheid will er bis zum 20. Jahrestag des Mauerfalls insgesamt rund 100 Menschen interviewen, die sich an das Leben mit und an der Mauer erinnern können. Die O-Töne werden dann in sogenannten Audioslideshows mit seinen Fotos illustriert, von denen wöchentlich eine im Web-Dossier Grenzland bei fr-online erscheint.
Morgenstern ist einer der ersten Fotografen, die das Medium Audioslideshow für sich entdeckt haben. Bereits 2001 veröffentlichte er auf Spiegel Online vertonte Diashows und wurde damit zum Pionier dieser audiovisuellen Form.
Die Mauer hat auch das Leben des freien Fotografen, der seit 1979 in Frankfurt am Main lebt, geprägt: Zwar hatte er seine Geburtsstadt Baut- zen 1956, also vor dem Mauerbau, als Fünfjähriger mit seinen Eltern gen Westen verlassen. Seine Verwandten blieben jedoch im Osten. Als schließlich die Mauer fiel, ging er zwei Jahre für den Spiegel als Fotograf nach Leipzig.
Damals wie heute rettete er historisches Gut: 1990/91 nutze er die letzte Gelegenheit zu dokumentieren, wie die DDR war. Heute interviewt und fotografiert er die Zeitzeugen und bewahrt so ganz persönliche deutsch-deutsche Geschichten vor der Vergessenheit.
Das Projekt ist eher Herzenssache als Brotjob. Für eine der insgesamt 28 Geschichten mit Hin- und Rückfahrt, Fotos und Interviews bleibt dem Team jeweils nur ein Tag. Das ist kein Urlaub, sagt Morgenstern. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat die Interview-Serie jetzt auch gekauft. Das verbessert das Honorar und belegt auch, welchen Wert diese Arbeit für die nationale Vergangenheitsbewältigung hat.
Linktipps:
Die Homepage des Fotografen:
www.stephanmorgenstern.de
Die Audioslideshow findet sich im Web-Dossier Grenzlandder Frankfurter Rundschau:
http://bit.ly/2kecQM
Die historischen Fotos der Wendezeit stehen unter:
http://bit.ly/11fPIX ( www.fr-online.de)
Erschienen in Ausgabe 10+11/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 6 bis 7 Autor/en: Thomas Strothjohann. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.